
St. Paul Trail
Tom Schilling
Türkei 2025
Für meine Mutter
Impressum
Auflage Juni 2025
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland
Dieses Buch ist ein Ausdruck der Webseite
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gedruckt im Selbstverlag
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Inhalt
- Vorbereitung
- Dresden → Antalya
- Antalya → Yalvaç
- Yalvaç → Ileğy Göleti
- Ileğy Göleti → Aşağı Tırtar
- Aşağı Tırtar → Eğirdir-See
- Eğirdir-See → Dikmen
- Dikmen → Barla
- Barla → vor Eğirdir
- vor Eğirdir → Eğirdir
- Ruhetag Eğirdir
- Eğirdir → Eyüpler
- Eyüpler → Serpil
- Serpil → Sipahiler
- Siphailer → Hacılar
- Hacılar → vor Çandır
- vor Çandır → Çandır Fischfarm
- Çandır → am Akçal Tepesi
- am Akçal Tepesi → Haspinar
- Bodrum Kayası Dağ Otel → Antalya
- Antalya
- Fazit


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2025 Auf dem St. Paul Trail durch das Taurusgebirge zum Mittelmeer
Inhalt
- Vorbereitung
- Dresden → Antalya
- Antalya → Yalvaç
- Yalvaç → Ileğy Göleti
- Ileğy Göleti → Aşağı Tırtar
- Aşağı Tırtar → Eğirdir-See
- Eğirdir-See → Dikmen
- Dikmen → Barla
- Barla → vor Eğirdir
- vor Eğirdir → Eğirdir
- Ruhetag Eğirdir
- Eğirdir → Eyüpler
- Eyüpler → Serpil
- Serpil → Sipahiler
- Siphailer → Hacılar
- Hacılar → vor Çandır
- vor Çandır → Çandır Fischfarm
- Çandır → am Akçal Tepesi
- am Akçal Tepesi → Haspinar
- Bodrum Kayası Dağ Otel → Antalya
- Antalya
- Fazit
Vorbereitung
Beim Stöbern auf topographischen Karten ist mir schon immer die gewaltige Gebirgsmasse östlich von Europa zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer aufgefallen. Was könnte man dort für wunderbare Wanderungen unternehmen!

(Bild bereitgestellt von Captain Blood auf wikimedia.org)
Das will ich dieses Jahr angehen. Ich habe mir den St. Paul Trail ausgesucht, einen der wenigen Weitwanderwege in der Türkei. Die Route ist inspiriert von der Missionsreise des Namengebers, des Apostel Paulus, der im Jahr 47 von Perge nach Antiochia in Pisidien gelangte. Die Eckpunkte seiner Reise sind bekannt, die genaue Route allerdings nicht. Zur Zeit dieser Mission war die Gegend schon tausend Jahre besiedelt und von Verbindungsstraßen zwischen den römischen Provinzen durchzogen.
Wanderführer, Karte und GPS-Koordinaten
Die aktuelle Wanderroute St. Paul Trail wurde von Kate Clow ausgekundschaftet, einer schon seit Langem in der Türkei lebenden Britin. Ich habe mir die neueste Auflage ihres Wanderführers gekauft, die 2013 erschienen ist. Das Buch ist erstmal ein Schock für jemanden, der deutschsprachige Wanderführer gewöhnt ist. Es ist kein Taschenbuch. 16 x 24 x 1,5 Zentimeter groß und 313 Gramm schwer, paßt es nicht in die Jackentasche. Gedruckt ist es in Schwarzweiß auf normalem, nicht wassergeschütztem Papier (sonst wäre es noch schwerer). Hinten ist eine farbige Karte eingeklebt. Ich habe 5 Minuten gebraucht, sie herauszulösen, ohne das Buch zu zerreißen. Die letzten 16 Seiten des Buches zeigen auf Farbfotos Impressionen vom Weg.

In den 25 Jahren des Bestehens dieses Weges sind im südlichen Teil eine Ost- und eine Westroute entstanden, die sich in Adada treffen und gemeinsam nach Norden verlaufen. Ich werde die westliche Route gehen, weil sie näher an Antalya liegt. Die Etappen sind im Buch in Süd → Nord-Richtung beschrieben, was sicher der Laufrichtung der meisten Pilger entspricht. Ich habe mich entschieden, andersrum zu gehen, weil ich mich mit den letzten Tagen am Meer belohnen will und ich die Unwägbarkeiten des Transports lieber am Anfang habe, als zum Schluß, wenn der Abflugtermin naht. In den Beschreibungen der Etappen ist der Weg gut erklärt, am Rand sind die jeweiligen Gehzeiten vermerkt. Es gibt zu jeder Etappe ein Höhenprofil. Der Text ist aufgelockert mit schwarzweißen Bildern und Textkästen mit Beschreibungen der Orte und historischen Stätten am Weg. Gerade über Letztere gibt es viel Interessantes zu erfahren. Auch das Kapitel zur Geschichte von Pamphylia und Pisidia muß ich mir noch vor der Abreise durchlesen.
Das Buch-Cover verheißt, daß man GPS-Daten bekommen würde. Leider gibt es die im Buch beschriebene Webseite auf www.cultureroutesinturkey.com nicht. Das wäre eigentlich nicht so schlimm, denn der Weg ist durchgehend direkt in Open Street Map als "AZIZ PAUL YOLU" oder "APY" eingetragen. Leider gibt es an einigen Stellen mehrere parallele Wege mit diesem Label und es ist nicht ersichtlich, was die neue und was eine alte Wegführung ist. Einige Parallelwege enden abrupt und man muß sich selbst überlegen, wie es wohl weitergeht. Ich hatte außerdem schon den Track von DoingMiles.com vom April 2011 (aus der CalTopo-Karte) und den von Peter Lill von 2015 heruntergeladen, der auf seiner Webseite ebenfalls eine gute Beschreibung der einzelnen Etappen liefert. Beide Tracks haben keine vollständigen Höhendaten und gehen von Süd nach Nord. Insgesamt hatte ich also eine gewisse Überversorgung mit Tracks, aber für ein Höhenprofil der kompletten Tour brauche ich die Tracks in der richtigen Reihenfolge und Gehrichtung mit Höhendaten, damit ich sie zu einem Track zusammensetzen kann. Ich habe noch keine Ahnung, ob und wie ich Tracks aus OSM extrahieren kann.
Ich wollte mir also unbedingt noch den offiziellen Track ansehen und war sauer, daß man nicht mal für die Zeit, in der das Buch noch verkauft wird, die versprochene GPS-Datei zum Download anbietet. Die FAQ auf der Webseite sagt immerhin "contact us and tell us which sections, and where you bought your guidebook; we can send you a .gpx or .kml file". Das suggeriert, daß sie diese Infos nur Etappenweise herausgeben würden. Ich frage per Mail nach einer GPX-Datei für den kompletten Weg. Von Ilgın bekomme ich eine KML-Datei geschickt, verbunden mit der Bitte, sie mit niemandem und keiner Plattform zu teilen. Glücklicherweise finde ich noch einen Konverter aus dem Jahr 2005 von Derek Rosen, der lokal eine Datei von .kml nach .gpx konvertieren kann. Es muß jeder selbst entscheiden, ob er so eine Datei anklickt. Ich habe es getan und es hat funktioniert.
Der Inhalt der Datei ist enttäuschend. Keine Wegpunkte, Trackschnipsel in ungeordneter Reihenfolge in beiden Gehrichtungen, nur wenige Höhenangaben. Ich bin eine Weile beschäftigt, alles in meine Reihenfolge und Gehrichtung zu bringen. Die Höhen erzeuge ich in QMapShack mit einer von hier heruntergeladenen Höhendatei. Dabei fällt mir auf, daß die Türkei ein Loch hat! Alle drei Tracks bekommen an derselben Stelle an einem steilen Anstieg keine Höheninformationen. Die jeweils vier oder fünf betroffenen Trackpunkte habe ich von Hand interpoliert.
Das Highlight der offiziellen GPS-Datei ist, daß dort auch eine neue Route beschrieben ist, die von Adada noch westlicher als die bisherige Westroute bis direkt nach Antalya verläuft. Wenn mir die Türkei gefällt, könnte ich zu einem späteren Zeitpunkt noch die Ostroute mit der neuen Westroute zu einer Rundtour verbinden.

Herausforderungen
Die Pilgerroute überquert den Eğirdir-See an seiner schmalsten Stelle. Der Wanderführer schlägt vor, dafür den Fährservice von Mustafa, einem Fischer, in Anspruch zu nehmen. Er hat sein Haus auf der Seite des Sees, wo ich hinwill und die Preise für die Überfahrt (anderthalb Kilometer hin und zurück) muß man verhandeln. Ich nehme mein Packraft mit und will es aus eigener Kraft schaffen. Ein Update auf der Seite der Culture Routes Society sagt, daß Mustafa seine Lizenz zur Personenbeförderung verloren hat, und stattdessen eine Umrundung des nördlichen See-Endes mit dem Auto anbietet.
Weiter im Süden ist der Aksu-Fluß zu überqueren, an einer Stelle, die der Regulatör genannt wird. Der Fluß verbreitert sich dort und man hat einen 400 Meter langen Beton-Damm gebaut, über den das Wasser hinwegfließt. Von November bis April ist die Stelle wegen hohem Wasserstand unpassierbar, aber in der restlichen Zeit soll man auf der 90 Zentimeter breiten Dammkrone durch das kniehoch fließende Wasser ans andere Ufer waten können. Als Umgehung bietet die Webseite aktuell eine 4 Kilometer nordwestlich gelegene Brücke an. Der Zeitaufwand für den Umweg wird auf 4 Stunden beziffert. Ich wundere mich, warum man bisher die 600 Meter südlich gelegene Brücke übersehen hat, die laut Bildern des Satelliten Copernicus schon seit mindestens 2016 dort steht. Der Pilgerweg scheint wirklich selten gemacht zu werden.
Durch Boot und Rettungsweste kommen 4,5 Kilo Gewicht dazu, die an anderer Stelle eingespart werden müssen. Ich werde mich auf ein Handy beschränken und auch keine extra Kamera und Rundumkamera mitschleppen. Auch vom Wanderführer kopiere ich mir nur die wichtigsten Seiten. Ich bringe es nicht übers Herz, das Buch zu zerschneiden. Die meisten Übernachtungen werde ich im Zelt verbringen, daran kann ich nicht sparen. Ich nehme wieder das Hilleberg Akto mit. Zum Kochen will ich Gas verwenden. In Antalya gibt es zwei Decathlons, wo ich hoffentlich eine Gaskartusche bekomme. Im Winter hatte der Laden eine Zeitlang einen Bestand von 0 gemeldet, deshalb nehme ich zur Sicherheit noch einen selbstgebauten Dosen-Brenner für Alkohol mit. Das mittlerweile dritte Design, das ich nachgebaut habe, funktioniert endlich ordentlich. Alkohol zum Kochen werde ich hoffentlich auch in einem muslimischen Land bekommen. Leider erzwingt das Boot auch den schwersten Rucksack, weil nur der zur Befestigung auf dem Boot vorbereitet ist. Ich werde wohl auf ein Rucksack-Startgewicht von 20 kg kommen (mit Verpflegung für 5 Tage und 2 Litern Wasser).
Bei der Inspektion des Bootes habe ich den Grund gefunden, warum aus der Rückenlehne manchmal urplötzlich alle Luft entweicht. Auch dieser Aufblasstutzen hat einen Riß. Nachdem der Riß des Stutzens für das Boot mitten im Schlauch ist und sich gut durch Klebeband schließen ließ, ist dieser am unteren Ende. Klebeband kann ich da nicht drumwickeln. Ich habe es mit Fahrradflickzeug versucht, kann aber den nötigen Anpreßdruck nicht herstellen und der Flicken fällt wieder ab. Danach habe ich den Riß dick mit Aquasure bekleistert und hoffe, daß das hält. Wenn aus der Rückenlehne die Luft entweicht, ist das zwar schmerzhaft am Rücken, aber nicht lebensbedrohlich. Vorsorglich habe ich auch noch den dritten Aufblasstutzen für das Bodenkissen mit Klebeband umwickelt, da ich davon ausgehe, daß es ein Serienfehler ist. Auf den Gummi-Teilen steht das Logo "carmo".


Das in der EU überaus praktische Daten-Roaming gilt in der Türkei natürlich nicht. Damit ich von unterwegs berichten kann, habe ich mir eine SIM-Karte von Ay Yildiz besorgt. Die bietet Telefon-Roaming zwischen Deutschland und der Türkei. Das heißt, ich kann sie schon hier einrichten und testen. Datenpakete für die Türkei muß man extra zubuchen. Sie funkt im O2-Netz und kann mit Guthaben-Codes von O2 aufgeladen werden.
Anreise
Bis nach Antalya zu kommen ist einfach. Es ist eines der wenigen Ziele, die vom Dresdener Mini-Flughafen aus direkt angeflogen werden. Das hat bei mir letztlich die Suche nach einer Wanderung in der Türkei ausgelöst. Zum nördlichen Endpunkt der Route geht es mit dem Bus. Leider finde ich im Internet nur das Busangebot von Flixbus, das von Kamil Koç betrieben wird. Die logische, geradlinige Verbindung führt über Isparta und Eğirdir nach Yalvaç, dem Beginn der Wanderung. Im Winter gab es viele Verbindungen von Antalya nach Isparta und eine einzige Verbindung nachmittags von Isparta nach Yalvaç. Aktuell fehlt die Letztere. Ich hatte also lange Zeit keine Ahnung, wie ich nach Yalvaç gelangen soll und gehofft, daß ich vor Ort eine Lösung finden würde. In den Wanderbeschreibungen steht, daß jeden Tag mehrere Busse Yalvaç anfahren. Meinen bisherigen Ehrgeiz, an einem Tag bis zum Wanderbeginn zu gelangen, habe ich aufgegeben und mir für die erste Nacht ein Hotel in Antalya gebucht. Von den 5 Hotels in Yalvaç besitzt nur eines eine Webseite. Weil ich nicht weiß, wann ich ankomme, buche ich nicht vor. Vielleicht wandere ich ja sofort los und übernachte draußen. Die Entschleunigung beginnt schon vor der Reise.
Zwei Probleme machen das Suchen einer Verbindung auf der Webseite von Flixbus zur Qual und zum Geduldsspiel:
- Die Software kann in der Türkei nicht routen, d.h. aus mehreren kleinen Verbindungen eine große bauen.
- Wenn man eine Verbindung zwischen 2 Orten gefunden hat, erfährt man nicht den Anfang und das Ende der Buslinie. Es gibt auch keinen Netzplan. So weiß man nicht, wo sich Linien kreuzen oder berühren. Man ist vollends auf seine Intuition angewiesen, zu erkennen, wo auf der Karte wohl Busse langfahren werden.
Einen kompletten Vormittag habe ich gebraucht, bis ich stumpf alle Verbindungen zwischen zwei Orten abgeklappert hatte. Dabei habe ich eine Route gefunden, die von Antalya über Afyon und Akşehir in neuneinhalb Stunden nach Yalvaç führt. Sie besteht aus drei Busfahrten, die ich einzeln kaufen muß. Fünfeinviertel Stunden hätte die Route mit 2 Stunden Anschlußzeit im Winter gedauert. Ich werde meiner Wanderung also eine Besichtigung des Landes per Bus voranstellen. :-)
Weil ich nicht die Unwägbarkeiten von drei einzelnen Online-Buchungen, inklusive dreimal Dreifaktor-Authentifizierung auf mich nehmen will, gehe ich zum Flixbus-Büro in Dresden. Ich frage als Erstes, ob sie eine bessere Route finden können. Vielleicht berühren sich die Buslinien ja schon vorher und ich kann mir das hin und zurück sparen? Nein, Routen finden können sie auch nicht. Sie verkaufen mir die Fahrten so, wie ich sie gefunden habe, als drei einzelne Tickets. Auf denen taucht zum ersten Mal die interne Bezeichnung und der Endpunkt der Buslinie auf. Das ist Strecke KK0708 Richtung Bursa für die Verbindung nach Afyon, KK0649 Richtung Kayseri für das Stück nach Akşehir und KK0724 für den Rest nach Yalvaç.

Die letzte Strecke von Akşehir nach Yalvaç führt über einen 2000 Meter hohen Gebirgsrücken. Ich hatte mir anhand von Satellitenbildern schon eine Wanderroute da durch gesucht (In OSM gibt es leider nur die Verbindungsstraße, die auch der Bus befährt.), für den Fall, daß ich nur bis Akşehir komme. Das letzte Bild des Copernicus-Satelliten vom 15.4. zeigt immer noch Schneefelder in den Kamm-Regionen, weshalb ich ganz froh bin, da nicht drüber zu müssen.
Dresden ↣ Antalya
Den Flug habe ich bei SunExpress gebucht, einem Charterflieger. Am Vorabend versuche ich mich am Online Check In. Bevor ich zur Sitzplatzwahl komme, werden reichlich Daten über mich eingesammelt, die sie nichts angehen. Alle Sitzplätze sind mit einem Preisschild zwischen 10 und 25 € versehen. Ich stehe.
Vor Ort zahle ich am Morgen zwar nichts für den Sitzplatz, aber 5 € für den Check In. Der Flug bietet genau Null extra Service. Nicht mal Wasser bekommt man gereicht. Dummerweise habe ich vergessen, mir eine leere Flasche ins Handgepäck zu stecken, und kann mir nach der Gepäckabgabe kein Wasser abfüllen.
Pünktlich 9 Uhr hebe ich ab und lande kurz vor 13 Uhr Ortszeit. 13:45 Uhr mache ich mich auf den Weg zur Endstation der Tram. Für den Kilometer hätte ich vielleicht auch ein Shuttle nehmen können, denn ich bin der Einzige, der an der staubigen Straße entlangläuft. Dort finde ich auch einen blauen Automaten, der mir eine AntalyaKart für die Tram verkauft und sie mir auch auflädt. Meine ersten Lire hatte ich mit 8% Gebühren aus einem der vielen ATM am Flughafen gezogen.
Am Decathlon steige ich aus und besorge mir die Gaskartusche. Weiter gehts mit der Tram in die Innenstadt. Das Toprak-Hotel liegt mitten in der Gabelung zweier Magistralen. Der Verkehrslärm wird durch die Lage der Zimmer nach hinten raus zu einem erträglichen Summen abgemildert. Der Balkon ist groß und hübsch. Aussicht hat er keine.

Mein Tages-Soll ist erfüllt. Nach einer kurzen Ruhepause bummle ich Richtung Hafen. Das ist der historische Kern Antalyas. Alle Gassen da hinunter sind von Verkaufs-Büdchen gesäumt, für das, was Touristen so brauchen. Zum Beispiel Teppiche.


Im Hafen herrscht reges Treiben. Dicht an dicht liegen mit Piratenmotiven dekorierte Schiffe. Eines versucht gerade, dazwischen anzulegen. War die Karibik nicht woanders?

Ich setze mich einen Moment auf die Hafenmauer und schaue aufs Meer. An das Wasser komme ich nicht gut heran, deshalb spare ich mir das Füße eintauchen. Über uns fliegen drei Kampfhubschrauber. Die Türkei ist ja auch ein Nachbar Rußlands und der Krieg ist nicht weit weg. Ich höre viele Leute Russisch sprechen und eine Frau fragt mich auf Russisch nach dem Weg.



Allgegenwärtig sind im Stadtbild Katzen, die vermutlich ein hartes Leben führen, denn ich habe niemand eine Katze streicheln sehen und auf der Straße werden sie weggehupt.

Antalya ↣ Yalvaç
Frühstück gibt es offiziell erst ab 8 Uhr. Eine halbe Stunde vorher kann ich mich schon am Buffet mit Tomaten, Gurken und Frischkäse bedienen und bekomme einen starken schwarzen Tee. Mit der Tram fahre ich zum Busbahnhof. Der ist riesig und Kâmil Koç / Flixbus ist nur ein Unternehmen unter vielen. Vermutlich hätte ich hier auch eine direktere Route wählen können. Die großen Hallen sind Sicherheitsbereich mit Gepäckdurchleuchtung. Zum Terminal muß ich da durch, es gibt glücklicherweise keine Beanstandungen. Wenige Sekunden, nachdem ich die Halle betrete, wird es plötzlich sehr laut. Ich kann mir erst keinen Reim auf den Lärm machen, bis ich merke, daß ein Gewitterguß auf das Plastedach trommelt.

Busfahren ist klasse! Es gibt Strom zwischen den Sitzen und ein Steward reicht Kaltgetränke und Snacks. Gleich nach Antalya erheben sich die Berge. Wir geraten in drei Polizeikontrollen und alle schnallen sich jedes Mal brav an. Einmal werden die Ausweise kontrolliert.

Bis nach Akşehir lief alles glatt. Nur der letzte der 3 Busse kam nicht. Zehn Minuten nach der Abfahrtszeit 18 Uhr frage ich am Schalter nach. Der Bus fällt aus. Ich hätte eine Mail bekommen. Schwer möglich, denn ich hatte beim Ticketkauf keine E-Mail-Adresse angegeben. Und die Tickets nachträglich in die Flixbus-App einzulesen, wie mir die Dame am Verkauf erzählt hat, geht auch nicht, weil ich jedesmal eine Information angeben soll, die ich nicht habe.

Heute Abend fährt nur noch der Bus von Lüks Aksel nach Yalvaç. Der fährt 19:30 Uhr los und ist 20:30 Uhr da. Dann ist schon dunkel. Mal sehen, ob ich noch ein Hotelzimmer bekomme oder eine Nachtwanderung hinlegen muß. Hier in Akşehir hätte es noch freie Hotelzimmer gegeben, aber ich habe mich entschieden, heute noch bis zum Startpunkt zu kommen.
Im ersten Hotel am Weg, dem Psidia, bekomme ich für 30 € ein Zimmer. Der Portier sagt was von kleinem Raum mit Einzelbett, aber am Schluß ist es doch eine riesige Suite mit Sitzgruppe und Doppelbett geworden. Alkohol kann ich im Ort nicht auftreiben, also mache ich mir einen Tee und beginne meine alkoholfreie Woche.

Schon zum zweiten Mal stelle ich fest, daß ich aus Hotel-WLANs bestimmte Seiten nicht aufrufen kann, zum Beispiel meine eigene. Ich kann auch nichts über SFTP hochladen. Sehr seltsam, über die Datenverbindung der SIM-Karte geht es jedes Mal. Das sieht nach Man in the Middle-Attacken im Wlan aus?
Yalvaç ↣ Ileğy Göleti
4:44 Uhr ruft der Muezzin zum Gebet. Der Lautsprecher steht auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber meinem offenen Fenster. Es tut sich nichts.
Gestern gab es kurze heftige Schauer, heute nun Landregen. Ich warte ab. Der Norweger zeigt den ganzen Tag Sonnenschein. Ich frühstücke auf der Dachterrasse mit wunderbarer Aussicht auf Yalvaç. Es gibt genug interessante Dinge zu essen.

Halb elf gehe ich los. Gleich hinter dem Ortsausgang liegt das Ausgrabungsgelände der 2000 Jahre alten Stadt Antioch in Pisidia. Am Eingang drängt sich eine Gruppe Japaner. Weil es Eintritt kostet und vermutlich nur Grundrisse zu sehen sind, begnüge ich mich mit ein paar Fotos über den Zaun. Ich will endlich wandern!


Einen Kilometer weiter stehen die beeindruckenden Reste eines antiken Aquädukts, der Antioch mit Wasser versorgt hat. Im Schatten eines der Pfeiler mache ich Rast. Eine moderne Müllkippe trübt den Ausblick. Wie wird die Landschaft wohl in weiteren tausend Jahren aussehen? Werden die Menschen weiterhin den Aquädukt besuchen? Oder die Müllkippe?




Außerhalb der Orte treffe ich nur wenige Menschen. Vier Jungs, die mit ihren Fahrrädern zum Stausee fahren. Zwei Schäfer. Drei Polizisten, die ihr Auto neben mir anhalten und nach dem woher und wohin fragen. Als sie hören, daß ich Deutscher bin, grüßen sie nett und fahren weiter.

Das Gelände um den Stausee ist wunderschöner Nadelwald mit Waldwiese. Ich lege mich ins Gras und mache eine zweite Rast. Danach geht es den restlichen Tag in praller Sonne durch Felder und Wiesen. Den ersten Schatten finde ich erst wieder in Sücüllü, wo ich auf das ziemlich vermüllte Gelände eines alten Spielplatzes abbiege. Während ich dort sitze, kommt eine Wanderin in Gegenrichtung den Weg entlang. Ihren Rucksack ziert eine rot-weiße Flagge. Sie bemerkt mich nicht.
Der Ort hat eine Hauptstraße mit Teestuben und macht einen netten Eindruck. Auf meinem Weg komme ich an zwei Mini-Lädchen vorbei, brauche aber eigentlich nichts. Im zweiten kaufe ich die einzige 1,5 Liter Flasche Wasser.
Nach dem Ort kommen mir zwei junge Mädels auf einem Traktor entgegen. Die eine zückt sofort das Handy und filmt mich die ganze Zeit. Die andere versucht sich, mit mir zu unterhalten. Leider kann sie keine Fremdsprache und ich kein Türkisch. Mit Gebärden fragt sie mich, ob ich keine Angst vor Hunden habe. Na ja, hab ich, aber ich weiß auch, wie ich Hunde auf Abstand halten kann. Das ist mir zu schwierig zu erklären. Das Einzige, auf das wir uns einigen können, ist, daß ich ein Tourist bin. Dieses Wort wiederholt sie viele Male. Ich verabschiede mich nett und gehe weiter.


Als Etappenziel hatte ich etwas in der Nähe des nächsten Stausees geplant. Schon um vier bin ich dort. Ein Wegpunkt vor dem Stausee verheißt Zeltplatz und Quelle. In eine Tränke fließt ein dünnes Rinnsal. Daneben ein Sumpf und etwas Gebüsch. Zuerst erschien es wenig verlockend, hier zu zelten. Zu winzig, zu wenig sichtgeschützt. Dann finde ich einen Platz und probiere ihn mit der Isomatte aus. Pluspunkte sind, daß ich lange nur Schlechteres gesehen hatte, daß die Bäume den Wind reduzieren und ich kochen kann, und daß keine Tiere und Ansiedlungen in der Nähe sind. Das kann alles nur schlechter werden, wenn ich weitergehe. Ich bleibe.

Mit meiner Tarnung ist es wirklich nicht weit her. Eines von zwei vorbeifahrenden Autos hält. Als ich nett grüße, fahren sie weiter.
Ileğy Göleti ↣ Aşağı Tırtar
Als ich nach ausgedehntem Frühstück losgehe, ist es schon sehr heiß. Im Hügelland unterhalb des Stausees hätte es auch noch blickgeschütztere Zeltplätze gegeben.

Vor Yukarı Ileği gibt es einen in der Karte nicht eingezeichneten marmornen Wasserspender. Gegenüber suchen unter einem Müllcontainer fünf Hundewelpen Schutz vor der Sonne. Sie folgen mir ein Stück und ich hätte mir neue Freunde machen können.


Weiter geht es über schattenlose Feldwege durch eine weite Ebene. Glücklicherweise hat man einzelne Bäume stehenlassen. Unter einem suche ich für eine Rast Schutz vor der Sonne.

Die Zufahrt nach Eyüpler hat man auf ein Kilometer Länge zu einer Müllkippe umfunktioniert. Da braucht man vom Ort nichts erwarten. Neben dem Baum auf dem zentralen Platz sitzen die Alten vor zwei Teestuben. Alles ist dreckig und häßlich.

Auf dem Weg kommt mir die erste Schildkröte entgegen. Als ich später unter einem anderen Baum raste, kommt eine andere auf mich zu gerannt, erkennt mich erst einen Meter vor mir und verkriecht sich in ihren Panzer. Ich spendiere ihr eine Mini-Tomate direkt vor Ihren Kopf, warte aber nicht, bis sie aus ihrem Gehäuse wieder auftaucht, sondern gehe weiter.


Zwei Kilometer weiter fülle ich mir an einem Wasserrohr schon wieder die Wasserflasche. Ich achte auf den Feldwegen darauf, die Sandburgen der Ameisen nicht zu zerstören. Im letzten Moment kann ich verhindern, daß ich auf eine Schlange trete.


Ameisenhügel
Kleine Schlange
Wegen der anstehenden See-Überquerung gehe ich heute etwas weiter als geplant. Etappenziel wäre die Quelle südlich des Solarparks gewesen. Etwa in der Mitte des Parks zweigt ein Weg dahin ab. Man findet dort zwei Tränken und auch eine große Zeltwiese. Ich fülle Wasser auf und gehe weiter.


Wasserstellen und Zelt-Option am Solarpark
Moschee von Yukarı Tırtar
Zwischen Yukarı Tırtar und Aşağı Tırtar gibt es eine Stelle, wo Buschwerk bis an die Straße reicht. Dort schlage ich mich in die Büsche und baue mein Zelt auf. Heute war eine sehr lange Tour. Ich bin zu müde, um noch Bericht zu schreiben. Das Geräusch über meinem Zelt hört sich an wie eine hochfliegende Drohne, ist aber bloß ein Mückenschwarm.

Aşağı Tırtar ↣ Eğirdir-See
Es gibt hier eine Art Spinnentiere, die wie Zecken aussehen, aber 5 mm groß sind. Sie klammern sich sehr gut an den Klamotten fest und sind nicht einfach abzuschütteln. Bevor ich das Zelt betrete, suche ich mich gründlich ab. Letztlich schaffen es doch zwei in meinen Schlafsack, was jedes Mal zum Umstülpen des Schlafsacks und zum Untersuchen des schwarzen Schlafsackinneren auf schwarze Krabbler führt. Gestochen wurde ich anscheinend nicht, es juckt zumindest nirgends.

Den Vorsprung gegenüber dem Plan hatte ich gestern herausgeholt, damit ich eventuell noch heute Abend übersetzen kann. Tagsüber blies starker Wind, der Schaumkronen erzeugte, vielleicht wäre es ja abends ruhiger?
Bevor ich zum See hinuntergehe, biege ich nach Aşağı Tırtar ab und hole mir auf dem WC Wasser. Den Laden brauche ich deshalb nicht mehr. Am Ortsausgang treffe ich auf einen Elektriker, der auf eine Mitfahrgelegenheit zur Arbeit wartet. Woher ich das weiß? Er zeigt mir seinen Phasenprüfer.

Das Seeufer ist mit knorrigen Weiden gesäumt. Das sieht phantastisch aus. Ich setze mich unter eine einzelnstehende, wo nicht so viel Viehzeug rumfliegt.



Die Ausblicke auf den See sind wunderschön. Auf den Gipfeln des Barla-Gebirges liegt noch Schnee und der Dunst verzaubert die Aussicht. Auch auf der Landseite gibt es einiges zu sehen: Alte unzugängliche Felsengräber, hübsche Felsformationen und Blumenwiesen.


Felsengräber
Felsbogen
Irgendwann biegt der Wanderweg auf die Steilküste ab. Ich folge ihm, verliere ihn aber nach einer Weile und nehme wieder den Weg zum Ufer. Es gibt ja später noch mehr Aufstiege.


Das kräftige Rot des Mohns, wunderhübsch!
Der letztmögliche Aufstieg auf die Steilküste, leider eine Sackgasse.
Die enden allerdings in undurchdringlichem Buschwerk. Also wieder zurück zu der Stelle, wo ich den markierten Wanderweg verloren hatte. Diesmal sehe ich, wie es weitergeht: über eine wunderhübsche Blumenwiese.


Da gehts lang, aber wohin?
Kletterstelle, hier beginnt es zu nieseln und ich zwänge mich unter einen Felsvorsprung.
Bald darauf verliere ich den Weg wieder, komme aber durch Zufall wieder drauf. Das Problem ist, es gibt viel zu viele Wege! Ich stehe an der letzten Markierung, vor mir ein Busch, nach oben ein gut ausgetretener Pfad, nach unten ebenso. Ich teste Oben und Unten und lande jedes Mal im Nirwana. Es ist der Busch! Zwängt man sich da durch, findet man ein weiteres Wegzeichen.


Markierter Weg
Weg in den Busch
Das Gestrüpp besteht an diesem Hang fast ausschließlich aus Steineichen. Wer sich als Deutscher jetzt majestätische Bäume darunter vorstellt, liegt falsch. Es sind sehr dichte und stabile Büsche, die sich kaum zur Seite drücken lassen. Jedes der kleinen Blätter hat am Rand etwa zehn Stacheln, die pieken, wenn man sich hindurchzwängt. Noch schlimmer als die grünen Blätter sind allerdings die letztjährigen braunen. Die fallen bei der kleinsten Bewegung vom Zweig, bevorzugt zwischen Rucksack und Hemd oder in den Kragen oder in die Hosentaschen. Ich mußte häufig stehenbleiben, den Rucksack absetzen und meinen Rücken absammeln.


Stein-Eiche, sehr dekorativ, aber auch sehr schmerzhaft.
Zeige Demut, Wanderer! Auf die Knie!
Wegsuche und die Entfernung piekender Pflanzenteile kosteten unheimlich viel Zeit. Für den ersten Kilometer habe ich vier Stunden gebraucht. Für den zweiten noch Mal zwei. Wieder unten am Strand, habe ich versucht, noch so weit wie möglich zu kommen, um wenigstens am nächsten Morgen bei wenig Wind übersetzen zu können. Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang schlage ich mein Zelt in der Nähe einer Schäferhütte auf. Die Schäfer sind weiter oben in den Bergen, ich kann sie und ihre Tiere manchmal hören.


Ab hier gehts wieder abwärts.
Geschafft!
Ich bin erschöpft und habe keinen Hunger. Kochen wäre wegen Wassermangel ohnehin nicht drin gewesen. Abends übersetzen wäre auch nicht gegangen, denn es blies starker böiger Wind.

Eğirdir-See ↣ Dikmen
Nachts streift ein Schwein um mein Zelt. Die können einfach nicht die Klappe halten und grunzen immer leise vor sich hin. 5:30 Uhr wache ich auf und 6:15 Uhr bin ich ohne Frühstück wanderfertig.

Ich will mein Boot so früh wie möglich einsetzen, denn da sind für Eğirdir nur 4 m/s Windgeschwindigkeit angesagt. Eigentlich dachte ich, nur an der Küste entlangzulaufen, aber wieder will mich der Wanderweg ins Buschwerk der Steilküste locken. Der Uferweg ist mit einem roten Kreuz als nicht gangbar markiert. Ich ignoriere das und laufe am Ufer über Kies weiter.

Der Weg ist durchgehend und ich komme einigermaßen gut voran. Es gibt einige Quellen, die aus dem Uferkies einen halben Meter über dem See austreten oder auch direkt im See. Ich fülle die Flaschen. An einem Strand liegen ein paar Fischerboote und es gibt einen schmalen Kanal durch das Uferkraut. Dort hätte ich einfach mein Boot einsetzen können. Ich gehe weiter zur Landspitze auf die Klippen, wo die kürzeste Entfernung zum anderen Ufer besteht.


An der Stelle, wo der Track auf der Karte einen geraden Strich über Wasser zum anderen Ufer macht, vermute ich die Anlandestelle der Fischer. Aber da ist nichts, noch nicht mal Wasser. Das Wasser ist noch Hunderte Meter entfernt. Ein Hirte, der mir zu verstehen gibt, daß er heute noch eine Kuh schlachten wird, zeigt mir zwei Wasserstände, auf Knie- und Hüfthöhe. Ich interpretiere das so, daß ich zum Einsetzen ins Wasser muß. Später verstehe ich, was er meint.

Es geht von der Stelle eine Staubpiste nach rechts durch eine Krautzone entlang. Wozu sollte man wohl so einen Weg anlegen, wenn nicht als Zugang zum Wasser? Ich gehe den Weg anderthalb Kilometer entlang, aber er behält immer den gleichen Abstand vom Wasser. Auf der Karte dagegen ist meine Position schon 200 Meter im Wasser. Ich mache Rast und beschließe, einfach senkrecht zum Weg Richtung Wasser zu laufen. An der letzten trockenen Stelle baue ich das Boot auf und schiebe es durch Modder watend Richtung See, bis es schwimmt und ich einsteigen kann. Die letzten Meter bis zum offenen Wasser ziehe ich mich an Pflanzen oder stake mit dem Paddel.



Einsetzstelle
Das Boot, fertig zum Einsetzen.
Ich paddle auf dem Eğirdir-See! Die Luft ist ruhig, die Sonne scheint und es ist ein wunderbares Gefühl, unterwegs zu sein.


Am Ende des dünnen Strichs bin ich gestartet.
Insel am Westufer, zuerst nicht als Insel zu erkennen.
Ich verstand jetzt, was der Hirte meinte. Der See ist nur knie- bis maximal hüfttief! Laufen oder schwimmen ist trotzdem schwierig. Die westliche Hälfte ist voller Schlingpflanzen, die das Laufen behindern, im östlichen Teil schrammt man sich beim Schwimmen den Bauch auf, denn das Wasser steht nur 10 Zentimeter über dem Sand. Wenn mich jemand gesehen hätte, sähe ich mit meiner roten Schwimmweste bestimmt sehr albern aus. Aber der See war menschenleer.


Schlingpflanzen
Den Reihern reicht das Wasser kaum zum Knöchel.
Nach der Überquerung fahre ich noch eine Weile am Ufer entlang, bis ich zu häufig im Sand steckenbleibe. Mir kommt jetzt auch ein Südwind entgegen. Ich steige aus und laufe an Land. Das Boot hat erkennbar Luft verloren. Es gibt immer noch ein Leck, daß ich nicht gefunden habe. Bevor ich das Boot zusammenlege, teste ich noch, ob ich durch den Schilfgürtel komme und was dahinter ist. Alles scheint gut und ich baue das Boot ab.


Die Überraschung kommt, als ich mit eingepacktem Boot durch den Schilfgürtel komme. In den Sanddünen danach breche ich mit jedem Schritt tief ein. Treibsand? War's das? Der Sand sah vom Schilfgürtel aus harmlos aus, deshalb hatte ich ihn nicht getestet. Letztlich merke ich, daß ich nicht immer tiefer versinke, und gehe weiter.

Neben der stark befahrenen Landstraße gehe ich nach Dikmen. An einer besonders exponierten Stelle hat jemand zwei Sofas aufgestellt. Irgendwann wird das sicher mal häßlicher Müll, aber für den Moment ist es hübsch. Unten am Ufer sind einige Angler zugange.

Am Abzweig des Wanderwegs von der Straße frage ich auf einem Hof nach Wasser. Die Enkel einer alten Frau füllen mir 2,5 Liter ab und die Zeltübernachtung ist gesichert. Ich mache nach kurzem Anstieg eine letzte Verschnaufpause unter einem großen Baum, als ein Schakal an mir vorbeischleicht.

Ich laufe noch einen Kilometer den Hang hoch und suche mir eine schöne Stelle auf einer großen Lichtung neben einem Wacholderbaum, der keine Steineichenblätter auf dem Boden hinterläßt. Obwohl ich einen Tag lang fast nichts gegessen habe, habe ich keinen Hunger und muß mir das Essen reinzwängen.

Dikmen ↣ Barla
Heute bin ich faul, schlafe lange, frühstücke ordentlich. Neben meiner Kaffeetasse entdecke ich plötzlich eine kleine Vogelspinne, die da schon eine Weile unbeweglich lauert. Sie fliegt in hohem Bogen in die Wiese und ich achte darauf, daß sie sich nicht von Neuem nähert. Ich komme erst 9:30 Uhr los.


Der Weg ist diesmal einfacher zu finden, die Durchlässe zwischen den Bäumen sind nicht mehr so eng wie vorgestern. Zu den Steineichen gesellt sich Wacholder. Auf Kuppen gibt es große Weidewiesen. Dort muß ich die Karte zu Rate ziehen, denn die Markierung reicht dort nicht aus und es geht nie einfach geradeaus über eine Wiese.


So hat man Ziegen eingepfercht, bevor der Stacheldraht erfunden wurde.
Blick zum See
Weil die Route, die ich gehe, neuer ist, als die 2015 von Peter Lill gegangene und im offiziellen Track keine Wegpunkte vorhanden sind, war mir nicht klar, ob ich Wasser finden würde. Von den gestrigen zweieinhalb Litern war nur noch einer übrig. Zunächst sah es schlecht aus. Es lagen viele leere und teils aufgeschnittene Wasserkanister herum, die die Hirten nicht dahin schleppen würden, wenn es Wasser gäbe.
Auf einer Wiese entdecke ich dann die erste Tränke, in die aus einem Rohr ein dünner Strahl läuft. Ich habe Geduld. Auf der nächsten Wiese steht eine Schafherde ohne Hirten. Obwohl ich sie weiträumig umgehe, entdeckt mich der Hund und bleibt mir einen halben Kilometer auf den Fersen. Danach kommen noch mehrere Tränken, aus denen es immer kräftiger sprudelt.

An einer setze ich mich im Schatten eines Baumes ins weiche Gras. Eine Kuh und ein Bulle kommen an die Tränke und trinken. Sie haben keine Glocken um. Der Hirte wird es schwer haben, sie wiederzufinden. Vielleicht sind sie ja ausgebüxt, um hier eine Familie zu gründen? Wer weiß. Nach einer Weile gehen sie wieder ihres Weges.
Abgesehen von den Wiesen geht es meist über steinige Pfade. Schon viel besser als die Wirtschaftswege zu Beginn der Tour.


Vor Barla stehen viele Solaranlagen, nach dem Ort wird ein Damm gebaut, wo vermutlich die Energie gespeichert werden soll. Der Ort sieht wohlhabend aus. Mich würde interessieren, ob die Bürger des Ortes das Energieprojekt selber stemmen, oder ob es von zentraler Stelle geplant ist?
Im Laden kaufe ich mir ein kaltes Getränk, Gurken und Paprika. Während ich das Gemüse gleich am Brunnen nebenan wasche und den Handy-Akku wechsle, errege ich Aufmerksamkeit. Ein schwarzer Kleinbus hält neben mir, heraus steigen zehn junge Männer, von denen mich einer die ganze Zeit filmt, während die anderen ein Interview mit mir führen. Wir tauschen unsere Visitenkarten aus und auf ihrer steht: "Delivering Islamic Wisdom Through Inspirational Videos". Nun, dazu kann ich vermutlich wenig beitragen. Ich erkläre ihnen, daß ich den St. Paul Weg entlang wandere, aber mich die christliche Religion nicht sonderlich interessiert. Mein Interesse gilt mehr dem Wandern. Sie fragten mich, ob ich wüßte, daß sich in der Nähe eine frühchristliche heilige Stätte befindet. Ich hatte heute noch keinen Wanderführer gelesen und wußte von nichts. Das mit mir gedrehte Video wollen sie auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlichen. Ich bezweifle allerdings, daß es dazu kommt. Wenn ich mir die anderen Vorschaubilder ansehe, passe ich nicht ins Profil. Sie steigen wieder in ihren Transporter und fahren ab.
Danach winkt mich ein Mann aus einem Auto heran. Er kann Deutsch, hat in Stuttgart gearbeitet. Ich gebe auch ihm meine Karte. Er versucht mit dem Handy den QR-Code zu lesen, und wie auch schon bei den jungen Leuten funktioniert es nicht. Er denkt, daß das Funksignal zu schwach wäre, und will es zu Hause nochmal versuchen.
Noch ein alter Mann spricht mich auf Englisch an und wir wechseln ein paar Worte. Es ist spät geworden und ich muß noch aus dem Ort rauskommen, um einen Schlafplatz zu finden.


Auf der anderen Talseite kämpfe ich mich steil den Hang hoch, komme an weiteren Solarfeldern und dem im Bau befindlichen Stausee vorbei und sehe mehrere Schafherden herumziehen. Weil ich denen nicht ins Gehege kommen möchte, suche ich mir etwas am Rand und unterhalb der Grasflächen und baue das Zelt auf.

Barla ↣ vor Eğirdir
Abends und nachts wandern ständig Herden hin und her, aber zu mir kommt kein Schaf und keine Ziege. Ich frühstücke und packe mit der gewohnten Routine und marschiere 8:30 Uhr los. Zuerst noch über Wirtschaftswege, an einem großen Friedhof und einem Marmorsteinbruch vorbei, vor dem große blütenweiße Quader lagern.




Marmorblöcke
Steinbruch. Auf jeder Terrasse liegen fertige Blöcke zum Abtransport bereit.

Dann wird die Steigung geringer und es geht über große Wiesen. Die Steineichen wurden abgelöst durch große Wacholderbäume mit dazwischen einigen "richtigen" Eichen. Es riecht nach meinem Lieblingswacholderfertigprodukt. Die Landschaft ist noch besser als gestern!


Diese Bäume hat noch nie eines Försters Axt berührt.
Das wurde einen Tag vor meiner Geburt fertig. Sieht noch gut aus! Nur ohne Wasser.


Hochfläche
Wacholder
Abwärts wird es wieder steinig und steineichig und ich muß sehr auf den Weg aufpassen. Konsequentes Zurückgehen, sobald man 10 Meter kein Wegzeichen mehr sieht, hilft, sich nicht zu verlaufen. Unten angekommen, geht es kilometerlang neben einer Levada her, einer Betonrinne auf Stelzen, die leider kein Wasser mehr führt. Einige Segmente fehlen oder sind defekt. Ihre Funktion wurde durch eine Plasteleitung ersetzt. Der Fahrweg neben der Leitung ist in den Hang getrieben, das Gefälle erlaubt keinen Zeltaufbau rechts oder links. Vielerorts ist das Gelände daneben für Obstplantagen genutzt und der Boden sehr steinig.


Beton-Levada
Mohn-Wiese

Ich finde lange nichts. Erst kurz vor dem Abzweig auf die Hauptstraße ist zwischen Betonrinne und einer kleinen Apfelplantage noch ein Stück des Weges vorhanden, der nicht mehr befahren wird. Dort baue ich 18 Uhr das Zelt auf. Ich mache mir die letzte Treck'n'Eat-Tüte warm und trinke einen Tee.

vor Eğirdir ↣ Eğirdir
Meine Zeltstelle war auf frisch gemähtem Gras und dadurch sehr weich, aber auch recht schief. Ich schlief nicht besonders gut. Die nur 20 Meter entfernte Hauptstraße war kein Problem, denn nachts fuhr nicht viel, und bei Verkehrslärm werde ich nicht wach, weil er für mich keine Bedrohung darstellt. Anders sah es mit dem um 8 Uhr antuckernden Traktor aus, der begann, die Apfelbäume anzusprühen. Ich war schon fertig mit Frühstück und habe das Zelt in Rekordzeit abgebaut, ehe er vier Reihen seiner Plantage abgefahren hatte.

Der weitere Weg bis Eğirdir führt leider nur über Asphalt. In der Touristeninfo schrecke ich einen Mann auf, der keine Fremdsprache spricht. Mir eine Pension buchen kann er nicht, aber ich bekomme eine Broschüre mit.


Irgendwas Großes wird hier gebaut.
Die Inschrift am Berg besagt "Güçlüyüz, cesuruz, hazırız": Wir sind stark, wir sind mutig, wir sind bereit.
Ich habe schon genaue Vorstellungen, wo ich mit der Hotelsuche beginnen will: Am hintersten Ende der Landzunge, wo es am ruhigsten ist. Schon in Deutschland hatte ich mir einige Pensionen angesehen und mein Favorit war das Choo Choo, wo leider niemand aufmacht. Gleich daneben liegt die Göl Pension, die zwar auch abgeschlossen war, wo mich aber zufällig eine der beiden Schwestern sah, die die Pension betreiben. Meine einzige Bedingung war Balkon und ich bekomme ein hübsches kleines Zimmer mit Seeblick und einer riesigen Terrasse davor. Fürs Bezahlen gehen fast meine ganzen Lire-Reserven drauf.

Ich frage nach einem Stöpsel fürs Waschbecken und bekomme meine ganze Wäsche gewaschen! In meiner Tarn-Regenhose erkunde ich erst den kleinen Ortskern, wo es nichts gibt außer einem Spirituosenladen und gehe dann zurück in den Hauptort, um Geld abzuheben und Einkäufe zu erledigen. In 10 verschiedenen Läden erwerbe ich jeweils kleine Teile meiner Einkaufsliste.

Abends gehe ich gegenüber ins Restaurant Halikarnas und nehme Köfte Izgara, leckere gebratene Hackfleischscheiben, und dazu ein kleines Carlsberg.

Ruhetag Eğirdir
8 Uhr bekomme ich ein wirklich imposantes Frühstück und verbringe den Rest des Tages mit auf der Terrasse sitzen und den Rückstand im Blog aufarbeiten.

Auch dieses WLAN läßt mich nicht meine Webseite ansehen. Von bisher 3 WLANs und 2 türkischen Privathandys konnte keines die Seite anzeigen. Ich werde im türkischen Netz geblockt! Das ist sehr schade, weil eigentlich die Leute, denen ich meine Visitenkarte gegeben habe, meine Seite auch sehen sollten.
Alle anderen Webseiten, die ich so brauche, funktionieren im WLAN perfekt, bis auf die von booking.com, die sagen, daß sie keine Buchungen in der Türkei vornehmen können. Aber deren Webseite ist erst mal sichtbar, meine nicht.
Ich nutze Webspace bei einem Provider und gehe davon aus, daß die ihr Handwerk verstehen. Die DNS-Auflösung funktioniert. Es gibt bei allen einen Router 81.212.73.97, nach dem noch vier Router kommen, die nicht auf Ping reagieren. Danach geht es bei den anderen mit anpingbaren Routern weiter, bei mir nur noch mit Zeitüberschreitungen. Dem Nutzer soll wohl ein Ausfall des Servers suggeriert werden. Die letzte angezeigte IP gehört static.turktelekom.com.tr.



Erst 18 Uhr bin ich mit Blog schreiben fertig und raffe mich zu einem Spaziergang auf. Ich gehe einmal um die Halbinsel-Spitze und dann Richtung Stadt. Auf dem Weg dahin gibt es eine Verdickung der Halbinsel mit einem Park. In dem sind viele abstrakte Kunstwerke aus dem gleichen weißen Marmor aufgestellt, den ich schon unterwegs am Steinbruch gesehen hatte. Die ganze Gegend, durch die ich bisher gelaufen bin, ist aus Kalkstein.












Heute stürmt es noch mehr als gestern, das Wasser ist schlammig und hat Schaumkronen. Es scheint, als hätte ich mit meiner Überfahrt den einzigen windstillen Moment genau erwischt.

Zum Abschluß gehe ich noch Mal in das gleiche Restaurant wie gestern und esse das gleiche, weil es einfach gut war. Es spielt unaufdringliche türkische Musik und ich sitze hinter einer Glasscheibe mit Blick auf den See.
Eğirdir ↣ Eyüpler

Der Abschied fiel schwer. Ich genieße wieder das ausgezeichnete Frühstück. Viertel nach neun mache ich mich auf den Weg. Draußen ist Sturm. Mein Rucksack mit daran angeschnallten zwei Seitentaschen, Isomatte und Rettungsweste wirkt wie ein Segel, das mich häufig zu ungewollten Schritten zwingt. Den Hut habe ich gleich weggepackt. In einer Apotheke kaufe ich ein kleines Tübchen Sonnencreme, das wohl schon einige Jahre im Schaufenster verbracht hat.


Zuerst gewinne ich langsam Höhe auf Asphalt-Serpentinen, dann folgt schön zu laufendes Grasland. Von See-Höhe 1000 m schraube ich mich langsam hoch zu einem Paß auf 1700 m. Mein Rucksack ist prall gefüllt, aber diesmal freue ich mich sehr auf die Pausen, denn dann gibt es Leckereien: Banane und Gurke.


Nach dem Paß geht es kurz steinig bergab und danach durch hohe Kiefernwälder, mein Favorit. Hier wurde Holz geschlagen und wartet auf den Abtransport. Andere Stämme sind zum Fällen markiert. Zelten kann ich hier nicht. Auf den großen Freiflächen auch nicht, denn da ist Weidewirtschaft in vollem Gange.


Ich finde einen schönen Platz in einer kleinen Senke zwischen zwei großen Kiefern. Hier haben schon Leute an zwei Lagerfeuern campiert. Die Stelle ist etwas windgeschützt. Ich sammle sorgfältig alle Zweige und Kienäpfel von meiner potentiellen Liegefläche und werde mit einem sehr ebenen, druckstellenfreien Lager belohnt. Neuer Nachschub an Kienäpfeln kommt kaum noch und die wenigen fallen an meinem Zelt vorbei.


Eyüpler ↣ Serpil
Die Nacht ist sehr kalt. Ich bastle mir aus meiner Oma eine Schlafmütze, weil mein Schlafsack keine richtige Kapuze hat. Früh lasse ich mir viel Zeit und komme erst zehn vor zehn los.
Der heutige Weg ist eben so schön wie gestern. Auf der Karte und anhand der in meinen Track integrierten älteren Tracks läßt sich die Entwicklung des St. Paul Wegs in dieser Region gut nachvollziehen. Führten die ersten Varianten (die noch in der Karte vorhanden sind) noch längere Strecken über Fahrwege, nutzt die aktuelle Variante fast ausschließlich Fußwege. Kurze Abschnitte alter Karrenpfade werden durch Fußpfade verbunden. Dadurch gibt es bestimmt 100 Übergänge von einem Weg auf einen anderen. Damit man sich nicht verläuft, ist sehr eng rot-weiß markiert, oder mit roten Kreuzen, wenn es da nicht langgeht. Häufig hatte ich mich gerade auf einem Weg eingerichtet, da stand ich schon wieder vor dem nächsten roten Kreuz. Das macht den Weg sehr spannend und fordert dauernd hohe Aufmerksamkeit. Vielen Dank an die Wegmarkierer, daß ihr mich da so gut durchgelotst habt!


Wasserspeicher
Tee-Kochstelle der Hirten
Das Gebiet ist ohne Quellen. Die Hirten haben viele Zisternen gegraben, mit denen sie Wasser auffangen. Ich hab mal in eine hineingesehen, da war Wasser drin. Ich hatte noch genug Wasser mit und zudem viel anderes wasserhaltiges. Ich freute mich auch heute wieder auf die Pausen, denn da gab es (in dieser Reihenfolge): Banane, Gurke, Paprika, Tomaten, Gurke.

Vor dem Abstieg nach Yukari Gökdere wollte ich meine ganzen Gemüsevorräte aufgegessen haben, denn ich hoffte, dort neue kaufen zu können. Leider gab es nur Tomaten und eine Zitrone. Ich hatte vergessen, daß ich keinen Zucker mehr habe, so wird die heiße Zitrone bestimmt sehr sauer.

Der Ort ist umgeben von weiten Obstpflanzungen. Inmitten der Plantagen steht eine große, moderne Kelterei. Als ich vorbeigehe, winkt mich ein Gabelstaplerfahrer heran. Ob ich ein paar Äpfel möchte? Klar. Er fährt los und holt mir drei gelbe und drei rote. Sie sind noch kühl, denn natürlich ist auch hier noch keine Apfelzeit. Ich bedanke mich. Mein Rucksack hat jetzt mit den 3 Litern Wasser aus dem Ort ein Gewicht, daß ich ihn kaum hochbekomme. Ist er einmal auf dem Rücken, ist alles OK.

Meine geplante Schlafstelle war an einem Spiel- und Rastplatz. Der Platz ist recht hübsch, hat Wasser und Sitzgelegenheiten, aber natürlich liegt Müll rum und es gibt viele Lagerfeuerplätze. Einige Bierbüchsen stopfe ich noch in die überfüllte Mülltonne am Eingang. Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte, kam ein Imker vorbei und inspizierte die Bienenstöcke hinter dem Platz.

Serpil ↣ Sipahiler
Die Nacht schlafe ich unruhig und komme dafür morgens nicht aus den Federn. 9:45 Uhr gehts los. Zuerst in Serpentinen eines Fahrwegs den Berg hoch, dann viel querfeldein durch Wälder und über riesige Hochflächen, wo irgendwo immer ein paar Kühe grasen. Ich habe immer noch sehr viel Gepäck und mache reichlich Apfelpausen. Mit der Markierung komme ich heute nicht so gut zurecht und gehe ab und zu eigene Wege.


Einige solcher Ebenen sind zu durchqueren.
Blumen auf Lehm
Etwa in der Etappenmitte kommen mir zwei Schweizer entgegen. Sie gehen den Weg bis Eğirdir, haben es also bald geschafft. Sie übernachten in Gästehäusern. Das letzte war wohl nicht so toll. Ich hätte am liebsten eine Rast gemacht und noch weiter geschwatzt, aber die beiden ziehen weiter.

Höhepunkt der Etappe waren für mich die alten Eichenwälder mit vielen großen "richtigen" Eichen, lichtdurchflutet und mit lautem Vogelgezwitscher. Danach kommt wieder alter Kiefernwald, auch nett.

Ich erreiche meinen vorgesehenen Schlafplatz genau 18 Uhr, Punktlandung! Das ist die Zeit, ab der ich nach einem Zeltstandort suche, denn in 2 Stunden wird es dunkel. Heute verhindern das erste Mal Mücken, daß ich bis zum Schlafengehen vor dem Zelt sitze.

Siphailer ↣ Hacılar
Die Sonne weckt mich um sieben Uhr, wie eigentlich jeden Tag. Zum Frühstück probiere ich mal die türkische Variante von Finn Crisp aus, die ich in Eğirdir gekauft hatte. Mit Frischkäse und Marmelade ganz lecker.

Bis zur Quelle komme ich auf einer Staubstraße gut voran. Danach fehlen wieder Wegzeichen. Der markierte Weg endet vor einer Wiese. Soll ich die überqueren oder einen der beiden Wege nehmen, die rechts die Wiese umrunden? Mit der Karte finde ich noch ein Wegzeichen im Gestrüpp links der Wiese. Anscheinend war da früher mal ein Weg. Jetzt müßte ich auf dem Bauch kriechen, um da durchzukommen.


Letzte Wegmarkierung
Undurchdringlicher Busch
Ich gehe zurück und nehme die Landstraße bis Adada. An der Stelle, wo der Track in der Karte auf die Landstraße trifft, steht zwar ein Wegweiser-Pfahl, aber ohne Schilder dran. Man weiß also, daß da nichts geht, kommuniziert es nur nicht.

Die Überreste der historischen Stätte Adada beeindrucken mich nicht sehr, die aus großen Blöcken in den Hang gebaute Auffahrt dagegen umso mehr. Große Teile davon sind noch in Schuß, einige Stellen wurden unter Bergrutschen begraben oder sind abgerutscht.





Danach verlaufe ich mich nochmal, weil Markierungen fehlen und ich zu selten in die Karte schaue, und schaffe es gerade wieder bis 18 Uhr zum geplanten Zeltplatz. Auch den muß ich mir, wie bisher fast jeden, erst erarbeiten, indem ich alle herausstechenden Steine wegräume.

Hacılar ↣ vor Çandır
Früh zwingen mich die Mücken, mein Marmeladenbrot im Zelt zu schmieren. Die hohe Schule der Umsichtigkeit, da darf nichts schief gehen!
Auch sonst gibt es einiges an Wildtieren. Gestern Abend ist ein Kaninchen kurz vor mir über den Weg gehoppelt, als wäre ich keine Bedrohung (womit es auch recht hat). Heute Morgen stöbere ich eine Schlange neben dem Zelt auf.

Die Wanderung beginnt auf Schotterwegen, verläuft dann um Sütçüler herum auf Asphalt. Das ist die erste größere Ortschaft seit Eğirdir und ich hatte mich darauf gefreut, in der Pension zu übernachten. Deswegen hatte ich meine Übernachtungen so gelegt, daß ich vor Mittag dort ankomme, um den ganzen Tag für Wäsche waschen, Akkus aufladen und einkaufen zur Verfügung zu haben. Pustekuchen, die einzige Pension im Ort ist seit Jahren geschlossen!

Im Stadtzentrum gehe ich in ein offiziell aussehendes Gebäude und frage den Polizisten, der dort Wache hält, ob es weitere Unterkünfte gibt. Er zeigt mir auf seinem Handy eine Bungalow-Anlage zwei Kilometer außerhalb der Stadt. Die hatte ich mir auch in Deutschland schon angesehen, die Bungalows sind Steilwandzelte, wie sie auch die Hirten nutzen. Ich tausche noch Mal Geld, kaufe neues Gemüse und mache mich auf, Richtung Zeltstadt. Unterwegs entscheide ich mich, den regulären Weg weiterzugehen, vielleicht schaffe ich es heute noch nach Çandır.

In Çuruk, einem winzigen Dorf, quäle ich mich durch ein Viehgatter, das offenbar nicht für zügiges Durchqueren gemacht ist. Vier Herren, drei alte und ein junger, sehen mir dabei zu und winken mich an ihren Tisch. Ich setze mich, es gibt die üblichen Fragen nach dem woher und wohin und ob ich an den Islam glaube. Der junge dolmetscht mit dem Handy. Von wo aus Deutschland ich komme, etwa aus Dresden? Der Bruder des jüngeren ist dort Imam und er will ihn dort besuchen. Als ich ihm meine Webseite zeigen will, geht das natürlich wieder nicht. Auf seinem Handy erscheint eine Abfrage, die extra Bezahlung verlangt. Bin ich in der Türkei hinter einer Paywall? Und wer kassiert? Das kann ich mir ja mal vom Imam in Dresden erklären lassen.


Danach geht es auf Staubstraßen bis zu einem Punkt, wo die Sütçüler-Variante und die Müezzinler-Variante zusammenkommen und gemeinsam weitergehen. Die Karte stimmt an der Stelle nicht, denn an der Schotterstraße ist eine Serpentine dazugekommen. Wegzeichen gibt es an so einem wichtigen Knotenpunkt keine, nur zwei Steinmännchen stehen einsam in der Gegend rum. Ich kann es nicht glauben, daß ich nach all der Straßenlatscherei plötzlich eine 100 Meter hohe Felswand ohne Markierung durchkraxeln soll. Nachdem ich mich zögerlich Richtung Steilwand in Bewegung setze, kommen plötzlich doch rot-weiße Wegzeichen, an einigen Stellen richtig viele. Der Weg ist alpin geworden und an den Schlüsselstellen hat man sogar Tritt-für-Tritt-Anleitungen aufgepinselt.


Richtig und Falsch liegen eng beieinander.
An Kletterstellen gibt es genügend Markierungen (hier in der Rückschau).
Oben angekommen gibt es einen schönen Ausblick auf den nächsten großen Stausee, in dem sich die Abendsonne spiegelt.

Die Kletterei gefällt mir. Der Weg geht in der Hang-Flanke weiter und überquert noch einige Felsriegel. Es bleibt weiterhin alpin. An einer Schlüsselstelle hängen Fetzen eines Sicherungsseiles und es gibt Bolzen in der Wand, wo mal Griffe angeschraubt waren. Das ist auch nötig, denn die abgenutzten Tritte und Griffe im Kalk sind sehr glatt.


Um diesen Vorsprung geht es herum und dann eine Schräge runter.
Sicherungsschlinge und rot aufgepinselte Trittfolge von oben.

Danach folgt ein 45-Grad-Abstieg im Kiefernwald. Schuß, ohne Serpentinen! Auf dem Weg liegt feinkörniger Kies. Nach den ersten Schritten komme ich ins Rutschen und nur ein Baum kann mich stoppen. Der Wald ist hier übrigens vor wenigen Jahren abgebrannt, alle Baumstämme sind verkohlt. Ich brauche Stunden für die 500 Meter Abstieg, in denen ich rechts und links vom Weg Stück für Stück nach unten schliddere.
Çandır kann ich so heute nicht mehr erreichen. Ich finde eine Stunde vor Sonnenuntergang mitten im Hang eine waagerechte Plattform, wo auch andere schon übernachtet haben. Alles ist gut, bis auf einen abgestorbenen Baum, der durch Äste in der Krone eines anderen Baumes am Umfallen gehindert wird. Ich versuche, ihn durch rhythmisches Wippen aus seiner Blockierung zu lösen, bekomme ihn aber nicht zu Fall. Dann wird er wohl auch noch eine weitere Nacht stehenbleiben. Die Kipprichtung des Baums ist auch nicht in Richtung meines Zeltes, lediglich wenn die haltenden Äste wegbrechen, könnten sie dem Stamm einen Schubs in meine Richtung geben.
Mitten in der Nacht höre ich auf einmal ein Geräusch von aneinander knallenden Ästen, wie ich es bei meinem Wippversuch gehört hatte. Ich bin sofort wach und aus dem Zelt. Das Geräusch ertönt nicht wieder, vielleicht habe ich es auch nur geträumt. Im Taschenlampenschein mache ich mich auf die Suche nach einem anderen Zeltplatz und ziehe ein paar Meter um.


vor Çandır ↣ Çandır Fischfarm
Wie gestern Abend mache ich auch früh nicht den Gaskocher an. Das verbietet sich irgendwie in einem vor kurzem abgebrannten Wald aus Pietätsgründen. Ich sehe zu, daß ich wegkomme.


Nachdem der Abstieg von 1000 auf 400 Meter geschafft ist, bin ich in einem wunderschönen Canyon. Hier befindet sich ein Naherholungsgebiet und der Weg entlang der Klamm ist gut ausgebaut. Schon die alten Griechen fanden diesen Ort bezaubernd und haben hier einen Schrein errichtet.


Was mir gestern mit der Pension nicht gelungen ist, will ich heute nochmal bei einer Fischfarm versuchen. Die haben die volle Verwertungskette für Ihren Fisch aufgebaut, mit Restaurant und Unterkünften. Ich bekomme ein Zimmer und auch erst mal ein tolles Frühstück.


Fischbecken
spätes Frühstück
Das Zimmer hat 3 Betten und einen großen, schattigen Balkon mit Blick auf die Fischbecken. Deren viele Zuläufe, die aus einem halben Meter Höhe ins Wasser schießen, erzeugen einen ohrenbetäubenden Lärm. In dem Zimmer ist nichts, was man mit dem Wort "liebevoll" bezeichnen könnte, die Sammlung von 10 Shampoo-Fläschchen mit Resten darin in unterschiedlichen Zersetzungsgraden, die abgerissene Klobrille, die blanken runden Leuchtstoffröhren an der Decke als alleiniger Zimmerbeleuchtung, das schief an die Wand genagelte Werbebild, die zerknitterten Zettel über Lichtschalter, Wasserhahn und Toilette, der stechende Geruch, der selbst nach einem Tag Lüften nicht weggeht. Was für ein Kontrast zur Pension in Eğirdir! Wäsche waschen gestaltet sich wegen fehlendem Stöpsel beschwerlich. Mein eigener war den Gewichtssparmaßnamen zum Opfer gefallen. Auf meinem Zimmer gibt es kein WLAN.

Um 16 Uhr unternehme ich den 2 km Spaziergang in den Ort, um das Angebot des Supermarkts zu inspizieren. Viel hat er nicht. Marmelade nur im Kilo-Eimer, keinen Kefir (den ich nur in Eğirdir bekommen hatte), kein Gemüse, nicht mal eine einzelne Fischbüchse, nur Kekse, Orangensaft und sehr leckere Oliven. Auf halbem Wege liegt noch eine Fischfarm, die noch um einiges größer ist.

Abendbrot bekomme ich im Restaurant keines, weil es geschlossen ist. Ich begnüge mich mit Resten des salzigen Räucherkäses und Brot. Eine Alkohollizenz hätten sie ohnehin nicht gehabt. Obwohl das Hotel weit von perfekt entfernt ist, bin ich froh, diesen Ruhetag gemacht zu haben.

Çandır ↣ am Akçal Tepesi
Ich schlafe gut, dusche früh nochmal und warte darauf, daß 9:30 Uhr das Restaurant öffnet. Es gibt wieder ein reichhaltiges Frühstück. Erst nach zehn Uhr gehe ich wieder auf den Trail am anderen Ufer. Die Sonne brennt unbarmherzig und weil ich nur auf 300 Meter bin, ist es sehr heiß.

Bald biegt der Weg ab von einer normalen Schotterstraße auf eine genau so breite, aber komplett mit teils mannshohem Gras bewachsene Straße. Die ist noch gut erhalten, wird nur nicht genutzt. Über wunderschön blühende Wiesen erreiche ich die Asphaltpiste, mit der die Marmorblöcke aus den vielen Steinbrüchen ins Tal befördert werden.




Die Asphaltstraße kürze ich 4 Kilometer ab, indem ich den Daumen raushalte. Ein LKW nimmt mich mit zu einen Steinbruch. Der Fahrer lädt mich noch auf einen Tee in die Betriebskantine ein. Ich kann mich gar nicht bremsen und trinke vier Gläser. Auch ein Mittagessen bekomme ich angeboten, habe aber noch keinen Hunger. Ich verabschiede mich und gehe auf einer Schotterstraße und später auf Fußwegen weiter. Je höher ich komme, desto erträglicher wird die Sonne.

Auf 1200 Meter wird es nochmal richtig schön. Idyllisch steht plötzlich auf einer Wiese neben einer Quelle eine Schutzhütte, wie sie auch im Schwarzwald stehen könnte. Und weiter oben noch eine! Die zwei Wohncontainer sind zwar abgeschlossen, aber der Platz ist nett und hat ebenfalls eine Quelle.




Streckenweise verläuft der Wanderweg auf einer alten Straße.
Jemand hat eine Schlafplattform gebaut.


Rückblick auf den Steinbruch mit den Lawinen
Die zweite Schutzhütte mit Quelle und Zeltplattform
Dort bleibe ich und baue mein Zelt auf. Nicht auf der Holzplattform, die man für Zelte auf die Wiese gebaut hat, sondern ganz klassisch auf einem von mir von Steinen und Disteln befreiten Stück Wiese. Die riecht wahnsinnig gut!

Ich koche mein letztes Fertiggericht. Das Gas geht zur Neige. Statt Tee zu kochen, stecke ich einige getrocknete Hibiskusblüten in eine Wasserflasche. Das ist immer noch besser als Wasser pur.

am Akçal Tepesi ↣ Haspinar
Heute wandere ich lange auf Schotterstraßen. Einen Kilometer nimmt mich wieder jemand mit, der als Verkäufer für Marmor arbeitet. Er klärt mich über die größten Käufergruppen (Chinesen, Inder, Italiener) auf und wofür die sich interessieren. Die Fahrt endet an einem Steinbruch, den man vielleicht noch 15 Jahre ausbeuten kann.


Schotterstraße
Marmorblöcke warten auf ihren Abtransport.
In Haskizilören teilt sich der APY in eine westliche und eine östliche Variante. Ich nehme die östliche, aber vorher raste ich noch an der ehemaligen Schule. Das Dach sieht zu einladend aus. Es folgen 300 Meter Abstieg auf einem gut markierten Waldpfad.


An Wasser herrscht hier kein Mangel.
Den Platz muß ich einfach nutzen!
Die Querung des nächsten Tals auf Fußwegen ist nicht mehr existent. Im Ortskern komme ich nicht von der Schotterstraße auf den im Track angegebenen Fußweg. Ich muß wieder zurückgehen und das Tal auf Straßen weiträumig umrunden. Das kostet mich eine Stunde.

Als Etappenziel schwebt mir das letzte Hotel auf dem Weg bis Antalya vor, das Bodrum Kayası Dağ Otel. Bis dahin muß ich mich allerdings noch ganz schön strecken, um den verlorenen Tag von der Fischfarm hereinzuholen. Ich mache nur kurze Pausen. Von 1500 geht es wieder herab auf 400 Meter.

Auf dem Weg fällt mir an mehreren Stellen gleichmäßig verstreuter Mais auf. Machen die hier eine Wildschweinjagd? Oder ist der vergiftet, um irgendwas auszurotten?


Das Hotel liegt anderthalb Kilometer abseits der Route auf einem Berg mit wunderbarer Aussicht auf die Höhenzüge rundum. 19 Uhr komme ich an, wirklich auf den letzten Drücker, sonst hätte ich mir was in der Natur suchen müssen.


Es ist geschlossen, aber der Betreiber ist anwesend und macht mir eine Hütte zurecht. Ich hatte mir die Webseite in Deutschland angesehen, aber vergessen, daß es eine Ansammlung rustikaler Holzhütten ist. Die Wartezeit auf den Bezug überbrücke ich mit einem Abendessen.


Den Rest des Tageslichts sitze ich auf einem Sessel vor der Hütte und trinke ein Bier, bevor mich die Mücken vertreiben. Erst danach mache ich mich ans Duschen und Wäsche waschen.

Bodrum Kayası Dağ Otel ↣ Antalya
Das Mückenproblem setzt sich in der Hütte fort. Die Gaze-Fenster sind nicht ganz lochfrei und sicher habe ich durch die Tür auch einige hereingelassen. Im dunklen Gebälk können sie sich hervorragend verstecken. Alle 20 Minuten kommt eine vorbei und summt mir ins Ohr. Ich kann nicht schlafen.
Um drei Uhr ziehe ich die Notbremse und baue in der Hütte mein Zelt auf. Zwei Bett- und zwei Sessel-Beine dienen als provisorische Abspannpunkte. Für den Rest der Nacht schlafe ich gut.

Früh wundere ich mich, was für ein gelbes Pulver ich in meinem Bett verkrümelt habe. Ich hatte gestern keine Snacks im Bett. Ich klopfe das weg und als ich vom Frühstück wiederkomme, ist die Stelle wieder vollgekrümelt! Ein Holzwurm oder die riesige Wespe, die mit mir in der Hütte übernachtet hatte, läßt genau dort Material aus dem Dachbalken rieseln. Nachdem ich bezahlt habe, sage ich dem Wirt Bescheid.

Frühstück war erst auf 9:30 Uhr festgelegt. Ich stärke mich ausgiebig und marschiere los. Das erste Stück des rot-weiß markierten Pfads sieht nach Dschungel aus. Ich beschließe die Umgehung auf der Landstraße. Auch am nächsten Einstiegspunkt in die Route finde ich keinen Weg. Es soll laut Track einen Hang hochgehen, der aus viel totem Gehölz und Buschwerk besteht. Ich laufe im Hang ein wenig hin und her, damit ich sicher sagen kann, da ist kein Weg. Auch keine Markierungen. Wie auch gestern schon, finde ich nur das rote Kreuz, als Zeichen, daß man den Weg, den ich gekommen bin, nicht gehen soll. Frustriert gehe ich zurück zur Landstraße und erweitere meine Umgehung.


Neben mir hält ein Auto mit 4 jungen Männern, "die Gang", und fragen, ob sie mich mitnehmen können. Ich setze mich auf Rückbank und verteile das Gewicht meines Rucksacks auf meine und die Knie meines Nebenmanns. Sie wollen zum Kings Pool, ich zum Uçansu Wasserfall, was irgendwo in der Nähe sein muß. Sie sind gut drauf, hören deutsche Musik (von einem Deutsch-Türken, wie sie mir erklären) und wir unterhalten uns auf Englisch. Ich gebe ihnen meine Visitenkarte und sage ihnen, daß meine Seite geblockt wird. Kein Problem, sie wissen, was ein VPN ist. In der Nähe des Ziels stellen sie das Auto ab und ich suche den Weg zum Wasserfall und sie zum Pool.

Der Uçansu Bach bildet oberhalb des oberen Falls kleine Badegumpen. Am Kings Pool baden schon andere. Gleich daneben finde ich noch eine kleinere Badestelle, ein wahrhaft magischer Ort. Das Wasser perlt eine sonnenbeschienene Kalkwand herunter und sprudelt in einen klaren kleinen Pool. Ich brauche 5 Minuten, bis ich mich so weit abgekühlt habe, daß ich komplett ins Wasser eintauchen kann. Einfach phantastisch!

Der obere Wasserfall ist vom Weg aus nicht auf voller Länge einsehbar. Am Fuß bildet das Wasser einen verwunschenen Teich. Auch zum unteren Wasserfall gehe ich. Der speist einen kleinen See, in dem einige Leute baden. Von Picknickern bekomme ich Tee und Kekse angeboten.

Ich hätte nichts dagegen, hier die Tour abzubrechen, denn der Rest geht vermutlich viel über Straße und davon habe ich schon genug gesehen. Ich halte den Daumen raus und werde mitgenommen. Zwei Ingenieure von Vodafone, die im See baden waren, nehmen mich mit nach Antalya. Wir quetschen uns zu dritt auf die zwei Sitze des Transporters. Unterwegs halten wir an einem Schnellrestaurant und ich werde zum Essen eingeladen. Auch sie können meine Webseite erst nicht laden, schaffen es dann aber doch. Schon ein lustiger Anblick, meine Webseite auf Türkisch! Weil ich Datenvolumen sparen wollte, hatte ich das unterwegs noch nicht ausprobiert. Die beiden schlagen mir ihr Hotel vor, das Türkay Hotel, und weil ich keine besonderen Präferenzen habe, stimme ich zu. Sie melden mich während der Fahrt beim Hotel an, möglicherweise bekomme ich sogar ihren Vodafon-Discount.

Das Hotel bietet guten westlichen Standard. Das Zimmer hat zwar keinen Balkon, aber eine große Balkontür läßt sich öffnen und ich kann auf das Mittelmeer sehen. Direkt unter mir macht allerdings eine Kreuzung mit einer achtspurigen Straße (fünf hin, drei zurück) ordentlich Lärm.

Neben dem Hotel liegt ein rund um die Uhr offener Spirituosenladen. Das habe ich nicht mal zu Hause. Ich versorge mich mit einem Ankunfts-Bier, einem IPA white, und im nächsten Laden mit etwas Obst. Ich lasse mir einen kleinen Sessel auf mein stuhlloses Zimmer bringen und schaue dem Treiben unten zu.
Antalya
Nachdem ich einen Laden gefunden habe, der die AntalyaKart auflädt, bin ich wieder mobil. Dann setze ich mich an den Kieselstrand und schaue den Badenden zu. Mein ultraleichter Slip geht zwar andernorts als Badehose durch, bei so vielen Zuschauern traue ich mich damit aber nicht ins Wasser. Ich muß mir erst eine zeitgemäße Badehose kaufen.

Ich schreibe mein Blog bis zum aktuellen Stand fertig, lese den neuesten Spiegel und schaue abends noch mitgebrachte Serien. Letztlich glotze ich den ganzen Tag auf mein kleines Handydisplay. Morgen unternehme ich wieder was.
Antalya
Ich fahre zum Docma-Park, um mir das Museum für moderne Kunst anzusehen. Eigentlich hätte ich drauf kommen können, daß Museen montags geschlossen haben. Der Park hat noch andere Attraktionen: Eine Sammlung schiefer Holzhäuser, Modelle von historischen Gebäuden, einen Botanischen Garten. Sehe ich mir alles an und habe genug Kultur aufgesaugt.


Astsäger
Skulpturen vor der geschlossenen Ausstellung





Dann kaufe ich mir einen Stadtrucksack und bin wieder Mensch. Ich sag mal bei der Culture Route Society Guten Tag, wenn die schon mal ihr Büro in Antalya haben. Das sind die drei Leute, die unter anderem den St. Paul Trail betreuen.

Den Rest des Tages streife ich ziellos durch die Stadt. Ich komme bis an die östlichen Strände und sehe mir Hotels und deren Bewertungen bei Google an. Für ein Drittel mehr als mein bisheriges Hotel buche ich mir für die letzten 4 Übernachtungen ein Zimmer mit Mittelmeerblick im Tema 242 Hotel. Ob es das wert ist?


Katzen vor Hadrians Tor
Die alte Straßenbahn von Antalya
Antalya
Ich ziehe um, kaufe mir eine Badehose, gehe damit im Meer baden und abends noch ins Hotelrestaurant essen. Damit ist der Tag auch schon rum.


Antalya
Die Nacht habe ich schlechter geschlafen als im alten Hotel. Erst störte Geburtstagspartygelächter bis in den Morgen, dann Hundegebell und -geheul, dann eine Mücke und eine Motte. Das halte ich schlechter aus als Verkehrslärm. Dafür war das Frühstück europäischer. Nicht so viel Fadenkäse, sondern ein Buffet, wo auch für meinen Geschmack mehr zu finden war. Und endlich wieder Kaffee aus dem Automaten!
Ich will mir heute Perge ansehen, das Ziel oder eigentlich der Anfang des Saint Pauls Trail, und dann mein Boot noch in den Aksu Fluß einsetzen und ein paar Kilometer bis zum Meer paddeln. Leider verfahre ich mich trotz App der hiesigen Verkehrsbetriebe. Ich versuche, zur Tram zu laufen, lese mich aber in den Pausen in der "Psychologie Heute" fest, von der jemand zwei Exemplare in der Lobby liegenlassen hat. Irgendwann stelle ich fest, daß starker Gegenwind weht und es spät ist, so daß ich das Ganze abblase und nach Hause laufe.


Mir war damals in Paris aufgefallen, daß sich alle Schallplattenläden in einer Straße zusammenballen und obwohl sie sich dort Konkurrenz machen, das für alle der günstigste Weg ist, an Kunden zu kommen. Antalya ist genauso, nur noch extremer. Da gibt es eine Straße, wo nur Rasenmäher verkauft werden, eine Angelladenstraße (wo es Gaskartuschen zu kaufen gibt), eine mit Motorradwerkstätten oder in der Nähe des Hotels eine mit 100 Brautmodenläden.

Mein Kocher enthält immer noch etwas Gas und mit dem mache ich mein letztes Fertiggericht warm. Es wäre sinnlos, das wieder nach Hause zu bringen. Bis ein Uhr spielt auf der Dachterrasse des 300 Meter entfernten Barut Acra Otel eine Jazzband. So was wie das hier, nur ohne AI: Retro Future AI Jazz. Wenigstens hört in dieser Zeit die Kakophonie aus den Restaurants rundum auf, denn der Jazz ist richtig laut. Danach sind wieder die Hunde dran.
Antalya
Heute wollte ich das Programm von gestern nachholen, aber von 9 bis 13 Uhr gewittert es und ich bleibe lieber zu Hause. Abends erledige ich ein paar Einkäufe und gönne mir Sushi auf meinem Balkon.

Antalya
Auch heute sind wieder Gewitter angesagt und ab 10 Uhr bilden sich schwere Wolken über der Stadt. Mit der extra Paddel-Aktion wird es also nichts und ich hänge einen weiteren Tag ab.
Ich versuche, mit meinem Webspace-Provider herauszufinden, woran die Timeout-Probleme liegen könnten. Weil ich nur ein kleines Licht bei einem kleinen Provider, der DomainFactory, bin, teile ich meine IP-Adresse mit anderen. Über ReverseDNS erfährt man den Verteil-Knoten, der uns alle wieder entwirrt. Dieser Knoten hat natürlich ebenfalls die gleichen Probleme wie mein Server. Es könnte also sein, daß irgendjemand anderes mit dieser IP gebannt wird und ich nur der Kollateralschaden bin. Oder die DomainFactory hat als Tier3 gar keinen Datenaustausch mit der Türkei, weil dafür Geld gezahlt werden müßte?



Rückflug
Ein großer Pluspunkt des neuen Hotels ist, daß es jeden Tag ein anderes reichhaltiges Buffet gibt. Im Türkay Hotel gab es jeden Tag die gleiche Platte mit türkischen Spezialitäten, vorwiegend Käse. Ich esse mich also ein letztes Mal satt, trinke guten Cappuccino und mache mich danach mit Bus und Tram auf den Weg Richtung Flughafen.
Im Flughafen sind ein paar Warteschlangen mehr als üblich hintereinandergeschaltet: alles Gepäck durchleuchten, Einchecken (wieder werden 5 € fällig, aber ich bekomme einen Fensterplatz), Flugscheinkontrolle, Paßkontrolle, Handgepäck durchleuchten. Es geht trotzdem flüssig voran.
Im Duty Free irgendwas einzukaufen, lohnt sich überhaupt nicht. Alle Preise sind nur in Euro angegeben und alles ist doppelt so teuer wie zu Hause im Kaufland und viermal teurer als in den Läden in der Stadt.
Fazit
Ich bin sehr froh, diese Wanderung gemacht zu haben. Die Herzlichkeit der Türken hat mir sehr gut gefallen und der St. Paul Trail ist wunderbar abwechslungsreich. Von Landstraße bis alpin ist alles dabei. Gerade Letzteres hätte ich bei einem Pilgerweg nicht vermutet. Ich habe viele schöne Nächte in freier Natur verbracht, was in den Alpen immer schwerer möglich ist. Daß ich manchmal mit meinem Rucksack im Busch steckengeblieben bin und herzhaft geflucht habe, gehört zum Abenteuer mit dazu. Überlaufen ist der Weg jedenfalls nicht, ich bin nur drei Wanderern begegnet.
Wesentlich besser als in Deutschland ist das Handy-Netz. Selbst an den abgelegensten Zeltplätzen reichte es jeden Tag, bis auf einen, meine Erlebnisse und mein Zelt-Foto hochzuladen.
Im Nachhinein habe ich mich etwas über meinen spontanen Entschluß, abzubrechen, geärgert. Vielleicht hätte ich doch bis nach Perge gehen und auch die Paddel-Etappe noch dranhängen sollen. Wenn ich einmal abgeschlossen habe, kann ich mich schwer wieder neu motivieren. So ist die Hotelzeit in Antalya etwas lang geworden.
Von der Culture Routes Society habe ich eine Karte mit den Routen bekommen, die sie in letzter Zeit erschlossen haben. Ich werde sie auf jeden Fall in die Planung meiner zukünftigen Projekte mit einbeziehen.
