
Azoren 2022
Tom Schilling
Für meine Mutter
Impressum
Auflage September 2023
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland
Dieses Buch ist ein Ausdruck der Webseite
"https://www.tom--schilling.de/wandern/
gedruckt im Selbstverlag
Die auf der Webseite herunterladbare PDF-Datei ist im Format A5 gedruckt, damit sie auf eBook-Readern oder Handys mir kleinem Bildschirm unterwegs optimal gelesen werden kann. Fotos sind in dieser Version naturgemäß winzig. Benötigt man größere Formate, kann die WEBSEITE (nicht dieses PDF) mittels der Druckfunktion des Browsers in beliebigen Größen ausgedruckt werden. Für elektronische Versionen ist ein Browser auf Chromium-Basis (wie Edge oder Vivaldi) zu empfehlen, weil er die Verlinkung des Inhaltsverzeichnisses zu den Kapiteln ins PDF übernimmt, wenn über "Als PDF speichern" gedruckt wird.
Für Ausdrucke auf Papier empfehle ich chlorfrei gebleichtes Papier, das aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern stammt, in denen Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden und das mit FSC- oder blauem Engel-Siegel zertifiziert wurde. Wohlhabenden empfehle ich darüber hinaus einen Ausdruck in Farbe, damit die vielen Fotos zu Geltung kommen.
Sollten Sie mehr als 25 Druckexemplare anfertigen, denken sie bitte daran, ein Pflichtexemplar an die Deutsche Nationalbibliothek zu schicken, siehe
"https://www.dnb.de/DE/Professionell/Sammeln/
Mehr Informationen zum optimalen Druck dieser Webseite finden Sie auf
"https://www.tom--schilling.de/programmieren/


Download der kompletten Tour als .pdf
Frühjahr 2022 - Wanderungen über die Azoren-Inseln Flores, Corvo, Faial, Pico, São Jorge, Graciosa und São Miguel
Vorbereitung
Schon seit 2021 hatte ich eine Wanderung über die westlichen und mittleren Inseln der Azoren geplant. Anfang 2022 habe ich das endlich in die Tat umgesetzt. Ich arbeite mich von West nach Ost vor, auch wenn die westlichen Inseln am längsten Regenwetter haben. Terceira lasse ich aus, weil dort im Inselinneren Stiere frei herumlaufen sollen, die man für Stierkämpfe züchtet. Ein Kurzbesuch lohnt sich auch nicht, weil Flughafen und Hauptstadt so weit auseinanderliegen. Ich möchte die meisten Inseln umrunden und immer auch den Abstecher auf den höchsten Berg mitnehmen.

Die vorbereiteten Tracks für Flores, Corvo, Faial, Pico, São Jorge, Graciosa, São Miguel als gpx-Datei und als Bild:
Track Azoren komplettTrack Flores
Track Corvo
Track Faial
Track Pico
Track São Jorge
Track Graciosa
Track São Miguel







Für alle Inseln gibt es viele sehr schön gestaltete kostenlose Wanderkarten unter https://trails.visitazores.com zum vorher ausdrucken oder in den Touristeninfos zum mitnehmen. Dort erfährt man auch die offiziellen Wegbezeichnungen.
- Anreise
Ich bin auf den Azoren!
Start war früh 10:30 in Dresden. Flug nach Frankfurt, Lissabon, Ponta Delgada, auf der größten Insel der Azoren. Die Einreise klappt ohne extra Test mit meinem Impfpaß.

Erst nachdem in Lissabon klar war, daß ich nicht dort wegen Corona strande, sondern die Azoren erreichen werde, hatte ich mir in Ponta Delgada ein Zimmer im Villa Nova gebucht, dem ersten Hotel, wenn man vom Flughafen kommt. Im SATA Office am Flughafen Ponta Delgada kaufe ich noch die vier Flüge zwischen den Inseln. Mit Touristenrabatt macht das 255 €. Den Flug von Corvo muß ich zwei Tage gegenüber meiner Planung verschieben, ansonsten klappt alles.
Die vier Kilometer bis zum Hotel laufe ich. Es ist 20 Uhr, als ich dort ankomme, zu spät für einen Laden in der Nähe. Nur ein Supermarkt im Norden hat noch auf. Bier gibt es nicht kalt und den Korkenzieher hatte ich zugunsten einer Heckenschere abgewählt, bleibt mir nur kalter roter Sekt. Den trinke ich am offenen Fenster meines Zimmers im obersten Stock und genieße die Aussicht auf den Hafen. Ein großes Stück ist heute geschafft!

Flores
Es gibt ein ordentliches Frühstück im Hotel. Auch das letzte Stück meiner Anreise funktioniert. 13 Uhr komme ich nach kurzem Zwischenstop mit Aussteigen auf Terceira auf Flores an. Von hier werde ich mich ostwärts von Insel zu Insel vorarbeiten.
Der Wind weht ziemlich stark. Erstaunlich, daß wir überhaupt landen konnten. Das Flugzeug wurde im Anflug ordentlich hin und her geworfen, aber was wirklich los ist, merke ich erst am Boden. Ich gehe Richtung Meer, um einen Platz zum Umpacken meines Gepäcks auf Wanderkonfiguration zu suchen. Erst an einem Abstieg zu Badebuchten finde ich was Windgeschütztes.
In einem kleinen Supermarkt hole ich noch etwas Wasser. Eigentlich hab ich alles.

14 Uhr geht's endlich los. Erstmal steil die Asphaltstraße hoch, um das erste Tal zu umgehen. Kurz vor einem kleinen Stausee verläßt der Weg endlich die Straße. Ab jetzt geht es eine Weile mal rechts, mal links entlang einer Levada, sehr schön einsam. Hier komme ich schnell voran.


An einer Aussicht oberhalb der Straße verpasse ich den Abstieg zu dieser und gehe ein ganzes Stück bergauf, ehe ich meinen Fehler bemerke. Eigentlich will ich zur Bucht Alagoa absteigen. Da ist ein wunderbarer Campingplatz. Es gibt einige überdachte Sitzplätze, Feuerstellen mit gehacktem Holz und die Toiletten sind offen. Der Platz ist nur für Wanderer zu erreichen, ich bin an diesem Abend der einzige Besucher.
Ich probiere meine für diesen Urlaub gekaufte Feuerkanne aus und mache die erste Tütensuppe von zehn mitgebrachten warm. Das Blech der Guinness-Büchse ist übrigens der Windschutz für den Alkohol-Kocher, den ich zusätzlich mithabe.


Feuerkanne auf Hochtouren
Idylle pur
Ich stelle mir den Wecker auf 6:40 Uhr, aber da ist noch dunkel. Kaffee kochen mit der Feuerkanne dauert auch länger als am Vortag, weil ich nur die großen Holzstücke übrig habe, und die brennen schlecht an. Gegen 10 Uhr komme ich los.

Der Wanderweg nach Cedros geht erst mal 250 Meter steil bergauf. Ich habe noch volles Gepäck mit und nach dem Winter und gerade überstandener Corona-Erkrankung fühle ich mich ziemlich schlapp. Der Weg geht immer mal wieder von der Küste weg, um Bachtäler zu umrunden.
Die nur 14 Tageskilometer sind keineswegs zu konservativ geplant, denn bergauf bin ich langsam, weil mir die Kondition mangelt, bergab ist es auf den moosüberwachsenen Steinen häufig glatt und geradeaus bleibe ich manchmal im Sumpf stecken. Selten kann ich mal schnell laufen. Aber die Gegend ist sehr schön und ich bin einsam und treffe niemanden.


Ponta Delgada (das auf Flores, man ist hier nicht sehr kreativ und verwendet auf jeder Insel die gleichen Ortsnamen) sieht man schon von Weitem, aber bis man dort ist, muß man noch ein anstrengendes Tal umrunden. Mein Ziel ist der kostenlose Zeltplatz dort. Kurz vorher kaufe ich mir im Supermarkt am Weg noch zwei kleine Bier für den Abend. Der Laden schließt 18 Uhr und ich komme genau 18 Uhr vorbei. Perfektes Timing!
Der Zeltplatz ist ebenfalls tiptop, mit vielen überdachten Sitzbänken, Feuerstellen mit Brennholz, Wasseranschlüssen und Licht. Einziges Manko ist, daß ein säuerlicher Geruch von Silagefutter in der Luft hängt, den ich irgendwann aber nicht mehr wahrnehme. Außer mir ist niemand auf dem Zeltplatz. Früh entdecke ich, daß jede Sitzgruppe sogar Strom hat. Zu spät. Ich habe allerdings auch erst einen meiner 5 Akkus verbraucht, also noch keinen Bedarf.

Ich schlafe gut. Früh mache ich an einer der Feuerstellen die Feuerkanne an. Mittlerweile hab ich den Bogen raus.
Von Ponta Delgada geht es ein ganzes Stück Asphaltstraße aufwärts, bevor der Wanderweg abzweigt. Ich nehm noch den Abstecher zum Leuchtturm mit, aber der ist Militärobjekt, da gibt es keinen Zutritt. Steckt im Leuchtturm eine Interkontinentalrakete? Eigentlich müßte die auch nicht interkontinental sein, halbinterkontinental reicht. Auch an die laut OSM hinter dem Leuchtturm liegende Bank gelange ich nicht und muß meine erste Rast verschieben. Sehr ärgerlich!


Der Wanderweg geht durch schmale Rinnen auf eine Hochebene. Sobald ich die erreicht hatte, ruhe ich auf einer Wiese in der Sonne aus. Hier überholte mich als einziger Mensch in den letzten drei Tagen ein Jogger.
Der Weg geht weiterhin leicht bergauf entlang der immer imposanteren Steilküste. Wieder gibt es das Dreigespann steil, rutschig, sumpfig, was zügiges Vorankommen erschwert. Am Schluß kommt ein spektakulärer Abstieg nach Fajã Grande. Danach läuft man unter der Steilwand entlang. Wo andere Orte auf einen hohen Wasserfall stolz sind, schießen hier gleich zehn aus der Wand.


Erstes Innehalten nach dem Steinschlaggebiet
Entlang der Steilküste fallen einige solche Bäche herunter
An der ersten Picknickstelle neben einem Restaurant mache ich Halt und baue in einer Ecke mein Zelt auf. Im Restaurant ist niemand, die machen erst 19 Uhr wieder auf. Ich schlendere durch den Ort und stelle fest, daß es noch eine weitere Picknickstelle und auch einen Zeltplatz gibt. Zwei Japaner bauen gerade das einzige Zelt auf. Am Kiosk davor herrscht reges Treiben und laute Musik spielt.

Zurück an meinem Zelt frage ich im Restaurant, ob ich da stehen bleiben darf. Zwei Mann wollen sich erst mein Zelt ansehen, bevor sie entscheiden, daß es sie nicht stört. Ich esse im Restaurant zu Abend und verbringe eine angenehme Nacht.

Früh erkunde ich noch den Wasserfall Poco do Bacalhau gleich in der Nähe. Es gibt die Überreste von 3 Wassermühlen zu sehen, die mit dem Wasser des Wasserfalls angetrieben wurden.


Wassermühle, vom Wasserfall betrieben
Organisch gewachsene Parzellen
Danach geht es 300 Meter in der Steilwand im Zickzack nach oben. Auf dem Plateau angekommen, ist wieder Rast angesagt.
Von dort nehme ich leider den falschen Weg, der immer sumpfiger wird. An einer Stelle versinkt mein Fuß 10 Zentimeter im Morast und Wasser läuft in den Schuh. Ich schaue auf die Karte und entdecke, daß der Weg oberhalb entlang läuft. Der direkte Aufstieg zum Weg über eine bucklige Wiese sieht machbar aus, ich möchte nicht noch mal durch die sumpfige Stelle.
Zwanzig Meter, bevor ich den Weg erreiche, beginnt Buschwerk. Die letzten 10 Meter sind dichtes Brombeergestrüpp. Hier kommt zum ersten Mal meine Heckenschere zum Einsatz. Geduldig schnipple ich mir einen Weg durchs Gebüsch und trage trotzdem ein paar Kratzer davon.

Der Weg steigt jetzt sanfter an bis zu einem Sattel, von dem man in die zentrale Kraterlandschaft hinabblicken kann. Den Aufstieg zum höchsten Gipfel schenke ich mir. Außer Sendemasten ist da nichts. Ich folge dem rot-gelb markierten Wanderweg.




Der Birdwatching Hide am Lagoa Baranca ist so gut versteckt, daß ich zwar das Schild sehe, aber nicht den Unterstand. Der See ist fast ausgetrocknet. Auch der kreisrunde Krater des Lagoa Seca ist, wie schon der Name sagt, trocken. Erst der Lago Comprida ("der Lange") ist ein sehr schöner, von einem Wasserfall gefüllter See.


Am Parkplatz zwischen den Seen steht ein Auto und ich rechne mir aus, daß es schön wäre, wenn mich jemand in die Inselhauptstadt mitnehmen könnte. Fähren nach Corvo gehen Dienstag und Sonnabend. Ich hatte für Dienstag geplant, wußte aber schon, daß das sehr sportlich werden würde. Ich hätte in zwei Tagen nach Lajos kommen müssen, dort irgendwo übernachten (es gibt keinen Zeltplatz), früh mit dem 9 Uhr Bus nach Santa Cruz fahren, irgendwo ein Fährticket kaufen und 10 Uhr die Fähre erreichen müssen. Die Besitzer des Autos sind ein Pärchen aus Hessen. Sie nehmen mich mit und die Lage ist wieder entspannt.
Ich frage im teuersten Hotel der Insel (Inatel) nach einem Zimmer, nachdem ich mir die Preise für 2 Tage bei Expedia (140€) und booking.com (170€) angesehen hatte. Mit Seeblick kostet das Zimmer 142€, was ich gerne zahle. Ich finde es gut, daß man die 15% Provision für booking.com nur für die Bucher von dieser Webseite aufschlägt und nicht den vor Ort Bucher für die billigen Preise im Internet bluten läßt.
Das Zimmer ist hübsch, die Scheiben müßten mal geputzt werden, damit man vom Meerblick mehr hat, die Aussicht ist überwältigend. Es sind nur 2 weitere Zimmer belegt, beim Abendessen bin ich der einzige Gast. Das Essen ist gut. Ich bin froh, daß sie bei so magerer Auslastung nicht einfach dichtmachen.



Heute ist Erholung angesagt. Ich erkunde die vielen Zugänge zu Badebecken in den dem Ort vorgelagerten Lava-Felsen, finde den Weg am Ufer über den Bach, der die beiden Ortsteile trennt, und kaufe das Fährticket. Letzteres erfordert in der Verkaufsstelle volle Registrierung und wäre in meinem ursprünglichen Zeitplan nicht zu schaffen gewesen. Das Walfangmuseum war leider geschlossen.


Man hatte die Tiere damals wegen ihres Fettes gejagt. Das wurde gleich an Ort und Stelle in großen Kesseln auf offenem Feuer ausgelassen und in Fässer abgefüllt. Tja liebe Wale, es war Industrialisierung und die Maschinen mußten geschmiert werden! Erst nach den Erdölfunden 1860 in den USA gab es billigere Alternativen.




Morgen geht es nach Corvo!
Corvo
Was für ein Ritt! Das Wasser hatte ordentlich Wellen und vereinzelt Schaumkronen. Das kleine Boot schaukelte hin und her und schoß ab und zu von einem Wellenberg ins Nichts. In Summe kam bestimmt eine Minute Parabelflug zusammen. Inklusive hartem Aufprall. Ich hatte gut gefrühstückt und ein wenig mit aufsteigendem Essen zu kämpfen. Blieb aber alles drin. Die übrigen 7 Passagiere ließen sich auch nichts anmerken. Lediglich gesprochen wurde nicht viel.


Seegang
Land in Sicht!
Corvo empfing mich mit Sonnenschein. Ich machte mich sofort auf den Weg zur Caldeirão, der höchsten Erhebung und größten Attraktion der Insel. "Caldeirão" ist angeblich im Portugiesischen die weibliche Form von CalderaInnen, diesen Einsturzkratern, die sich bilden, wenn Vulkane in sich zusammenstürzen.
Die bereitstehende Fahrgelegenheit im Minibus lehnte ich dankend ab. Sehr schade eigentlich, wo es so selten vorkommt, daß mal jemand auf mich wartet. Nachdem ich auf den Serpentinen der Asphaltstraße 200 Höhenmeter gewonnen hatte, folgte ich dem markierten Weg auf eine Schotterstraße. Laut OSM geht ein Weg ganz im Westen zum höchsten Punkt des Caldera-Rands. Da wollte ich hin. Auf dem Rand selbst war kein Weg eingezeichnet, aber auf einem halbwegs ebenen Grat sollte sich doch ein Weg finden lassen?

Der Wanderweg führt mich zu zwei künstlich angelegten Wasserbecken, dann biegt er nach unten zur Steilküste zum Inkakopf, einer Felsformation, ab. Die Schotterstraße geht noch ein Stück bergauf und endet in einer Tränke. 100 Meter weiter westlich sollte der Weg nach oben sein. Ich quere über eine von Kühen stark zertrampelte Wiese da hin. Der "Weg" ist eine mit Büschen gefüllte rutschige Rinne. Ich gehe weiter die Buckelwiese daneben bergauf. Je höher ich komme, desto mehr überwuchern Flechten die Grasbüschel. Das sieht phantastisch aus. Es gibt Buckel in allen Farben von hellgrün, gelb bis orange! Leider läuft es sich nicht so gut. Tritt man oben auf so einen Flechten-Berg, sinkt man 30 Zentimeter ein, tritt man in die Ritzen zwischen den Bergen, versinkt man nur 10 Zentimeter.

Oben angekommen ist der Ausblick in den Caldera-Kessel phantastisch. Viele kleine Seen und Inseln füllen das Innere. Nach kurzer Rast auf dem superweichen Untergrund mache ich mich auf den Weg den Grat entlang nach Osten, wo eine Asphaltstraße zum Kraterrand führt. Das Gehen gestaltet sich beschwerlich. Am besten man bleibt oben auf dem Grat, auch wenn da der Wind am stärksten bläst. An den Flanken hat man noch mit der Abschüssigkeit und mit mehr Wasser im Boden zu kämpfen. Nach 500 Metern auf dem Grat erkenne ich eine Spur von jemandem, der ebenfalls in den Ritzen zwischen den Buckeln entlanggegangen ist. Ich folge der, sobald ich sie erkenne.

Ich überlege mir, in einer sicht- und windgeschützten Kuhle mein Zelt aufzuschlagen, aber ganz ohne Häringe steht das nicht und zum Festbinden der Strippen ist auch nichts da, von Steinen ganz zu schweigen. Ich probiere es aus und packe schnell alles wieder zusammen.
Kurz vor Erreichen der Asphaltstraße ist der Zauber vorbei. Der Boden besteht wieder aus von Kuhhufen umgepflügter Wiese, wie vermutlich das gesamte Innere der Caldera auch. Aktuell sind keine Kühe anwesend, dafür eine Schafherde unten im Kessel und versprengte Schafe auf den Hängen. Wenn ich in den Kessel absteige, werde ich nichts zum Übernachten finden. Ich lasse es und versuche mein Glück auf der anderen Seite der Straße am Funkturm und einem Steinhaufen weiter bergauf. Ohne Erfolg, nichts Windgeschütztes und nur zertrampelte Wiese.

Ich laufe die Straße hinab, deren Seitenstreifen vom Kuhtrieb ebenfalls umgepflügt wurden. Nach einem Gatter ändert sich die Situation, Kühe sind jetzt auf von Mauern umgebenen Grundstücken eingesperrt, es gibt wieder unzertrampelte Wiese. An einem Rechtsknick der Straße entdecke ich zwischen zwei Mauern einen Weg an die Steilküste. Ich gehe den bis zum Ende und komme an einem schönen Wiesenstück direkt an der Abbruchkante heraus, an der es 200 Meter senkrecht nach unten geht. Hier schlage ich mein Zelt auf. Zum Kochen bin ich zu müde, es gibt spanische Salami, einen Klassiker, den ich immer dabei habe, und eine halbe Tüte Studentenfutter.

Wie bisher auf jedem Zeltplatz kommen nach Einbruch der Dämmerung diese lustigen Rabatz machenden Vögel. Manchmal sind sie direkt über mir und um mich rum.
Robotervogel
Nächsten Morgen gehe ich es langsam an. Es ist komplett bewölkt, nur auf dem Meer gibt es kleine Sonnenflecken. Die finden leider nicht zu mir. Lange überlege ich, was ich als Nächstes tun soll, wieder die Straße hochlaufen und in die Caldera? Oder zur Nordspitze?

Ich entscheide mich für Letzteres. Ohne viel Abwechslung laufe ich die Betonstraße entlang, bis sie endet und dann einen anfangs breiten, später immer schmaler werdenden Weg zwischen Steinmauern entlang. Hier kommt wieder meine Heckenschere gegen die Brombeeren zum Einsatz. Ich hatte mich lange gewundert, warum ich nirgends die vielgelobten Hortensien sehe, dann aber festgestellt, daß das das allgegenwärtige hellbraune Gestrüpp ist. Falsche Zeit.

Der Weg wird immer beschwerlicher und ich entscheide irgendwann, daß das jetzt der Nordzipfel ist. Ich mache Rast und drehe um. Auf dem Rückweg nehme ich auch noch die untere Betonstraße an der Ostküste mit und habe damit alles auf der Insel gesehen.


Als der Ort in Sicht kommt, sehe ich auf dem Flughafen eine winzige Maschine starten. So eine wird mich vermutlich in vier Tagen nach Flores bringen. Bis dahin habe ich noch massenhaft Zeit.

Ich gehe zum Zeltplatz am Westende der Landebahn und baue mein Zelt in einer Ecke des leeren Platzes auf. Die Sanitäreinrichtungen sind vom Feinsten, leider teilweise eingerostet. Sie werden manchmal noch von Joggern oder Spaziergängern benutzt, die die Landebahn umrunden.

Ich gehe ebenfalls noch zum Einkaufen auf der Südseite der Landebahn in den Ort. Der markierte Wanderweg verläßt für einen Schlenker die Straße. Dort gibt es zwei schön gelegene Bänke mit Blick auf die Brandung. Der Endpunkt der Runde ist der Hafen. Die Fähre, mit der ich angekommen bin, wurde aus dem Wasser geholt und wartet auf ihren nächsten Einsatz auf dem Kai.


Brandung
Fähre
Nördlich des Zeltplatzes gibt es eine Stelle, von der aus man mal von unten an die Steilküste schauen kann. Ansonsten befindet man sich die ganze Zeit oben auf der Scheibe und sieht die Schildkröte darunter nicht. Bis zum Dunkelwerden sitze ich auf den Felsen und schaue der Brandung zu. Danach ziehe ich mich in mein Zelt zurück. Von Flores aus blinkt mich der Leuchtturm an der Nordspitze in den Schlaf.

Heute ist Ruhetag. Ich lese die Süddeutsche vom Herflug, schreibe Blog und schaue den Wellen zu, die noch mal zugelegt haben.
Ich habe mir überlegt, daß ich von den Tagen, die ich auf den Weiterflug warten muß, zwei auf dem Zeltplatz und zwei im Hotel verbringen werde.

Ein Schiff legt im Hafen an, die "Thor B". Sie verlädt einige Container vom Hafen und liefert Kisten und Paletten an die wartenden Einheimischen.

Außerdem fährt das Feuerwehrauto des Flughafens mit Sirene und Vogelgezwitscher auf der Landebahn hin und her, um die Hunderten Tauben zu verscheuchen, die es sich dort gemütlich gemacht haben. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Sicher auch kein einfacher Job. Früher haben das Vogelscheuchen erledigt. Das Mittagsflugzeug schafft jedenfalls die Landung.
Gegen 11 Uhr frage ich im Hotel nach einem Zimmer für die nächsten zwei Tage. Booking.com-Preis wäre 55 € pro Tag, von mir verlangt man 60. Vielleicht ist auch noch was Billigeres frei, das muß erst bis 14 Uhr gereinigt werden und kann ich mir vorher nicht ansehen. Nachdem ich das Hotel verlassen habe, ist der booking.com Preis bei 70 €, mir schwant Böses.
Ich komme für 90 € für 2 Tage unter. Das Zimmer hat zwar keine Veranda, aber gleich nebenan ist ein schöner Aufenthaltsraum.

Gerade als ich mein Zimmer schon gebucht hatte und im Zelt auf den Bezug warte, wird von mir unbemerkt noch ein zweites Zelt aufgebaut. Ich treffe den Besitzer später, er ist mit dem Flugzeug gekommen, weil die Fähre wegen zu starkem Seegang nicht fuhr.


Abends schaue ich mir fassungslos den Einmarsch der Russen in der Ukraine an. Ich hoffe, daß man möglichst überall in der Welt alle Russen ausweist, die nur einen russischen Paß und irgendein Visum haben. Diese Leute sind ja nicht unschuldig an der gegenwärtigen Politik. Sie konnten ja wählen. Die Leute sollten umgehend aus dem Westen und ihrer Komfortzone fliegen und können ja mal in Rußland vom bösen Westen berichten. Das gäbe einen schönen Flüchtlingsstrom, der Rußland eine Weile beschäftigen wird und Platz für ukrainische Flüchtlinge bei uns schafft.
Das Frühstück ist nicht sehr vielfältig, aber qualitativ hervorragend. Herrlich frisches Brot, Butter und Marmelade!

Nach zwei Faulenz-Tagen mache ich heute mit leichtem Gepäck die zwei offiziellen Wanderwege. Zuerst zum Inkakopf, den ich nirgendwo entdecken kann (der Wegweiser weist aufs Meer), dann zur Caldera hoch und eine Runde um die Seen in der Caldera herum. Ich treffe wieder keinen anderen Wanderer, nur Hirten. Die Runde in der Caldera ist sehr schön. Eigentlich muß man nur den See umrunden und darf sich nicht ins Hochmoor verirren, es macht trotzdem Spaß, die aller 20 bis 30 Meter gesetzten Holzmarkierungen zu finden.



Berg mit Kuh
Eine Waldinsel vor der Eroberung durch Kühe
Morgen geht es weiter in die Zentralgruppe der Azoren nach Faial.
Faial
Früh checke ich aus und gehe zum Flughafen. Es hatte den Morgen geregnet, aber gerade aufgehört. Die Regenfront soll in Faial eintreffen, wenn auch ich dort lande. Hier soll vormittags auch der Wind nachlassen. Momentan ist das Flugzeug noch nicht in Faial gestartet, ich soll später noch mal wiederkommen.
Mit einer Stunde Verspätung ging es doch noch los. Wir fliegen fast die ganze Zeit in den Wolken. Das Flugzeug, eine Q200 Dash 8 hat 41 Plätze, nur 5 sind belegt. Warum sind eigentlich Kabinenfenster von außen zerkratzt? Wer kratzt denn da?
In Erwartung von Starkregen und angesichts der dunklen Wolken über der Insel bin ich zum westlich der Landebahn liegenden Zeltplatz gegangen und habe dort mein Zelt aufgeschlagen. Jetzt scheint mir die Sonne ins Zelt! Ich bin der Einzige auf dem Zeltplatz, aber viele Autos fahren dran vorbei und wenden wieder.


Abends regnet es dann doch noch. Zu den überdachten Sitzbänken am anderen Ende des Zeltplatzes kommen zwei Pärchen und trinken Wein. Keine Ahnung, ob sie mich bemerkt haben.
Nach dem Regen scheint die Sonne. Ich frühstücke im Zelt mit Kaffee aus der Feuerkanne. Mein gestern gesammeltes Holz war trocken geblieben.


Es ist grün, und mal nicht mein Zelt
Diese Hortensie hat den Schuß nicht gehört
Erst geht es ein Stück die Hauptstraße entlang, dann auf Nebenwegen zu einem markanten Felsen im Meer. In Valduro gibt es einen sehr schönen Picknickplatz am Meer, wo ich im Schatten alter Bäume Mittag mache. Der Zeltplatz Valduro ist wie vermutet verschlossen, weshalb ich heute noch zu ein paar Kilometern mehr komme. Ich schlage mein Zelt neben einer kleinen Weinanpflanzung kurz vor der Westspitze der Insel auf.

Diesmal waren deutlich mehr dieser nachtaktiven Vögel unterwegs, so daß ich früh um vier die Ohrenstöpsel verwenden mußte. Frühstück nur mit Wasser statt Kaffee.


Capelinhos mit Leuchtturm
Kunst in den Sand gesetzt
Der Wind bläst ganz ordentlich. Bis zum Vulkan Capelinhos ist es nicht weit. Leider darf man da nicht drauf. Ich erklettere erst den Aussichtspunkt, schaue mir in der Ausstellung zum Ausbruch von 1957 viele Filme an und besteige noch den Leuchtturm. Vom ursprünglich 1957/58 entstandenen Vulkan ist nur noch die Hälfte vorhanden, den Rest hat sich das Meer zurückgeholt. Da muß er bald noch mal nachlegen.





Weiter geht's auf die Berge bei Nebel. An vielen Stellen hat man hier die Angewohnheit, Stufen für den Direktanstieg zu bauen, statt Serpentinen anzulegen. Platz ist halt kostbar. Das macht das Berge ersteigen sehr schweißtreibend. Von einem alten Walausguck sieht man heute den Vulkan, statt das Meer. Auch der Leuchtturm, von wo aus der damalige Leuchtturmwärter todesmutig den Ausbruch mitverfolgt hatte, ist jetzt nutzlos geworden, weil er mitten im Land steht.

Ich steige an einer Kette von Vulkankratern im dichten Buschwerk immer höher auf. Nach dem letzten der westlichen Vulkane geht es auf einer Schotterpiste wieder weit runter. In Capelo entscheide ich mich für einen Abstecher zum Café o Vulcao, wo bei OSM ein Laden eingezeichnet ist. Es ist wegen Corona geschlossen. Schade, Obst oder ein Bier für den Abend wären nicht schlecht gewesen.

Kurze Zeit später mache ich Rast am Parque Florestal do Capelo. Das ist ein riesiges Areal mit im Wald versteckten Picknick-Tischen, geschätzt 50!! vollausgerüsteten Grillplätzen und Sitzgelegenheiten für 1000 Personen. Muß man gesehen haben! Am besten natürlich an einem warmen Sommerwochenende, wenn wirklich was los ist. Ich war fast allein da. Nur am Wildgehege fütterten Kinder die Rehe.


Für eine Übernachtung eignet sich der Platz nicht, weil zeltfreundliche Flächen fehlen. Außerdem war es noch zu früh. Ich steige noch auf über den Cabeco do Fogo, dem ersten Vulkan, bei dem man nach der Besiedlung der Insel einen Ausbruch erlebt hatte. Der Weg dahin führt durch Wald, der ein dichter Dschungel ist. Man hat im unteren Teil einen Schotterweg und oben einen Fußweg hineingeschnitten, aber keinen Quadratmeter mehr. Auf einer Mini-Bergkuppe finde ich endlich die waagerechten 2 Quadratmeter neben dem Weg, die ich für mein Zelt brauche. Ich muß das Zelt nahe an einen Baum stellen und habe nicht genügend Freiheit beim Abspannen. Der starke Wind wird durch Bäume und Gebüsch ganz gut abgehalten. Ich finde nirgends trockenes Holz und mache mir Wasser auf dem Spirituskocher mit Desinfektionsmittel (70% Alkohol) warm, was prima funktioniert.
Nachts gibt es mal nicht den Höllenlärm der Brandung oder der Vögel zu hören, sondern das Tropfen des Regens.

Die schlechte Abspannung rächt sich, denn ich habe nachts einen kleinen Pool auf dem Zelt, von dem Wasser ins Zelt läuft. Pfützen im Zelt sehe ich keine, weil alles komplett von Schlafsack und Woll-Jacke aufgesogen wurde. Ist nicht so schlimm, der Schlafsack ist aus Kunstfaser und soll Nässe abkönnen. Ist nur schwer.
Das Frühstück halte ich kurz. Ich will nicht meine letzten 30ml Desinfektionsmittel für Kaffee verschwenden, wenn ich sie vielleicht noch für die Hauptmahlzeit brauche.


Am Fuße des höchsten Berges angekommen, geht es erst mal entlang einer Levada ein Stück drumrum. Sehr schön, aber auch sehr sumpfig. An vielen Stellen bin ich gezwungen, direkt auf den teils bemoosten Seitenwänden des Kanals zu laufen, was man ja eigentlich nicht macht.


Über einen langen Forstweg geht es hinauf zur Caldera. Wenn man sich vorstellt, daß der ursprüngliche Vulkan, bevor er unter seinem Gewicht in die entleerte Magmakammer zusammengebrochen ist, vielleicht so hoch war wie der Pico auf der Nachbarinsel, bin ich ganz froh, daß er eingestürzt ist. Oben ist es wieder windig. Der Abstieg in die Caldera ist nur organisierten Gruppen erlaubt. Ich mache eine dreiviertel Umrundung, schaue noch durch den Tunnel zur Aussicht und mache mich auf die vielen Windungen des Abstiegs. So verlockend die Abkürzungen auch aussehen, weiß ich doch, daß sie durch Sumpf führen und nur aufhalten würden. Ich gehe diszipliniert jede Serpentine.


Der Pico auf der Nachbarinsel Pico
Serpentinen
Gegen 18 Uhr komme ich an einen weiteren Rastplatz, den von Cabouco. Die Besessenheit der Portugiesen für Picknick führt zu einer großen Anzahl an solchen Plätzen, die alle top in Schuß sind, meist sogar mit gehacktem trockenem Brennholz. Bei diesem Platz hat man die moosüberwachsene Wiese nicht durch Vulkanschlacke ersetzt. Ich suche mir trotzdem nicht das weichste Fleckchen, weil das auch das feuchteste ist. Die neueste Erfindung ist Feuer in der Feuerkanne mit vorher mit Alkohol eingesprühten Zweigen zu machen. Geht super.


Zelt auf dem Rastplatz von Cabouco
Feuchtes Holz
Nachts regnet es, aber früh kommt kurz die Sonne raus und trocknet mein Zelt. Nach ordentlichem Frühstück mache ich mich auf den Weg Richtung Ostküste. Es wandert sich auf selten genutzten Wegen angenehm bergab, zunächst an 5 Windkraftwerken vorbei. In einer Vogelbeobachterhütte mache ich kurz Rast. Die verschiedenen Erdschichten sind im Nordosten durch einen Grabenbruch gegeneinander verschoben, der auch wirklich der "Graben" heißt. Daß die Verschiebung noch nicht abgeschlossen ist, sieht man am erst kürzlich durch Erdbeben zerstörten Ribeirinha. Den Leuchtturm scheint es regelrecht hochgeschleudert und leicht verdreht wieder abgesetzt zu haben.


Erdbebenopfer
Zerstörter Leuchtturm von Ribeirinha
Am Ende des Wegs erwartet mich ein schöner, wie immer menschenleerer Zeltplatz am Meer. Ich habe Befürchtungen, daß mein Zelt zu stark im Wind flattert, aber die Büsche oberhalb halten das meiste ab, obwohl der Wind von Süden bläst. Die Wellen donnern übrigens von Norden die Küste entlang.

Für das letzte Stück der Wanderung nach Horta gibt es keinen durchgehenden Wanderweg mehr. Bis auf kurze Abschnitte auf der Hauptstraße habe ich mir eine Route auf kaum befahrenen Nebenstraßen zusammengestellt. In einem Straßencafé mit Laden mache ich zweites Frühstück und kaufe eine Viertelliter Flasche 96%igen Alkohol. Dank Corona gibt es den jetzt überall. :-)


Almoxarife
Horta
Der Zeltplatz Almoxarife ist ebenfalls abgeschlossen. Ich benötige ihn nicht, sondern gönne mir in Horta ein Hotel. Das Faial Garden sieht gut aus. Pico-Blick brauche ich nicht, der ist ohnehin nicht zu sehen. Booking.com-Preis ist 122 €, ich bekomme ein Zimmer für 105 € für 2 Tage. Der Balkon geht zum Garten raus. Bei Nieselregen, wie er ab und zu auftritt, ist er leider nicht zu gebrauchen, weil nicht überdacht.

Nachdem ich Vorräte für das Wochenende und für Pico eingekauft hatte, ist der Rucksack wieder schön schwer. Abends gucke ich Snooker und schreibe Blog.

Heute ist Erholung angesagt. Vormittags sehe ich mir den Nordteil der Stadt an. Die Hafenanlagen sind geschmückt mit Hunderten kleinen Bildchen von vielen Seglern, die hier Halt gemacht haben.






Das legendäre Café Sport
Mehr Fliesen






Am Fährterminal will man mir noch kein Ticket für morgen verkaufen, es könnte gestreikt werden. Außerdem macht mir das Wetter Sorgen. Es soll die nächsten 2 Tage stark regnen, gerade wenn ich zum Pico will.
In einem hervorragend sortierten Haushaltswarenladen am Hafen gibt es für 1,50 € Packungen mit einer, drei oder vier Tuben Sekundenkleber zu 2 Gramm. Ich habe also jetzt noch drei übrig. Eine brauche ich, um den Griff meines Wanderstocks festzukleben, der im Original nur mit etwas doppelseitigem Klebeband fixiert war.
Abends gehe ich Richtung Süden, besteige die zwei Berge und laufe am Strand entlang. Ich mache viele Fotos.


Monte Queimado
Monte da Guia


Pico
Ich nehme vormittags Abschied von Horta, das mir sehr gut gefallen hat.

Die Fähre 10:45 Uhr fährt. Es regnet und ich bleibe lieber im Inneren und lasse mich nur kutschieren. Durch die regenbeschlagenen Scheiben sieht man nicht viel. Der Pico ist auch dicht verhüllt. Heute soll es den ganzen Tag leicht regnen und stark winden. Ich will trotzdem die 1200 Meter bis zum Einstieg der Pico-Gipfelroute machen, weil morgen die Sonne wieder herauskommen soll und ich da den Aufstieg zur Pico-Übernachtung geplant hatte.
Über der Insel liegt den ganzen Tag Nebel. Kurz nach Madalena ist der Weg wegen eines Mountainbike-Rennens abgesperrt. Ich mogle mich durch, mache ein paar Fotos und feuere die Radfahrer an.

Später gibt es eine ziemlich geradlinige Schotterstraße Richtung Gipfel, der ich eine Weile folge. Oben wird der Zustand immer schlechter, erst durch metertiefe Ausspülungen, dann wird sie mir zu sumpfig. Ich wechsle auf die große Hauptstraße, die die Insel durchquert und von dort nehme ich die Asphaltstraße zur Station des Nationalparks, um nicht durch Experimente auf schwer zu wandernden Wegen Zeit zu verlieren.


Viertel vor Sechs komme ich dort an. Riesiger Parkplatz, feinstens asphaltiert, aber leer und ein großzügiges modernes Gebäude daneben. Ich frage die zwei Männer der Nationalparkverwaltung, ob ich am nächsten Tag zum Gipfel gehen kann. Sie raten mir davon ab, weil Windgeschwindigkeiten von 65 km/h angesagt sind und oben keinerlei Schutz vor dem Wind existiert. Sie sagen mir auch mehrfach, daß ich hier nicht über Nacht bleiben darf. Das überrascht mich, weil ich zwar auf dem Gipfel zelten darf (wenn ich nach 14 Uhr losgehe), aber unten im selben Nationalpark eben nicht. Auch auf den Hinweistafeln fehlt das durchgestrichene Zelt-Symbol. Auf die Frage, was denn "hier" bedeutet, wo die Grenzen des Nationalparks liegen, ist die Antwort: dort wo der Asphalt schlechter wird, am ersten Kuhgatter. Ich hatte ursprünglich vor, mir im nördlich in OSM eingezeichneten Gestrüpp was zu suchen, auf den Freiflächen bläst der Wind zu stark. Letztlich bringt mich der Wind doch zur Einsicht, den Gipfel bleiben zu lassen.
De facto ist der Gipfel für Wanderer unerreichbar, wenn man nicht 2300 Meter auf einen Ritt machen will. Alle Quartiere der Insel liegen auf Meereshöhe. Für die empathielosen Bürokraten der Naturverwaltung bin ich der Schädling und Autofahrer sind die Guten. Sie könnten auch in der Straßenverwaltung arbeiten, denn mit Straßenbelägen kannten sie sich aus.
Ich gehe im Eiltempo die Straße wieder zurück. 18 Uhr überholen mich die pünktlich Feierabend machenden Beamten in ihrem 4-Türer. Das ist normalerweise die Zeit, wo ich mir einen Schlafplatz suche, bevor es dunkel wird.
Erst kurz vor der Hauptstraße beginnt wieder Wald und Buschwerk. Im wesentlichen Dschungel, aber an einem Weg in den Wald entdecke ich eine kleine waagerechte Fläche, wo man Schutt in das Gebüsch geschoben hat. Ich achte darauf, daß mich die Bäume der anderen Wegseite nicht erreichen können, falls sie vom Sturm umgeblasen werden, der sie heftig verbiegt. Zur Sicherheit, falls ich mich verkalkuliert habe, lege ich mich mit den Füßen in ihre Richtung. Durch das Gebüsch rundherum ist das Zelt gut vor Wind geschützt, nur manchmal wird es von einer Böe durchgeschüttelt.
Einmal einen Häring ins hohe Gras gesteckt und kurz den Blickkontakt verloren und weg ist er. Ich finde ihn erst am nächsten Tag wieder, nachdem ich das ganze Gras ausgerupft habe. In dem lockeren Sand halten die Häringe schlecht. Die äußeren beschwere ich mit großen Steinen, aber die 4 inneren zieht es mir immer wieder heraus. Da kann ich keine großen Steine hinlegen. Erst in der Nacht finde ich eine Lösung, die hält.
Nachts regnet es. Ich wache auf, weil ich in was Feuchtes fasse, und stelle fest, daß sich mein Fußende in ein Wasserbett verwandelt hat. Der Zeltboden schwimmt auf einer großen Pfütze! Alles, was auf dem Zeltboden steht, drückt das Wasser durch. Ich evakuiere das Brot und Kochzeug und ziehe die Beine an, daß sie auf festem Grund liegen. In einer Regenpause grabe ich mit der Heckenschere noch einen Abflußkanal ums Zelt.


Das Zelt am nächsten Morgen, von der Pfütze ist nichts mehr zu sehen
Der Alkohol-Kocher, die Alternative, wenn Holz naß ist
Früh scheint die Sonne. Ich gehe es langsam an, mit Kaffee und Marmeladenstulle, damit sie mein Zelt in den Büschen erreichen kann. Weil morgen eine Regenfront durchziehen soll, steige ich erst mal vom Höhenrücken nach Norden ab, um mir in São Roque eine feste Unterkunft zu suchen. Auf den Nebenstraßen begegnet mir bis unten nur ein Radfahrer.


Die Quartiersuche gestaltet sich anstrengend. Der Zeltplatz wird wohl noch geschlossen haben, da schaue ich gar nicht erst nach. Auf booking.com gibt es 4 Häuser mit 1 bis 3 Schlafzimmern für 40-60 € die Nacht außerhalb des Ortes. Das ist preiswert, aber ich hätte lieber nur ein Zimmer, dafür im Ort.
Ich komme an einer Touristeninfo vorbei und die junge Frau macht mich auf die Jugendherberge aufmerksam und malt mir ein paar Casas auf die Karte. Zimmervermittlung ist nicht ihr Job. Was eigentlich dann? Statt daß sie mal ein paar Stellen anklingelt, laufe ich mir die Hacken wund.
Die Jugendherberge sieht prächtig aus, öffnet aber erst im Sommer. Der freundliche Angestellte dort empfiehlt mir das Pico Dreams, was auch sehr gut aussieht. Da ist nur niemand. Ich rufe von der Rezeption des Pico Dreams aus die Nummer auf dem Schild an und der Besitzer sagt mir, daß er ins "Mainland" geflogen ist und heute nichts vermietet. Er empfiehlt mir ein Zimmer in einem großen weißen Haus hinter der Bar Jaminho, was sich, als ich dort ankomme, als die Jugendherberge herausstellt. Der erste Kreis hat sich geschlossen.


Pico Dreams, wirklich ein Traum
4 Jahreszeiten
Dann steht noch Vila los Seasons auf meinem Zettel, die ich erst im 2. Anlauf finde, weil am Schild "4 Estacoes" steht. Sonst nichts. Keine Telefonnummer, kein QR-Code. Häuser vermieten sich hier anscheinend von selbst. Die 4 hübschen Häuschen stehen leer.
Das nächste und letzte Ziel ist wieder Dorf auswärts die Autovermietung Oasis. Die soll auch Zimmer vermieten. "Zimmer? Wir vermieten Häuser!" werde ich belehrt, als ich dort nachfrage. Na dann also ein Haus. Ich nehme das, was sie hat, ohne irgendwas darüber zu wissen, nur zu Fuß erreichbar soll es sein. Es entpuppt sich als das Haus, das bei mir auch bei booking.com der Favorit war. Auch der Preis ist derselbe, da bleiben die 15% Provision wenigstens im Land. Ich werde sogar noch die 500 Meter bis hin gefahren, weil noch eine Kaffeemaschine gebracht werden muß, damit die Unterkunft komplett ist. Kaffeefiltertüten Größe 2 hab ich aber ohnehin nicht dabei.
Es ist ein schön ausgebautes Häuschen aus schwarzen Lava-Steinen, nur halb verputzt mit nur einem Raum, sieht man von Küchenecke und Badzelle mal ab. Ich setze mich abends noch mit einem Bier vors Haus und genieße die Stimmung. Später ist noch Skype mit der Heimat angesagt.

Haushaltstag. Zum Frühstück gibt es selbst gekochte Eier. Ich wasche Wäsche, trockne alles und setze mich hinter das Haus im leichten Nieselregen in die Sonne. In den Bergen sind dichte Wolken und die enden lange Zeit genau über meinem Haus.

Als es ungemütlicher wird, ziehe ich mich ins Bett zurück und schreibe Blog. Nachdem die Regenfront durch ist, erkunde ich noch den Ort und setze mich abends vor meinen Mini-Kamin-Heizer und höre mir die letzten Demo-Veröffentlichungen von P.J. Harvey an. Starke, rohe Stücke! Ich bin immer wieder amüsiert darüber, wie sie mit dünner Stimme die hohen Töne zu singen versucht.
Es fiel mir schwer, mich von meinem Häuschen zu verabschieden. Ich putze alles und bin 10:30 Uhr bereit loszugehen. In schönstem Sonnenschein wandere ich zum Ort hinaus. Ziel ist wieder die Hochebene, die ich der Länge nach durchqueren will.

Bei 450 Meter Höhe lege ich mich noch mal in die Sonne. Weiter oben ist es wieder neblig. Das erste Mal auf der Insel laufe ich auf einem Stück Fußweg anstatt auf mehr oder weniger guten Fahrwegen. Oben geht es wieder auf Asphalt weiter, den ganzen Höhenrücken windet sich eine Straße entlang. Sie steigt langsam bis auf 1000 Meter an. Der Wind bläst sehr stark und häufig fühle ich mich fremdgesteuert.

Die vielen Seen kann ich im Nebel nicht ausmachen. Einmal wundere ich mich über laute Geräusche wie von einem Förderband. Ich komme nicht drauf, was es ist, bis der Nebel für eine Sekunde aufreißt und ein Windrad zeigt. Natürlich!

Ich spare mir auch, zu den Seen hinzulaufen, bis ich sie sehe, denn es hat schon wieder ein Wettlauf gegen die Zeit begonnen. Hier oben kann ich nirgends windgeschützt zelten und der Bergrücken zieht sich noch lang.
Im Nebel kommt mir ein klappriger Kleinlaster entgegen. Er hält, und ein junger Mann fragt mich, ob er mich mitnehmen soll. Falsche Richtung. Er läßt nicht locker und meint, daß es für mich noch sehr weit ist, bis ich wieder Höhe verliere. In seine Richtung wäre er 40 Minuten in dieser Höhe gefahren. Er würde mich nach Madalena mitnehmen, von wo ich am nächsten Tag wieder mit dem 10 Uhr Bus Richtung Ostspitze fahren könnte. Das hat was. Als ich im Auto sitze, will er 40 €. Ich will wieder aussteigen, und er reduziert auf 20 €. Ich gebe ihm das Geld, was ein Fehler war. Er setzt mich 8 Kilometer vor Madalena ab. Mein Protest, daß Madalena ausgemacht war, führt zu nichts, plötzlich spricht er kein Englisch mehr. Gauner!

Es ist kurz vor 18 Uhr, mit Laufen erreiche ich Madalena nicht mehr bei Tageslicht. Gleich nach der Absetzstelle komme ich an einem großen Picknickgelände vorbei, auf dem Zelten explizit verboten ist. Ich laufe weiter und erreiche nach einigen Kilometern Landstraße Bandeiras. In der Bar frage ich nach einer Übernachtungsmöglichkeit im Ort. Man telefoniert herum, aber letztlich stellt sich raus, daß die einzige Unterkunft gerade renoviert wird. Ein Taxi fährt mich nach Madalena zur Villa Madalena, die der Fahrer empfiehlt. Er ruft viele Nummern an, alle besetzt. Endlich geht jemand ran. Die Besitzerin meint, daß sie nur ein gemachtes Zimmer im Parterre hat, was sie eigentlich nicht vermietet. Wir einigen uns auf 40 €. Ich unternehme diesen Tag nichts weiter, sondern hau mich aufs Bett und gucke Snooker.

Ich nehme den 10 Uhr Bus die Nordküste entlang nach Santo Amaro. Der Bus startet mit einer Viertelstunde Verspätung an der Stirnseite des Hafengebäudes.
Auf einem stetig ansteigenden Pfad geht es im Wald hoch auf die Steilküste und von da wieder abwärts ans Meer. Danach führt der Wanderweg unten an der Küste entlang über Lavafelder. Eigentlich eine sehr schöne Tour, aber heute geht die Brandung so stark, daß Wasserfontänen weit die Küste hochgeschleudert werden. Ich beobachte die anrollenden Wellen und versuche den besten Zeitpunkt abzupassen. Zweimal erwischt es mich trotzdem und ich kann mich nur wegdrehen, bevor ich einen Liter Meerwasser über mich geschüttet bekomme und ich eine nasse Hose und Wasser in den Schuhen habe.

An eine Übernachtung am Meer ist nicht zu denken. An einer Stelle, wo ich den Küstenweg ohnehin nicht weitergehen kann, weil er ständig überflutet wird, gehe ich ein Stück zurück und dann bergauf. Nach Besichtigung einiger Abgänge vom Weg finde ich einen schönen Kiefernwald, in dem ich mein Zelt aufschlage.
Obwohl nach dem letzten Regenband erst mal für einige Zeit schönes Wetter angesagt war, hat sich die Lage schon wieder geändert, und der nächste Starkregen steht schon morgen an. Ich buche vom Zelt aus ein Zimmer für zwei Tage in Lajes und will morgen mit dem 13 Uhr Bus von Piedale aus da hinkommen.

Auf meinem Kiefernnadelbett schlafe ich sehr gut. Ich frühstücke ohne Kaffee und pünktlich zum Zeltabbau setzt leichter Regen ein. Ich gehe nach Piedale, schaue mir den Ort an und setze mich vor die Bar. Bis der Bus kommt, habe ich noch vier Stunden Zeit, die ich mit Blog schreiben verbringe.

In Lajes komme ich im Obergeschoß eines winzigen gelben Hauses an der Hafenpromenade unter. Das hat Blick in zwei Richtungen auf das Meer und vom Schlafzimmer auf die Seitengasse. Außerdem eine kleine Terrasse, von der man dem Treiben unten zusehen kann. Es gefällt mir sehr gut, wenn es nur nicht mit so viel esoterischem Kram zugestellt wäre. Leider haben auch meine Landsleute ihren Anteil daran.

Durch die verschiedenen Unterbrechungen ist mir auf Pico etwas der rote Faden verlorengegangen. Die ausgewiesenen Wanderwege sind im Osten, ich bin schon in der Mitte. Von hier nach Madalena kommt nur noch Landstraße. Außerdem ist der nächste Weltuntergang für den 18./19.3. angesagt. 110 mm Wassersäule Regen in zwei Tagen, das ist das ganze Monatsbudget!

Ich wälze Varianten. Plan ist jetzt, den Sonntag für den Inselwechsel nach São Jorge zu nutzen und in dem nicht ganz so schlechten Wetter bis Freitag bis zum Ostzipfel zu kommen und den Regen dort in einer Casa auszusitzen. Auf São Jorge gibt es leider nicht mal einen Bus pro Tag, der auf Pico die Rettung sein kann. Bus und Fähre fahren sonntags nur jeweils eine am Nachmittag/Abend. Ein Zimmer im Garden Velas habe ich gebucht.


Markt in Lajes
Was ist real?
Ansonsten verging der Tag mit Ortsbesichtigung und in der Sonne sitzen.
Pico will mich so schnell nicht gehen lassen!
Den Tag verbringe ich überwiegend mit herumgammeln. Ich nutze die Auscheck-Zeit 11:30 Uhr voll aus, weil es sich so schön auf der Veranda sitzt. Dann verbringe ich noch 2 Stunden auf den großen Holzblöcken an der ehemaligen Festung. Der Bus soll erst 13:40 Uhr fahren. Er kommt 20 Minuten verspätet, gerade die richtige Zeit, um mir Sorgen zu machen.
Der Wind legt Stunde um Stunde zu. Ich muß meinen Hut wegpacken. Aus der Überfahrt heute abend wird nichts. Die Fähre ist wegen zu hohem Seegang abgesagt. Die nach Horta fährt noch. Ich verschiebe meine Hotelbuchung in Velas auf den 26.3. und nehme mir im Hotel Caravellas ein Zimmer. Abends schaue ich mir die erste Folge der zweiten Staffel von Picard an, wie immer etwas verwirrend.

São Jorge
Heute scheint die Fähre zu gehen. Zumindest mein Gepäck wird schon mal angenommen. Die See geht nicht so stark wie bei der Überfahrt nach Corvo und das Schiff ist viel größer, trotzdem haben 2 Passagiere keinen Spaß. São Jorge wirkt lange völlig unbezwingbar, nur Steilküste.

Gegen 11 Uhr bin ich in Velas. Das Städtchen sieht sehr hübsch aus, ich werde vor dem Abflug noch Zeit haben, es mir genauer anzusehen. In der Touristen-Info hole ich mir alle Wanderkarten auf Papier und einen Busfahrplan. Dann beginne ich mit dem Aufstieg durch den Botanischen Garten. Ab da geht es den ganzen Tag nur auf Asphaltstraßen entlang.


Die Baummode in Velas
So irreguläre Zapfen habe ich noch nie gesehen


Velas
Her mit der Milch!
Wenn ich vor Eintreffen der Regenfront in Topo sein möchte, muß ich ordentlich Kilometer machen. Ich will heute bis Calheta kommen. Leider verpasse ich vor Calheta den Abzweig zum Zeltplatz. Bevor ich umsonst zurückgehe, rufe ich die Nummer der Bar des Zeltplatzes aus dem Michael Müller Reiseführer von 2016 an. Niemand hebt ab. Wahrscheinlich hat er noch zu. Ich gehe weiter.
Entlang der Straße oberhalb von Calheta schließt sich eine Siedlung an die nächste an. Nirgends ist Platz für ein Zelt. Ich biege Richtung Küste ab und finde eine Auffahrt zu einer buckligen Wiese. Wählerisch kann ich heute nicht mehr sein, mein Zelt ist vom Weg aus nicht zu sehen, die Wiese riecht gut nach Minze und keine Hunde verbellen mich.

Für die Nacht war Regen angesagt, der auch kam. Tagsüber sollte es nur bewölkt sein. Leider hielt sich das Wetter nicht daran, sondern es gibt den ganzen Tag Sprühregen, immerhin teilweise mit Sonnenschein.


Südküste
Portal
12 Uhr erreiche ich Portal und verlasse endlich die asphaltierten Straßen. Ab hier gibt es Wanderwege. Ich gehe die Routen 3 und 9 an der Küste entlang. Kurz vor Fajã dos Vimes raste ich und werde von einem Pärchen mit Tagesrucksäcken überholt. Die ersten Wanderer seit langer Zeit! Zwei Tschechen, wie sich herausstellt, als ich sie im Café Nunes wiedertreffe, wo ich einen Kaffee aus lokal angebauten Bohnen trinke. Schmeckt gut!
Küstenwanderung klingt einfach, aber wenn unten kein Durchkommen ist, geht es 450 Meter hoch und runter, um in das nächste Tal zu kommen. Gegen 18 Uhr erreiche ich die Fajã de São João. Es stellt sich wieder die Frage des Schlafplatzes. Am Weg kurz vor dem Ort war eine passable Stelle, im Ort finde ich nichts. Am Ortsausgang frage ich in der Taberna Águeda nach einer Unterkunft. Der junge Wirt telefoniert herum und erreicht jemanden, der das kleine Haus mit der blauen Tür gegenüber vermieten will. Ich soll mich bis 19:30 Uhr gedulden, dann wird das hergerichtet. Ich unterhalte mich derweil mit ihm über Musik und die Azoren und probiere seinen Lieblingswein.
Das Haus ist ganz witzig und winzig. Oben ist Küche und ein Sofa, das man unmöglich durch die beiden schmalen Türen hereinbekommen hat. Unten der Schlafraum. Dazwischen eine steile Stiege. Weil mein Rucksack mit den Vorräten unten steht, lege ich noch ein paar Höhenmeter Kraxelei zusätzlich zurück. Als Extras gibt es selbstgemachten Portwein, selbst angebaute Bananen und Orangen und Thunfisch aus der hiesigen Fischfabrik. Der Port ist ausgezeichnet. Den Fernseher bekomme ich abends nicht an, dafür plärrt er früh um 7 von alleine los. Das halte ich nicht lange aus.


Mein Haus in Coelho
Obere Etage mit Sofa
Ich habe mir in Topo an der Ostspitze eine Unterkunft für 3 Tage gebucht, um dort den Regen auszusitzen.
Der erste Monat ist rum!
Es ist ein wunderschöner Tag. Die Sonne scheint, heute ohne Sprühregen. Ich räume die Bude auf und nehme alles Eßbare mit. Auch den restlichen Portwein fülle ich mir ab, lege dafür aber 5 € hin. Eine der großen Unbekannten in meinem Plan ist, ob ich in Topo Lebensmittel kaufen kann. Auf der ganzen Ostspitze ist in OSM kein Laden eingezeichnet, nur eine Bar in Topo, und die könnte ja auch geschlossen sein. Verhungern werde ich nicht, ich hab noch 4 Tütensuppen und sogar ein kleines Bier mit.
Nach einem ersten größeren Anstieg durch Wald auf die Hochebene geht es immer auf und ab über sanfte Hügel entlang der Küste. Einige Bauern sind unterwegs und kümmern sich um die vielen verstreut stehenden Milchkühe.


Küstenwanderung
Leuchtturm von Topo, Inseln Topo und Terceira
An einem Übertritt über ein kleines Mäuerchen verrutscht ein Stein und der darauf liegende größere Stein fällt auf meinen rechten kleinen Zeh und quetscht den Fuß ein. Das tut weh, aber am Abend stellt sich heraus, daß alles noch dran ist.
In Topo angekommen, suche ich anhand der groben Kartenskizze von Booking.com meine Unterkunft. Die Straße ist angegeben, aber keine Hausnummer. Nirgends ist ein Hinweis auf Recanto das Vigias "Vigia do Ilheu" zu entdecken. Ich rufe die Kontaktnummer an und hinterlasse einen Spruch auf dem Anrufbeantworter. Ein Einheimischer, den ich nach dieser Adresse frage, zeigt auf ein Haus, ist sich aber nicht sicher. An der Tür entdecke ich Booking.com-Bewertungsschilder von 2017 und 2018 mit 9,9. Hola! Das muß es sein! Die Tür ist offen. Ich rufe noch mal die Buchung für einen anderen Tag auf (nachdem man gebucht hat, bekommt man die Fotos nicht mehr zu sehen) und vergleiche die Bilder mit der Einrichtung. Das ist es und ich ziehe ein. Ich rufe ein zweites Mal beim Vermieter an, daß alles Ok ist. Leider spricht er kein Englisch, aber diese Information kommt rüber.

Ich überlege natürlich, welchen winzigen Makel das Quartier aufweist, daß es zur glatten 10,0 nicht gereicht hat. Das fehlende Türschild? Daß überall Ameisen herumlaufen, die ich wegklatschen muß? Daß WLAN nur aus einem 3G UMTS-Router kommt und damit keine großen Sprünge zu erwarten sind und das Fernsehen nur 8 portugiesische Kanäle hat? Daß die Terrasse nicht überdacht und windgeschützt ist und auch nicht direkt vom Haus aus zu erreichen und man an den Plastesesseln mit dem Hintern festfriert? Das rosa Schlafzimmer mit Baldachin?
Ich könnte schon noch eine Weile weiter meckern, aber eigentlich war das Quartier ganz nett. Der Vermieter kam am Abend vorbei und das mit den Ameisen habe ich ihm gesagt. Leider war gerade da keine zu sehen.


Mein Haus in Topo
Rosa
Sofort nach dem Einzug erkunde ich den Ort. Besonders interessiert mich, was es mit der Kneipe auf sich hat. Auf dem Weg dahin entdecke ich einen gut sortierten Supermarkt. Ich mache einen Großeinkauf und habe eine Sorge weniger. Heute gibt es Pasta mit Pesto und lokalem Käse, den ich schon seit Pico mitschleppe. Dazu ein Weißwein "Faria's Vineyards" von Pico, den ich schon mal hatte (andere lokale Weine gibt's hier nicht).


Badestelle
Zeltplatz
Nach Abladen der Einkäufe gehe ich zum Leuchtturm hinunter und danach zur Badebucht. So komme ich heute noch zum Ende des großen Wanderwegs Nummer 1, dem ich den ganzen Tag gefolgt bin. In der Nähe gibt es einen Zeltplatz, der nicht so genannt wird und auch nicht in OSM eingezeichnet ist, aber 3 waagerechte Terrassen für Zelte bietet und ein Grillhäuschen. Trotz Mäuerchen drumrum ist er etwas windexponiert, so daß ich mit dem Quartier besser bedient bin. Ich genieße auf einer Bank ein mitgebrachtes Bier und die Aussicht auf die Mini-Insel, Leuchtturm, Badebecken und Terceira im Hintergrund.

Zum Schluß gehe ich auch noch den anderen Stich hinunter zum Hafen. Da ist nichts los, aber ich entdecke, daß es eine unterirdische Erweiterung des Hafens gibt. Einen U-Boot Hafen? Über den Bergen liegen schon die für morgen angekündigten Wolken.


U-Boot Hafen?
Links der unterirdische Eingang, rechts eine Brücke
Ein üblicher Ruhetag: Wäsche waschen, im Bett liegen und Blog schreiben, Ameisen töten. Früh ist es noch sonnig, aber viel zu windig für die Terrasse, nachmittags tröpfelt es ein wenig. Ich lese noch die letzten Blätter von Vorkriegszeitungen, der Frankfurter Allgemeinen und Süddeutschen vom 16.2.2022.
Auch heute bewege ich mich kaum aus dem Haus. Der weiteste Weg ist die Suche nach Müllcontainern, ich will den Ameisen keinen Vorwand liefern. Seit ich hier wohne, hat die Ameisenpopulation deutlich abgenommen.
Im Regal liegt ein 3-teiliges Werk im Schuber "Fajãs de São Jorge", was nur in 250er Auflage herausgekommen ist, und die Bewerbung der Insel von 2015 für die Einrichtung von UNESCO Biosphären Schutzzonen darstellt. In englisch und portugiesisch. Fajãs sind die durch Auswaschung aus der Steilküste angeschwemmten kleinen Landgebiete. Liest sich spannend, weil viele Aspekte angesehen wurden. Auch interessant, was die UNESCO alles abfragt. Im Internet lese ich, daß das 2016 genehmigt wurde.


Ich mache viel Tourplanung. Gestern hatte ich noch mit dem Sonnabend-Bus 7:15 Uhr geliebäugelt, heute mich auf die originale Tour umentschieden. Statt daß ich auf ein gemütliches Frühstück verzichte, laufe ich lieber 15 Kilometer Straße extra. Gegenüber meinem Original-Plan bin ich einen Tag im Verzug, habe aber noch den Regentag-Joker und könnte notfalls auf die Westspitze verzichten, denn das ist hin und zurück nur Straße.
Am Vormittag scheint meist die Sonne, mal mit, mal ohne Regen. Ich teste die Terrasse aus, muß aber manchmal flüchten. Nachmittags gibt es ein kurzes, heftiges Gewitter mit nur einem einzigen Blitz, das erste, das ich auf den Azoren erlebe.
Die Nacht über kommen einige starke Regengüsse runter. Seit Tagen hält sich die Vorhersage eines Regenbands für morgen. Weil ich immer noch keine Lust habe, bei Regen zu wandern, will ich heute die nächsten beiden Etappen zusammenlegen und in der Fajã da Caldeira de Santo Cristo einen Regentag einlegen. Unterwegs entscheide ich mich, Hauptstraße zu laufen, vielleicht kann ich ja trampen. Bei den Bauern mit ihren Jeeps probiere ich es erst gar nicht, die fahren selten weit. Von den PKWs hat lange auch keiner gehalten. Viele winken mir zu, manche zeigen mir sogar den Daumen, was wohl heißen soll, das sie mein Wandern gut finden, aber wenn ich mal den Daumen zeige, passiert nichts. Vielleicht ist ja die alte Bedeutung durch das Internet verdrängt worden und die denken alle, daß ich Ihr Auto gut finde oder sie like? Nach 6 Kilometern hält ein älterer Herr. Ich steige ein und wäre zufrieden, wenn er mich nur ein Stück die Straße mitnimmt, aber er fährt mich sogar bis zum Beginn des Wanderwegs in die Fajã.
Auf 700 Meter Höhe ist es heute empfindlich kalt. Ich ziehe die Regenhosen über. Der Abstieg in die Fajã ist eine schöne einfache Wanderung. Ich habe Zeit und mache mehrmals Rast. Unterwegs liegt ein kleiner Wasserfall, der auch zum Abseilen von Touristen genutzt wird. Es gibt eine Holzleiter zum unteren Ende, bei der zwei Sprossen auf einer Seite abgebrochen sind. Sehr wackelig.


Diesen Einschnitt geht es hinunter
Wasserfall


Fajã da Caldeira de Santo Cristo
mit Lagune
Unten ist das erste Haus gleich das Guesthouse, wo ich zwei Nächte gebucht habe. Ich werfe meinen Rucksack dort ab und sehe mir den Ort an. Auf dem Damm der Lagune laufe ich so lange, bis ich an die Stelle komme, wo die Lagune durch einen Kanal zum Meer geöffnet wurde. Warum man diese Verbindung ursprünglich geschaffen hat, konnte mir niemand sagen. Heute erzeugt das eindringende Meerwasser genau das Biotop, das man für die Muschelzucht benötigt. Dafür muß man den Kanal zum Meer jedes Jahr wieder ausbaggern. Riesige Wellen rollen auf den Damm zu und enden doch jedes Mal nur wenige Meter von mir entfernt.


Gästehaus und Surfzentrum in der Caldeira de Santo Cristo
Brandung an der Öffnung der Lagune zum Meer
Für das Interpretationszentrum bin ich zu spät, das schließt 16 Uhr. Ich trinke in der Bar ein Bier und gehe wieder zur Unterkunft. Die Wirtsleute erwarten noch zwei weitere Gäste, die wegen nicht fahrender Fähren nicht kommen. So sitzen wir nur zu dritt am Abendbrottisch. Der Hausherr hat ein Fischgericht gemacht.
Ich verbringe den Tag damit, den Wlan-Empfang zu verbessern, habe aber nur geringen Erfolg. Ich kann nicht orten, wo das Signal herkommt, die Pegelanzeige ist zu grob und zu erratisch. Ich finde nur raus, wo beim LTE-Router welche Antenne sitzt und wie rum man ihn für optimalen Empfang halten muß.


An einer Stelle liegen mehrere dieser Eisenkugeln
Das Meer brandet gegen die Lagune, im Hintergrund Graciosa
Die Wirtsleute bemühen sich sehr um mich. Ich bin der einzige Gast, die anderen beiden gelangen zwei Tage lang wegen stürmischer See nicht auf die Insel. Es gab einige Erdstöße der Stufen 3 bis 4, die allerdings niemand mitbekommen hat.
Heute geht es bei vorwiegend schönem Wetter weiter. Der Vermieter meint, ich könnte in Fajã do Ouvidor in einem Haus übernachten, also ist das heute mein Ziel. Ich gehe die Küste entlang bis Fajã do Belo. Die Häuser des Ortes werden gerade in Ferienquartiere umgewandelt. Gestern hatte ich vom Besitzer des Gästehauses erfahren, daß der ganze Ort von einer Firma aufgekauft worden war, er aber die Konkurrenz nicht fürchtet. Er hat mehr zu bieten, als nur für 3 Monate im Jahr Urlaubsquartiere.


Fajã do Belo
Fajã dos Cubres
Weiter an der Küste entlang, kommt man zur Fajã dos Cubres, die auch sehr schön ist. Es führt ein fast nicht überschwemmter Steg quer durch die Lagune. Ich mache zwei schöne Panoramen.



Beim Aufstieg aufs Plateau nehmen mich zwei französische Touristen ein Stück mit dem Auto mit. Den Rest laufe ich meist über Schotterstraßen.


In der Fajã do Ouvidor angekommen, frage ich im Restaurant nach der Unterkunft. Eine alte Frau macht mir ein Bett im Haus gegenüber zurecht. Die Einrichtung stammt vermutlich noch aus dem vorvorigen Jahrhundert. Speziell Geschirr ist genügend vorhanden, das reicht für 10 Aussteuern.

Hinter dem Haus sitze ich eine Weile beim Bier und schaue den Wellen zu, die in den Hafen donnern und alles überfluten. Ich unterhalte mich lange mit Freunden in Deutschland, bis mir zu kalt wird.


Leider hatte ich nicht sofort das warme Wasser überprüft und abends will ich nicht experimentieren, wie man den Gasboiler anbekommt. Fernseher und Wlan gibt es nicht und der LTE-Empfang im Haus ist auch nicht besonders. Die Leuchtstoffröhre im Wohnzimmer flackert und geht aus und die Klospülung ist abgedreht und macht beim Anstellen komische Geräusche. Ich habe das Gefühl, alles, was ich anfasse, geht kaputt. Einiges sicher auch, weil ich der erste Mieter im Jahr und unverhofft gekommen bin. An Heiligenbildern herrscht kein Mangel und mir sehen Jesus und Maria beim Schlafen zu.
Früh funktioniert der Gasboiler und ich kann heiß duschen. Weil irgendwo das Gas für den Herd abgedreht ist und ansonsten nur eine Mikrowelle dasteht, verzichte ich auf Kaffee und nehme lieber einen Cappuccino im Restaurant gegenüber. Ich will heute 1000 Meter hoch zum höchsten Berg der Insel.
Die Azorianer sind sehr stolz auf ihre Inseln. Fast jede Unterhaltung fängt an mit: "Sind Sie das erste Mal auf den Azoren?". Mittlerweile kann ich antworten: "Ja, aber schon einen Monat.". Und dann rattere ich meine schon besuchten Inseln herunter. Das macht Eindruck, denn auf Corvo waren viele der Einheimischen noch nie. :-)
Auf 500 Meter Höhe verschluckt mich der Nebel und es nieselt leicht. Vom Wetterbericht weiß ich, daß es abends sonniger werden soll. Außerdem steigen nach meiner Beobachtung die Wolken im Lauf des Tages meistens höher. Also mache ich ausgiebige Pausen am Wegesrand, und beides bewahrheitet sich. Oberhalb von Norte Grande treffe ich den letzten Bauern, danach den ganzen Tag niemanden mehr.




Nach Erreichen des zentralen Höhenrückens mache ich die letzte längere Pause und warte darauf, daß sich die Wolkenfetzen vom Pico da Esperança, mit 1053 Metern der höchste Berg der Insel, verzogen hatten. Ich will oben freie Sicht über die ganze Insel haben.
São Jorge ist eigentlich keine Wanderinsel. Um das zu werden, bräuchte sie Wanderwege. Klar ist es schön, wenn man die breite und hervorragend planierte Schotterstraße auf dem Höhenrücken als Wanderer mitbenutzen darf, aber die ist optimiert für Autos und führt an allen Gipfeln vorbei. Der einzige Berg, den man besteigen darf, ist genau der Pico da Esperança. Zu diesem Zweck führt ein 400 Meter Abstecher auf den Gipfel. Der Weg ist nicht markiert und nach 10 Minuten hin und her und hoch und runter bin ich wieder an der Erklärungstafel, wo ich schon mal war, nur 5 Meter höher. Ab da verliert sich der Weg in einem Hangrutsch und 5 Meter weiter oben treffe ich ihn wieder. Hier hätte man wirklich mal ein paar Stufen für einen direkten Aufstieg spendieren können!
Der Weg führt schön um beide Kraterseen herum. Der eigentliche Gipfel ist recht flach. Auf dem Rundum-Foto ist deshalb nicht besonders viel von der Insel zu sehen.

Es gäbe es noch viele weitere Gipfel, Seen, Krater zu erkunden, nur führt da kein Weg hin und querfeldein soll man im Naturpark auch nicht laufen.
Ein ähnliches Problem der Inkompatibilität zwischen Wanderern und Autofahrern gibt es auch bei den Aussichtspunkten entlang der Hauptstraßen. Der Autofahrer ist froh, wenn er sich mal die Füße vertreten kann, und genießt das stehen. Der Wanderer dagegen wünscht sich, nachdem er Kilometer auf Asphalt mit Kuhscheißebelag, eingezwängt zwischen Elektro- und Stacheldrahtzaun ohne Rastmöglichkeit gelaufen ist, endlich einen Platz zum Ausruhen. Sitzplätze, womöglich noch Holzbänke, gibt es an Aussichtspunkten nirgends.

Ich gehe den lokalen Wanderweg PR4 entlang des Höhenrückens bis zum Ende, überquere die von Urzelina kommende Hauptstraße und hoffe, auf dem Plateau danach eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Auf einem verwilderten, mit weichem Gras bedeckten Seitenweg schlage ich mein Zelt auf. Ich habe Blick über eine große Wiese, in der Nähe liegt im Wald ein verwunschener Kratersee.


Zelt auf 800 Meter Höhe
Unterteil der Feuerkanne als Ständer für den Alkoholkocher
Das nächste Regenband ist angekündigt, aber bis es mich erreicht, habe ich noch zwei trockene Tage. Die will ich nutzen, um bis zur Westspitze zu kommen.
Mit dem Aufstehen lasse ich mir viel Zeit, weil ich immer noch auf die Sonne hoffe, vergeblich. Ich gehe weiterhin den Höhenrücken entlang, der nach Westen hin sanft flacher wird. In Beira komme ich an der zweiten großen Käsefabrik der Insel vorbei. Nach den Käseetiketten im Laden zu urteilen, gibt es drei davon, die dritte habe ich aber nicht gefunden.

Am Abzweig von der Hauptstraße nördlich der Fabrik gibt es einen Grill- und Erholungsplatz, der auf der Karte noch nicht eingezeichnet ist. Ich hole mein Kochzeug raus und mache eine heiße Schokolade. Der Alkohol muß weg, ehe ich nach Graciosa fliege.




Tagesziel ist der Rastplatz "Parque Florestal das Sete Fontas". Ich hoffe, dort mein Zelt aufschlagen zu können. Als ich dort 17 Uhr auftauche, ist niemand weiter da. Ein Schild erklärt die Parkregeln. Punkt 10 ist: Verboten ist: "The practice of camping or the exercise of trade, without proper authorization and/or outsider the places for that purpose.". Ich interpretiere das so, daß campen erlaubt ist, sobald ich den dafür vorgesehenen Platz gefunden habe. Ich gehe das Gelände komplett ab. Ausgeschildert ist Camping nirgends. Vermutlich wurden die Terrassen am oberen Ende mal dafür angelegt und so baue ich mein Zelt oberhalb des Wasserspeichers einigermaßen sichtgeschützt auf. Ich möchte nicht in eine Diskussion mit jemandem verwickelt werden, der sich mit formaler Logik nicht so gut auskennt. :-)

Der Garten ist zauberhaft, mit vielen blühenden Büschen und komplett mit Moos überwachsenen Steintischen und -bänken. Dazu viele Teiche mit frei herumlaufenden Gänsen und ein Wildgehege mit Rehen. In der Nacht überstimmen sich Kühe und Rehe beim Brüllkonzert.
Ich wache nachts auf, weil in der Nähe ein Ast herunterfällt und später etwas, das wie ein großer Tannenzapfen klingt. Im Halbschlaf wundere ich mich, weil die Bäume über mir ganz kleine Zapfen haben. Früh finde ich weder Ast noch Zapfen. Vielleicht war das das Erdbeben?
Vom Rastplatz sind es nur 7 Kilometer bis zur Spitze, die ich ohne Unterbrechung laufe. Unterwegs überholen mich zwei deutsche Touristinnen und ich mache mir schon Hoffnung auf eine Rückfahrgelegenheit. Leider ist ihr Auto zu klein und voll. Sie berichten mir von dem Erdbeben, was sie im Bett gespürt haben. Die Leute sollen die Insel in Scharen verlassen, so daß es keine Plätze auf den Fähren mehr gibt. Bei nächster Gelegenheit checke ich meine App der Unwetterwarnungen der Azoren, da sind jeden Tag nur Beben der Stärke 2 bis 4 verzeichnet.
An der Westspitze gibt es einen alten, schön restaurierten Walausguck, von dem man einen herrlichen Ausblick auf das Meer und die Insel hat. Außerdem umrunde ich noch das Leuchtturmgelände, das leider abgesperrt ist.


Blick vom Walausguck nach Osten
und nach Westen
Danach mache ich mich entlang der Südküste auf den Weg nach Velas. Ab Ponte könnte ich den Bus nehmen, der dort kurz vor 15 Uhr von Velas kommend wendet. Ich bin schon 13 Uhr in Ponte und trinke in der Bar an der Haltestelle einen Kaffee. Ein Farmer fragt mich, ob ich vom bevorstehenden Vulkanausbruch gehört hätte. Wissenschaftler würden den vorhersagen, oder ein schweres Erdbeben. Ich frage ihn, was er machen will. In den Türrahmen stellen, der Klassiker. Was man hier hauptsächlich am Erdbeben fürchtet, sind nicht einstürzende Häuser, sondern daß der weichgeschüttelte Boden abrutscht. Die meisten Fajãs (die, die nicht durch Lava-Ströme entstanden sind) haben sich auch durch Landrutsche entwickelt.


Weil ich noch viel Zeit habe, laufe ich dem Bus entgegen. In Rosais kaufe ich noch im Supermarkt ein. Eine Weile spiele ich mit dem Gedanken, im Zelt zu übernachten. Dann bekomme ich eine SMS der Katastrophenwarnung, die Sturm und Starkregen vorhersagt.

Die letzten 4 Kilometer bis Velas fahre ich tatsächlich mit dem Bus als einziger Fahrgast. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, daß der Zeltplatz noch geschlossen ist, und keinen Windschutz bietet. Also doch Hotel.
Wegen der abgesagten Fähre von Pico hatte ich die Nacht vor dem Weiterflug ohnehin schon im Hotel Garden gebucht, nun nehme ich die zwei Tage davor mit dazu. Ich kaufe im Supermarkt für 3 Tage ein, dann beginnt der Regen.
Das Zimmer ist eigentlich perfekt. Überdachter Balkon mit Ausblick auf das Meer und einen schönen Garten. Trotzdem leider bei Sturm und Regen nicht zu benutzen.

Es stürmt und regnet den ganzen Tag. In einem kurzen regenfreien Moment am Vormittag gehe ich kurz raus und lasse mich vom Wind durch die Gegend blasen. Auch da bekomme ich eine Dusche ab. Ich konsumiere die Simpsons.


Ein Hauch von Hollywood liegt über der Stadt
Ein weiteres dieser Wandbilder. Wer da wohl abgebildet ist?

Um 4 Uhr nachts hört der Regen und Wind auf und ich sehe die Lichter von Pico. Um 7 Uhr ist alles wieder verhüllt. Der Wind hat nachgelassen, aber es regnet den ganzen Tag. Ich schaffe es gerade in den Supermarkt und sehe mir im Regen den Felsenbogen am Strand an. Heute müssen die Rückstände im Blog aufgeholt werden.


Blick vom Balkon
Ödes Reporterleben. Warten auf 5 Sätze über das Erdbeben.
Graciosa
Gegen zwei werde ich wach und sehe die Sterne. Der Regen ist vorbei.
Zeitumstellung! Wegen des Abfahrtstags hatte ich mir den Wecker gestellt und der bimmelt bei ungewohnter Helligkeit. Im Hotel ist Militär in Tarnuniformen untergebracht und vor der Küste fährt ein graues Boot entlang. Wegen der Ukraine oder dem Vulkan?
Sonntags fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel. Ich checke aus und der Mann an der Rezeption versucht 10 Minuten lang mir ein Taxi zu bestellen. Alles ausgebucht, wegen Massenflucht von der Insel. Macht nichts, ich habe Zeit und kann auch noch mal 6 Kilometer laufen. Ich frage ihn noch, wann das Hotel gebaut wurde. Die ältesten Teile schon nach dem Erdbeben von 1980. Er hält das Hotel für sehr erdbebensicher. Ich wünsche ihm Glück und mache mich auf den Weg.

Wieder den Wanderweg hoch, der am Botanischen Garten anfängt und dann auf einer kaum befahrenen Straße im Hinterland, damit ich noch was Neues kennenlerne.
Ich gebe meinen Rucksack auf und warte auf das Flugzeug. Beide Flüge sind voll (der nach Terceira, wo ich zwischenlande, und der nach Graciosa). Dichte Quellwolken zeichnen die Umrisse São Jorges nach, außerhalb ist klarer Himmel. Ich bin der Katastrophe also erst mal entkommen!
Am Flughafen Graciosa stelle ich meinen Rucksack etwas abseits am Aussichtspunkt ab und packe um. Heute habe ich es nicht mehr weit, ich will nördlich des Flughafens bei Baleia zelten. Es scheint die Sonne.
Der Rast- oder Zeltplatz ist wie immer leer. Ich bin mir nicht sicher, ob man hier zelten darf, an einem Schild stehen Öffnungszeiten. Also mache ich erst mal mit der Feuerkanne Abendbrot und baue das Zelt erst kurz vor der Dunkelheit auf. Der Platz liegt direkt an der Straße und die Büsche an der niedrigen Mauer sind nicht dicht genug, um das Zelt vor aufmerksamen Autofahrern zu verbergen. Immer wenn der Wind von See kommt, bekommen die zwei Hunde der Anwesen gegenüber Witterung von mir und bellen. Glücklicherweise gaben sie irgendwann auf und ich hatte eine ruhige Nacht.

Früh gönne ich mir ein ausgedehntes Frühstück, bevor ich losziehe. Ich hatte am Flughafen immer noch 18 kg Rucksackgewicht. 1,2 kg davon ist ein Stein, den ich seit der Fajã da Caldeira de Santo Cristo mitschleppe, vermutlich ein Stück einer Lavabombe, wo dünnflüssige Lava poröses Material umschlossen hat. Sehr hübsch.

Bis ich den Hauptwanderweg erreiche, der von Santa Cruz kommt, laufe ich auf Nebenstraßen. Ich schaue mal nach, was es mit den vielen Wegen in OSM bei Guadalupe auf sich hat. Ich vermutete einen Park, aber das sind nur Feldwege. Die Insel steht voller Windmühlen. Einige sind noch vollständig erhalten und sehr dekorativ angestrichen. Der obere Teil konnte mit einer langen Stange manuell in den Wind gedreht werden.


Bei Lagoa erreiche ich die hier in Ost-West-Richtung verlaufende GR1. Sie führt südlich einer Hügelgruppe an vielen verlassenen Gehöften vorbei zur Caldeirinha. In einem der verlassenen Häuser finde ich im Innenhof etwas, was ich für den Überrest einer Weinpresse halte.


Die Caldeirinha ist ein kleiner runder Einsturzkrater. Hier ist ein Rastplatz eingezeichnet, den ich für eine Übernachtung in Erwägung gezogen hatte. Es ist aber nicht mehr als ein Steintisch mit zwei Steinbänken.


Neues Ziel ist der Zeltplatz bei Carapacho, der auf einer Webseite als wunderschön beschrieben wird. Um bis dahin zu kommen, muß ich mich etwas sputen. In Luz mache ich trotzdem am Supermarkt halt und nehme zwei 0,25 L Flaschen Bier mit, wie sie hier üblich sind. Nur für alle Fälle, denn eigentlich soll es ein Restaurant neben dem Camping geben. Der Zeltplatz ist in der Wanderkarte vom Tourismusverband einen Kilometer zu weit östlich und in OSM gar nicht eingezeichnet. Er liegt direkt an der Therme. Die Anlage ist wirklich wunderschön und sehr gepflegt. Das Eingangstor ist schwergängig, was mir einen kurzen Schrecken einjagte. Ich suche eine Weile nach dem allerbesten Platz, als sich die Beleuchtung einschaltet, und den optimalen Platz noch mal Richtung Meer verschiebt. Lieber lautere Brandung, als die ganze Nacht hell. Die Zeltplatz- und die Straßen-Beleuchtung illuminieren den Zeltplatz die ganze Nacht durch. Was für eine Verschwendung! Ich bin wie immer der einzige Zelter. Das Restaurant hat wegen Ferien geschlossen.


Ich bin heute von der Nord- zur Südspitze der Insel gewandert mit einem Schlenker nach Ost und West. Hauptsächlich auf Asphalt. Graciosa ist auch keine Wanderinsel.
Irgendeinen Haken gibt es ja immer. Auf diesem Zeltplatz sind es kleine schwarze Ameisen, die meinen Zeltboden besiedeln wollen. Wie viele ich davon auch zerquetsche, es kommen immer Neue. Statt Morgensonne, auf die ich mein Zelt optimal ausgerichtet hatte, gibt es Sprühregen. Ich beschließe, das Zelt stehen zu lassen und nur die wesentlichen Dinge mitzunehmen, und eine Runde zur Caldeira und zur Schwefelhöhle (Furna do Enxofre) zu unternehmen, der Hauptattraktion der Insel.
Damit ich auf dem Rückweg in Lutz noch Einkäufe machen kann, nehme ich den östlichen Weg zur Ringstraße um die Caldeira. Unterwegs treffe ich einen Deutschen, der von der Höhle kommt und aus dem Krater ein Stück querfeldein gelaufen ist, um auf den Zufahrtsweg zu gelangen. Von den Büschen ist er ordentlich naß geworden. Er ist unterwegs zu seinem Kreuzfahrtschiff im Hafen von Praja. Das Schiff kommt von Pico, wo sie wegen Seegang nicht anlanden konnten. Nächste Station ist Festland-Portugal.


Ich schaue mir die Encantada-Höhle oben auf dem Kraterrand an, entdecke auch den Weg um den Krater auf dem Rand, der in keiner Karte verzeichnet ist, von dem ich aber einen Track habe. Nur einen Weg in den Krater finde ich nicht. Nach genauerem Kartenstudium und ein wenig hin- und herlaufen sehe ich, daß man von der Ringstraße nach Nordwesten absteigen muß, um über eine andere Zufahrtsstraße und einen Autotunnel ins Innere zu kommen. Noch wandererfeindlicher geht es kaum! Man hat auf den gesamten 4 km Kraterumfang keine Stelle gefunden, wo sich ein Fußweg oder eine Treppe nach innen anlegen ließe? Frustriert laufe ich auch noch den einen Kilometer Asphaltstraße bis zur Höhle.


Die Höhle selbst ist beeindruckend. Für die Hälfte des angeschlagenen Preises von 5 € bekam ich Zutritt. Es geht einen Betonturm 30 Meter hinunter. Unten überspannt eine sehr ebenmäßige riesige Höhlendecke einen kleinen Teich mit einem Ruderboot drauf. In einer Ecke blubbert ein kleiner Schlammvulkan vor sich hin, den man schon beim Betreten der Höhle deutlich riecht. Alles dezent ausgeleuchtet.




Ein kleiner Schwefel-Stinker
Im Eingangsgebäude wird der Kohlendioxid-Gehalt der Höhlenluft überwacht.
In mir keimte bald die Frage auf, was denn die dünne Höhlendecke eigentlich oben hält und wie lange das wohl noch gutgeht. Ich war froh, als ich wieder lebendig draußen war und auch den Zufahrtsweg hinter mir hatte, der über die Höhlendecke führt. In einem Bauwagen klopften vier Leute Karten und donnerten die Karten so laut auf den Tisch, daß es noch 500 Meter weiter zu hören war. Ich fürchte das Schlimmste.
Im Krater ist außerdem noch ein großer Rastplatz, wo ich auch hätte übernachten können und von wo sogar ein Fußweg zur Höhle geht. Ich sitze eine Weile am Sumpf, von dem ein ohrenbetäubendes Froschkonzert ausgeht. In Luz kaufe ich ein und bin schon 2 Stunden früher als gestern am Zeltplatz, wo mich die Ameisen schon erwarten. Es sind mehr geworden.
Am Morgen durchnäßt dünner Nieselregen mein Zelt, bevor ich es einpacken kann. Aus dem Sonnenaufgang wird auch heute nichts. Erst halb zwölf bin ich abmarschfertig. Heute gehe ich am östlichen Inselrand bis nach Praja, dem Hafen-Ort und weiter nach Santa Cruz, der Inselhauptstadt.




Auf der Webseite des Campingplatzes bei Praja hatte ich gelesen, daß er wegen Umbau geschlossen ist, also nehme ich in Santa Cruz ein Hotel. Ich buche nicht voraus, sondern gehe einfach vorbei. Es stehen genügend Unterkünfte zur Wahl. Im Inatel will man für zwei Nächte 160 € haben, 4 € mehr als bei Booking.com, die ja 15% Gebühren draufschlagen. Ich handele sie noch um die 4 € herunter und bekomme ein schönes Zimmer mit Blick auf den Hafen, wo nur zwei Boote liegen. Ich schaue mir Deutsche Welle an und komme erst kurz vor Mitternacht zum Wäsche waschen.

Heute ist ein Hoteltag mal ohne Regen. Ich stehe spät auf, besichtige vormittags den Ort und kaufe ein. Auf einer Flasche mit weißem Portwein entdecke ich ein Rezept für einen seltsamen Cocktail: Weißer Portwein, Tonic, Eis und Minzeblätter. Tonic gibt es dort, am Nachmittag mache ich mich auf die Suche nach Minze. An vielen Stellen der Insel roch es bisher sehr aromatisch nach Minze, aber auf der Wanderung über den Hausberg von Santa Cruz werde ich leider nicht fündig.

Auf dem Berg stehen die Stierkampfarena und drei Einsiedeleien.



früher: Einsiedelei schön und gut, Hauptsache es kommt etwas im Fernsehen!
heute: Einsiedelei schön und gut, Hauptsache es gibt Empfang!
São Miguel
Abflug ist erst 16 Uhr und es sind nur 2 Kilometer bis zum Flughafen, ich kann früh also noch faulenzen und räume das Zimmer erst kurz vor zwölf. Beim Gang in den Ort entdecke ich auch den Zeltplatz. Das Schild steht 2 Meter entfernt von der Stelle, wo ich gestern einen Fußweg zum Hotel genommen hatte, der sich nicht als Abkürzung herausstellte, weil das Türchen zum Hotelgelände abgeschlossen war. Das Sanitärgebäude ist nur eine Ruine, aber es gibt einige windgeschützte Stellplätze auf der Wiese, Wasser, Strom und wohl auch Beleuchtung, die Elektrik sieht intakt aus.

Heute zieht wieder ein Regenband über die Azoren, weswegen ich mir ein Zimmer in einem Haus am Flughafen Ponta Delgada gebucht habe. Morgen Mittag soll wieder die Sonne scheinen, wenn ich zu meiner letzten Wanderung in die große Caldera im Westen der Insel aufbreche.
Das Flugzeug hat wegen schlechtem Wetter zwei Stunden Verspätung und auf dem einen Kilometer vom Flughafen zum Quartier regnet es ordentlich, aber ich bin wieder auf der Insel, von der aus es Richtung Heimat geht. Der Vermieter spendiert mir eine Fischsuppe und ich begebe mich zeitig zu Bett.
GPS: 37.748342, -25.701807
Nachts regnet es stark, aber am Morgen erwartet mich strahlend blauer Himmel mit einzelnen Quellwolken. Ich gehe an der Küste Richtung Westen bis zum Einstieg in den Wanderweg hinunter zur Fajã Rocha da Relva. Kurz vorher lasse ich mein Gepäck am Aussichtspunkt zurück. Das ist mal ein schöner Wanderweg, nur für Wanderer und Esel. Na gut, ein Motorrad kommt auch. Ich laufe den Weg bis zum Ende und sehe mir die teils überhängenden Gesteinsmassen oben an der Küste an, die irgendwann noch herunterkommen werden. Man muß schon gut im Verdrängen sein, wenn man hier lebt.


Danach gehe ich Richtung Gebirge im Westen. Auf halber Höhe gibt es einen Picknickplatz Charquinho das Moças, der sehr nett aussieht. Ich bin schon 15 Uhr dort. Den Platz bewohnen 5 Katzen, die sich häufig bei mir blicken lassen. Ich mache mir meine vorletzte Trek'n'Eat Mahlzeit warm und lege mich in die Sonne, bis sie fast untergegangen ist.


Zu der Zeit noch einsamer Rastplatz
Jetzt habe ich Minze, fehlt das Eis
Dann baue ich Zelt auf. Kurz danach kommen 3 Autos mit Leuten, die eine Grillparty machen. Klar, es ist Sonnabend Abend. Glücklicherweise suchen sie sich eine Feuertonne aus, die weit genug entfernt liegt. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt bemerkt haben. Die Party geht bis 1:40 Uhr, dann fährt das letzte Auto vom Gelände.


Morgens hole ich noch etwas Nachtschlaf auf und komme deshalb spät aus den Federn. Ich bemerke eine Maus, die trotz der 5 Katzen auf dem Platz, davon 2 in Sichtweite, quer über die Wiese läuft.


Zusammen mit den Wolken steige ich langsam auf die Höhe von 800 Metern auf. Der Wetterbericht hatte moderate Winde vorhergesagt, aber hier oben herrscht Sturm, der mich fast wegweht. Mit Rucksack und außen angeschnallter Isomatte biete ich dem Wind viel Angriffsfläche. Auch bläst es mir dauernd meinen Regenschutz vom Rucksack, so daß ich mir aus einer Cent-Münze und einem auf Corvo gefundenen Schnürsenkel eine obere Befestigung bauen muß. Für besonders dem Wind ausgesetzte Sattel warte ich einen Moment ab, in dem der Wind kurz nachläßt, bevor ich drüber haste.

Die Seen von Serra Devassa sind sehr hübsch, soweit ich sie im Nebel erkennen kann. Nördlich des Lagoa do Canario gibt es einen großen verwilderten Rastplatz im Wald, auf dem man unentdeckt übernachten könnte, aber ich wollte heute noch bis Sete Cigades, dem Ort im Vulkankrater.


Mein Weg geht links durchs Gebüsch
Am Abgrund
Der Abzweig zum Pico da Cruz war sehr unscheinbar, daß ich ihn nicht auf Anhieb gefunden hatte. Man geht danach eine Wiese entlang, neben der es links abrupt hunderte Meter steil abwärts geht und kommt zu einer schwierigen Stelle, wo man nur 5 Meter senkrecht den Hang hinauf muß. Der Weg wurde zu einer metertiefen rutschigen Lehmrinne ausgetreten. Auch wenn man nicht abrutscht, saut man sich zumindest die Klamotten ein. Ich nehme eine Alternative über eine dick mit Moos bewachsene Wand, das auch jeden Moment abzureißen droht. Wacklige Kiste!

Nach dem Pico de Cruz gelangt man kurze Zeit später auf den Kraterrand von Sete Cigades. Oben hat ein Fahrweg platz, von dem es rechts und links fast senkrecht hinab geht. Auf diesem Weg umrundet man langsam Höhe verlierend die Kraterseen, bis man im Norden in den Ort absteigen kann. Als die Seen und der Ort das erste Mal sonnenbeschienen vor mir auftauchen, ist das ein wunderschöner Anblick. Was für ein Kontrast zu dem ungemütlichen Wetter hier oben!
Ich hatte gehofft, daß der Wind am Boden des Kraters nachlassen würde, aber weit gefehlt! Über den See pfiff der Wind genauso und verursachte ordentlich Wellen und Hochwasser am Ufer. Ein paar Golfer probierten sich trotzdem auf dem Anfängerkurs am Ufer aus.

Ich fürchtete, keinen geeigneten Zeltplatz zu finden, aber die Sorge war unbegründet. Abseits vom See ließ der Wind nach und der Zeltplatz liegt etwas oberhalb, umgeben von Bäumen und Hängen mit Bäumen obendrauf. Der Zeltplatz ist vor allem eines: riesig. Als ich ankam, stand ein weiteres Zelt einsam auf den Terrassen. Es gehörte einem Pärchen aus Tschechien. Der Sanitärbereich ist verwahrlost. Eine der Außenduschen lief offensichtlich seit langer Zeit ständig, weil der Hahn defekt war. Ich brauche wieder lange, um den optimal windgeschützten Platz mit Morgensonne ohne Baumumfallrisiko zu finden, und als ich mein letztes Tütensüppchen fertig habe, ist es dunkel.

Ursprünglich hatte ich vor, die andere Seite des Kraterrandes abzuwandern und noch mal auf diesem Zeltplatz zu übernachten, aber der Zeltplatz erscheint mir so unattraktiv, daß ich meinen Plan ändere. Es gibt im Norden einen Tunnel, durch den das Wasser des Sees in einer Levada nach draußen geführt wird. Den will ich benutzen und so nach Mosteiros an die Küste gelangen, wo 16:35 Uhr der letzte Bus nach Ponta Delgada fährt. Das ist noch mal ein Abenteuer zum Schluß.

Die Sonne kommt erst um 9 Uhr zum Vorschein und ich verbringe einige Zeit damit, alle restlichen Vorräte zu verfrühstücken. Das exotischste, was ich noch hatte, war Kakao-Marmelade (aus den Früchten, nicht bloß den Bohnen). Einfach nur süß. Erst halb Zwölf komme ich los.


Seeabfluss
Tunneleingang
Am Tunneleinstieg steige ich um auf Badelatschen und kremple die Hosenbeine hoch. Vor wenigen Stunden noch war die Levada so voll, daß sie auf den Weg daneben übergelaufen ist. Es hängen an vielen Stellen noch tropfnasse Algen über den Rand. Als ich losgehe, war das Hochwasser des Sees zurückgegangen und die Levada nur halbvoll. Am Beginn stand das Wasser auf dem Fußweg neben der Levada stellenweise 5 Zentimeter, am Ende durchgehend 10 Zentimeter hoch. Zwischendurch gab es auch ein paar trockene Stellen. Auf so einer lag ein kleiner Fisch und schnappte nach Wasser. So konnte ich mir am Abend mit dem Wasserkocher des Hotels noch eine leckere Fischsuppe machen. Kleiner Scherz! Natürlich habe ich den Fisch gerettet und in die Levada befördert. Ich hatte ja noch eine Fischbüchse dabei, die ich beim Frühstück ausgelassen hatte.


Geretteter Fisch
Wassereinbruch
An einer Stelle schoß von links Wasser aus der Felswand, was man aber ohne naß zu werden umgehen konnte. Der Tunnel ist 1,2 Kilometer lang und ich war froh, das andere Ende erreicht zu haben, ohne auf ein unüberwindliches Hindernis zu stoßen.


Der weitere Weg nach Mosteiros im Sonnenschein war sehr angenehm. Vor der Küste des Ortes stehen einige interessante Felsformationen, auf denen Vögel brüten. Das Warten auf den Bus war wie immer spannend, weil 15 Minuten lang ungewiß blieb, ob ich mich vielleicht doch im Fahrplan geirrt hatte. Ich war der Einzige an der Haltestelle.



Ich hatte einen kompletten Akku verbraucht, mir die vielen Übernachtungsmöglichkeiten in Ponta Delgada im Internet anzusehen. Etwas Luxus darf es zum Abschluß schon sein. Am spannendsten klingt für mich das Hotel Talisman, mitten im Zentrum. Das hat etwas noblen Chic. Ich frage an der Rezeption und bekomme für 3 Tage ein Zimmer 20 € günstiger, als wenn ich bei Booking.com gebucht hätte. Das Zimmer liegt im ersten Stock und hat sogar einen kleinen Balkon auf eine ruhige Seitengasse.

Das Frühstücksbuffet ist das beste aller Hotels in diesem Urlaub. Früh scheint die Sonne und ich erkunde planlos die Uferpromenade. Danach schreibe ich bis zum Abend Blog.



Früh schickt mir die Fluggesellschaft TAP eine Mail, daß ich das Passenger Locator Form ausfüllen muß, was erst geht, wenn ich Online Check In gemacht habe, weil ich die Sitzplatznummer brauche. Wie immer muß ich mich an das moderne Tabu halten und die Frage, ob sich jemand an meinem Gepäck zu schaffen gemacht haben könnte, mit "Nein" beantworten. Die Frage war vor 20 Jahren, als der Check In am Schalter mit gleichzeitiger Gepäckabgabe erfolgte, schon nur begrenzt sinnvoll, schließlich kann mir ein Geheimdienst alles Mögliche unterjubeln. Für den Online Check In müßte die Frage korrekt heißen, ob sich niemand an meinem Gepäck zu schaffen gemacht haben wird. Eine idiotische Frage! Wie soll ich etwas ausschließen, das erst in der Zukunft eventuell passiert? Trotzdem muß die Frage von Milliarden von Menschen immer wieder beantwortet werden. Und wehe, man schreibt wahrheitsgemäß "Ja" hin. Keine Ahnung was dann passiert.
Zum Schluß scheitere ich mehrfach am Anti-Captcha. Das sind Captchas, die für eine Maschine leicht zu erkennen sind, nur von Menschen nicht, schon gar nicht auf einem Handy-Display in praller Sonne, so wie dieses hier:

Kann man da nicht mal jemanden mit einem Antidiskriminierungsgesetz verklagen? Diskriminierung von Farbenblinden sowieso, aber Diskriminierung von Menschen allgemein? Selbst wenn man das Captcha richtig erkennt und eingibt, wird es trotzdem abgewiesen. Einfach so. Macht Spaß, den Antragsteller zu knechten.
Am Ende bekomme ich ein paßwortgeschütztes PDF zugeschickt, was ich noch ausdrucken soll. Darf's noch eine Hürde mehr sein? Welcher Online Druckdienst verarbeitet denn so was?
In der Stadt ist ein Musikfestival, von dem ich nicht viel mitbekomme, weil es in geschlossenen Räumen stattfindet. Eintritt kostet 60 € für die ganze Woche, was fair ist, mir für einen Tag aber nichts nützt. Ich gehe lieber ins Museum. Weil es die 3 städtischen Museen für zusammen 5 € gibt, klappere ich alle drei ab. Ein ganz schönes Sammelsurium aus Naturkunde, Sakralkunst und zeitgenössischen Künstlern.










Abends nutze ich vor Sonnenuntergang noch den kleinen Pool auf dem Dach. Das hätte ich öfter machen sollen. Den ganzen Urlaub über habe ich übrigens nicht einmal im Atlantik gebadet.
Frühstück, mit Taxi zum Flughafen, Heimflug. Das war's.
Ich werde wohl noch mal wiederkommen. Es gibt noch einiges auf São Miguel zu entdecken und Santa Maria soll auch schön sein.

