
Rennsteig 2021
Tom Schilling
Für meine Mutter
Impressum
Auflage September 2023
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland
Dieses Buch ist ein Ausdruck der Webseite
"https://www.tom--schilling.de/wandern/
gedruckt im Selbstverlag
Die auf der Webseite herunterladbare PDF-Datei ist im Format A5 gedruckt, damit sie auf eBook-Readern oder Handys mir kleinem Bildschirm unterwegs optimal gelesen werden kann. Fotos sind in dieser Version naturgemäß winzig. Benötigt man größere Formate, kann die WEBSEITE (nicht dieses PDF) mittels der Druckfunktion des Browsers in beliebigen Größen ausgedruckt werden. Für elektronische Versionen ist ein Browser auf Chromium-Basis (wie Edge oder Vivaldi) zu empfehlen, weil er die Verlinkung des Inhaltsverzeichnisses zu den Kapiteln ins PDF übernimmt, wenn über "Als PDF speichern" gedruckt wird.
Für Ausdrucke auf Papier empfehle ich chlorfrei gebleichtes Papier, das aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern stammt, in denen Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden und das mit FSC- oder blauem Engel-Siegel zertifiziert wurde. Wohlhabenden empfehle ich darüber hinaus einen Ausdruck in Farbe, damit die vielen Fotos zu Geltung kommen.
Sollten Sie mehr als 25 Druckexemplare anfertigen, denken sie bitte daran, ein Pflichtexemplar an die Deutsche Nationalbibliothek zu schicken, siehe
"https://www.dnb.de/DE/Professionell/Sammeln/
Mehr Informationen zum optimalen Druck dieser Webseite finden Sie auf
"https://www.tom--schilling.de/programmieren/
Inhalt
- Vorbereitung
- Hörschel → Hirschsteinhütte
- Hirschsteinhütte → Brotteröder Hütte
- Brotteröder Hütte → Hütte am Sperrhügel
- Hütte am Sperrhügel → Adlerhütte
- Adlerhütte → Neustadt
- Neustadt → Weidmannsheil-Hütte
- Weidmannsheil-Hütte → Clemens-Major-Hütte
- Clemens-Major-Hütte → Kurfürstenstein
- Kurfürstenstein → Lichtenberg
- Rückfahrt


Download dieser Seite als .pdf
2021 - Zu Fuß auf dem Rennsteig unterwegs von Eisenach nach Blankenstein
L 168 km, H 6140 m, R 5990 m, Z 9 Tage
Inhalt
- Vorbereitung
- Hörschel → Hirschsteinhütte
- Hirschsteinhütte → Brotteröder Hütte
- Brotteröder Hütte → Hütte am Sperrhügel
- Hütte am Sperrhügel → Adlerhütte
- Adlerhütte → Neustadt
- Neustadt → Weidmannsheil-Hütte
- Weidmannsheil-Hütte → Clemens-Major-Hütte
- Clemens-Major-Hütte → Kurfürstenstein
- Kurfürstenstein → Lichtenberg
- Rückfahrt
Vorbereitung

Nachdem ich die letzten 2 Monate damit verbracht hatte, diese Webseite auf Vordermann zu bringen, wollte ich unbedingt vor Einbruch des Winters noch eine längere Wanderung machen. Meine Wahl fiel auf den Rennsteig. Der war mir von mehreren Seiten empfohlen worden, besonders auch, daß viele Schutzhütten als Übernachtung zur Verfügung stehen. Außerdem steht er in meinem Führer der schönsten Trekkingrouten Europas, braucht nicht viel Vorbereitung und ist einfach zu erreichen.
Mein Bruder hatte mir eine Leporello-Karte aus der Bibliothek besorgt und mir Hinweise zu lohnenden alternativen Wegführungen gegeben. In einigen Beschreibungen wird der Rennsteig in 30-Kilometer-Etappen in 6 Tagen begangen. Mit nur noch 11 Stunden Tageslicht, spätem Aufstehen und Zeit für Abstecher hatte ich von vornherein nur 20 Kilometer pro Tag eingeplant. Die meisten Wegbeschreibungen starten in Eisenach. Ich hatte keine besonderen Präferenzen, also machte ich das auch so.
Im Internet fand ich die Beschreibung zweier Projekte, die sich um 2010 zur Aufgabe gemacht hatten, die Schutzhütten zu beschreiben. Leider war keines von beiden heute noch online. Nützliche Dinge vergißt das Internet sehr schnell. :-)
Letztendlich fand ich auf einer französischen Webseite einen Track mit einer deutschen Beschreibung vieler Hütten des Weges. Daraus ließ sich schon erahnen, daß viele der 80 Schutzhütten nicht für eine Übernachtung infrage kamen. Ich suchte mir die vielversprechendsten Hütten aus, so daß ich auf Tagesetappen von 20 km kommen würde.
Am 4. und 5.10. sollte ein Regenband über Deutschland ziehen. Das wartete ich noch ab und kaufte mir am 5. abends mein Zugticket.

Hörschel ↣ Hirschsteinhütte
L 15 km, U 196 m, O 469 m
Die Anreise von Dresden aus geht richtig fix. Eisenach liegt an der Strecke Dresden - Frankfurt, die sehr häufig befahren wird. 9:55 Uhr starte ich in Dresden-Strehlen, 12:46 Uhr bin ich in Eisenach. Noch 3 Stationen mit der Regionalbahn und ich stand kurz nach 13 Uhr am Bahnhof Hörschel, dem Startpunkt. Die Regenfront war tagsüber durchgezogen und ab und zu zeigte sich die Sonne.

In Hörschel verlangt es das Ritual der Rennsteigwanderer, zuerst einen Stein aus der Werra zu holen, den man die ganze Strecke mit sich herumträgt und am Ende in die Selbitz wirft. Der Steinerwerb gestaltet sich sehr einfach, gibt es doch extra ein Becken mit vorbereiteten Steinen am Startpunkt. Inmitten von vielen trockenen Steinen lag ein einzelner nasser. Der war meine Wahl.


Nach dem Ort geht es über Wiesen sanft hinauf zum Großen Eichelberg. In der Schutzhütte an der einzigen verbliebenen Eiche hätte ich gerne übernachtet. Mit Tisch und breiten Bänken in der Hütte und nochmal einer Sitzgruppe davor ist man für alle Wetterlagen gerüstet und hat Wartburgblick. Mein Ziel für heute liegt aber noch 10 Kilometer entfernt. Wegen des Anreisetags plante ich für heute nur eine halbe Etappe und hatte mir die Hütte an der Hofmannlinde als Nachtquartier ausgesucht.

Kurz nach dem Eichelberg betrete ich den Wald, den ich für einige Tage nicht mehr verlassen werde. Ich schaue mir auch die nächsten Hütten an, die sind schon nicht mehr so urig wie die erste. Die Bänke werden schmaler, da braucht es gutes Balancegefühl. Die schmale Isomatte in meiner Ausrüstung ist auf Bankübernachtung zugeschnitten, für den groben Schotter auf dem Boden ist sie eher ungeeignet.
Ich gehe den kleinen Abstecher zum Wartburgblick, dem ersten von einigen, die noch kommen werden. Viel zu sehen ist noch nicht.

Der Weg ist außer durch Wegweiser wie am Startpunkt durch unzählige weiße "R" markiert. An vielen Stellen hängen alte Wanderschuhe oder sind an die Bäume genagelt. Das ist dann natürlich kein Müll, sondern stilvolle Dekoration. :-)

Weiter geht es entlang einer Waldkante. Ausgerechnet hier, wo ich kein Blätterdach über mir hatte, begann es zu regnen. Ich ignorierte das und wechselte nicht auf Regensachen und tatsächlich hörte der Regen bald wieder auf. Kurz berührt man bei Clausberg nochmal einen Ausläufer der Zivilisation, dann war ich wieder allein im Wald.


Hobbit-Bau in Stahl und Glas?
Sie kommt näher!
Meine geplante Übernachtung erwies sich als luftige Angelegenheit. Ich hatte noch knapp zwei Stunden Tageslicht und beschloß weiterzugehen um was Besseres zu suchen. Neues Ziel war die Schutzhütte am Hirschstein.

Die Hütte am Vacher Stein war zwar hübsch anzusehen, hatte aber zu schmale Bänke und die Krumme Kahre war innen banklos. Rechtzeitig vor Einbruch der Dämmerung erreiche ich die winzige Hütte am Hirschstein. Die schmale Bank im Inneren ist genauso lang wie ich. Was Besseres ist heute nicht mehr zu erreichen, also bleibe ich. Die Quelle liefert Wasser und speist damit ein Kneipp-Becken. Ich habe damit zwar 2 Liter Wasser umsonst von Dresden hergetragen, muß aber wenigstens nicht sparen.

Ich mache draußen auf dem Tisch Abendbrot. Es gibt das erste von drei wasserhaltigen Fertiggerichten, dazu Tee und als zweiten Gang Käse und Wein. Ich schleppe 7 komplette Tagesrationen mit (3 wasserhaltige und 4 dehydrierte), dazu Frühstück und Snacks. Mit 2 Liter Wasser, Zelt für den Notfall, Schlafsack, Kochzeug, Wechselklamotten, 2 Kameras und 2 Smartphones komme ich mal wieder auf 20 kg Startgewicht. Ich freue mich also über alles, was ich konsumiere und nicht länger tragen muß.
Kurz über der Quelle zieht die Wasserleitung Luft, was zu erratischen Gurgelgeräuschen führt. Zusammen mit dem Plätschern der zwei Ausflüsse ergibt das eine dauernd wechselnde Geräuschkulisse, die alle anderen Geräusche der Nacht übertönt.
Nach einem anfänglichen Versuch, auf der schmalen Bank zu schlafen, ziehe ich doch lieber auf den Holzfußboden um. Ich habe leider eine Unterlegfolie vergessen, muß also darauf achten, mit dem Schlafsack auf der schmalen Matte zu bleiben. Im Licht der Taschenlampe entdecke ich, daß zwei Spinnen im Eingang ihre Netze weben. Bis zum Morgen hatte ich das wieder vergessen und nehme die Netze beim Herausgehen mit.
Hirschsteinhütte ↣ Brotteröder Hütte
L 20 km, U 300 m, O 747 m
Ich habe gut geschlafen. Weil mir die Drachenschlucht als Highlight abseits des Rennsteigs empfohlen wurde, beschließe ich, nochmal einen Kilometer zur Hohen Sonne zurückzugehen und mir die Schlucht anzusehen. Ich verstecke meinen Rucksack oberhalb der Hütte im Wald und breche gegen 9:30 Uhr auf. Der Weg geht von der Hohen Sonne nach Norden Richtung Eisenach. Der Text auf der Beschreibungstafel weckt hohe Erwartungen: "Auf Sie wartet ein unvergessliches Erlebnis in einer beeindruckenden Felsenlandschaft."
Wenn man wie ich gerade in den Alpen unterwegs war, sollte man diese Erwartungen erst mal durch Faktor 10 teilen. Statt "Drachenschlucht" hätte es auch "Eidechsenschlucht" getan. Eidechsen gab es auch keine.

Als ich am rechten Hang einen schmalen zugewachsenen Weg aufwärts entdecke, nehme ich den und gehe auf der anderen Seite der Straße im Wald zu meiner Hütte zurück. Die 2-Stunden-Wanderung ohne Gepäck war eine nette Abwechslung. Weiter geht es auf dem Rennsteig.

Nach einem Kilometer kommt eine Tafel, die an den Orkan Kyrill erinnert, der 2007 wie in vielen anderen Regionen auch hier viele Bäume umgerissen hat. Der plötzliche hohe Arbeitsaufwand zur Bewältigung dieser Masse an Bäumen und zum Wiederaufforsten ist natürlich unschön. Trotzdem stößt es mir sauer auf, wenn man so tut, als hätte man durch Kyrill 200.000€ Verluste eingefahren. Die 4800 Festmeter Fichtenholz sind ja anders als bei einem Waldbrand nicht weg, sondern lassen sich immer noch verkaufen. Zwar ist der Holzpreis 2007 mal kurz auf die Hälfte eingebrochen, man hat dadurch aber nur nicht mit maximalem Gewinn verkaufen können, sondern mit weniger Gewinn. Wiederaufforstung und Zäunung sind für mich normale Investitionen, wenn man in Zukunft was ernten will. Nebenbei bringen Douglasie, Eiche, Buche und Kirsche auf dem Holzmarkt mehr als Fichte. Wer dank Kyrill als erster seinen Wald darauf umstellen kann, macht möglicherweise noch extra Profit.
Die Holzpreise habe ich hier nachgeschlagen: wald-prinz.de

Ein wenig abseits vom Weg liegt die Rennsteiggrotte, die ich als Übernachtungsalternative auf dem Plan hatte und mir deshalb ansehen wollte. Ist eigentlich ganz nett wenn es nicht regnet oder zu stark windet. Sozusagen Boofe-Deluxe.
Ich hatte heute noch kein Trinkwasser für den Abend gefunden. Am Tag brauche ich fast nichts und einen Liter hatte ich noch im Rucksack, das wäre aber zu knapp für Abendessen und Frühstückskaffee. Unverhofft stoße ich auf die Fredis-Quelle, die sich als ein unbrauchbares Schlammloch erweist. Die Waldschänke Dreiherrenstein hat Mittwoch und Donnerstag geschlossen. Obwohl Rauch aus dem Schornstein kommt, läßt sich niemand draußen blicken, den ich um Wasser bitten könnte. Wahrscheinlich könnte man am Hahn im Hof Wasser zapfen, aber ich versuche erst mal die Quelle der Emse zu finden. Die fließt laut Karte nördlich in 100 Meter Abstand parallel zum Rennsteig. Der Beginn der Emse ist schnell gefunden. In der Talsenke geht ein Weg entlang und nach 300 Metern entspringt direkt neben dem Weg ein Rinnsal. Mittels Plastiktüte, die ich in eine flache Stelle lege, fülle ich meine Flasche in zwei Anläufen voll mit klarem kalten Wasser. Der Abend ist gerettet. Zurück am Dreiherrenstein treffe ich zwei Radfahrer, die sich das Wasser vom Hof beschaffen und dann weiterfahren.

Mein Ziel ist heute erst mal die Brotteröder Hütte. Die erreiche ich, als die Sonne gerade hinter den Bäumen verschwindet. Sie ist nach allen Seiten offen, für die Nacht ist aber kein Wind angesagt, das könnte klappen. Etwa 500 Meter weiter den Rennsteig entlang kommt auf dem Beerberg rechterhand die Beerberggrotte. Die will ich mir unbedingt noch ansehen, falls sie schöne Aussicht hat, würde ich umziehen. Ich lasse meinen Rucksack in der Hütte und besteige den Beerberg. Die Grotte erweist sich als sehr flaches Loch im Berg, in dem zwei Menschen gerade so nebeneinander liegen können. Die beiden Radfahrer von vorhin sind schon dort und richten sich häuslich ein.

Zurück in der Hütte esse ich Abendbrot und mache es mir auf der Bank für die Nacht bequem. Ich könnte morgen früh Sonne haben, die mir das Aufstehen erleichtern würde.
Brotteröder Hütte ↣ Hütte am Sperrhügel
L 20 km, O 916 m, U 688 m

Morgensonne gab es keine. Früh stieg Nebel auf und machte den Schlafsack klamm. Bei der letzten Inspektion der Hütte vor dem losgehen entdecke ich eine halbvolle Flasche "POTT"-Rum über dem Eingang, wo auch wirklich noch Rum drin war. Schade, daß mir die nicht gestern aufgefallen war, sonst hätte ich Tee mit Rum gehabt. Gleich nach dem losgehen ärgere ich mich nochmal, daß ich mir nicht wenigstens ein Fläschchen vom Rum abgefüllt habe. Aber nochmal den Weg zurückgehen will ich auch nicht.



Der Nebel verzaubert den Wald. Oben auf dem Großen Inselberg ist er allerdings so dicht, das kaum was zu sehen ist. Das ist auch besser so, denn es wird gebaut und es stehen Bauzäune und Müll herum. Für die schlechte Aussicht sind eine ganze Menge Leute unterwegs.


Weil Thüringen früher aus vielen Kleinstaaten bestand, die sich alle voneinander abgrenzen mußten, ist der Weg gesäumt von unzähligen Wegsteinen, teilweise 500 Jahre alt! Immer dort, wo drei Länder zusammenstießen, gab es auch Dreiherrensteine.


Die Neue Schmalkalder Hütte hat mir sehr gut gefallen. Breite Bänke, Veranda, schön am Waldrand gelegen, mit Wasser in der Nähe, es war alles perfekt. Nur die Zeit stimmte nicht, es war viel zu früh um zu bleiben. Ich nehme wenigstens Wasser für Abendbrot und Frühstück mit.

Etwas später treffe ich auf diese Betonquader, die die Überreste einer Seilbahn sind, mit der Diabas ins Tal befördert wurde. Diabas ist ein alter Basalt aus dem Karbon-Zeitalter. Basalt wiederum ist erstarrte Lava. Er ist sehr hart und verwitterungsbeständig und wurde damals wie heute im Wege- und Straßenbau verwendet.


Entlang des Weges gibt es mehrere "Ausspannen". Das waren die Stellen, wo die zusätzlichen Pferde, die für den Anstieg zum Kamm vor die Kutsche gespannt wurden, wieder ausgespannt wurden. Berg runter schafften die normalen Pferde das alleine.

An einigen Stellen wurden stählerne Aussichtstürme errichtet, die in viele Richtungen einen unverstellten Blick auf den Wald bieten. Schön, daß man noch historische Fotos angebracht hat, was man früher alles sehen konnte!



Wer konnte denn ahnen, daß die Bäume noch wachsen würden?
Die zwei Bäume in der Mitte markieren schon mal, was man später von hier (nicht) sehen wird.
Gegen 17:30 Uhr erreichte ich mein Ziel für heute, die Schutzhütte am Sperrhügel. Das Mobiliar in der Hütte ist beweglich. Ich kann den Tisch vor die Bank und diese an die Wand schieben und mir dadurch eine Schlafecke bauen. Nachteil der Beweglichkeit ist, daß alles kippelig ist. Man läuft nicht nur Gefahr von der schmalen Bank zu fallen, sondern sie auch umzureißen.


Hütte am Sperrhügel ↣ Adlerhütte
L 20 km, U 768 m, O 973 m
Die Nacht war wegen der kippeligen Bank für mich recht unruhig. Die Temperatur fiel laut Wetterbericht auf 4°C. Das halte ich mit Daunenjacke in meinem im Oberteil schon recht daunenlosen Schlafsack gut aus.

Morgens schlafe ich lange aus, bis endlich die Sonne kommt. Viel kommt im Wald zwar nicht unten an, trotzdem hebt das die Stimmung.


Die Schutzhütte an der Ausspanne war in meinem Track noch als abgebrannt beschrieben, aber dieser Holzstapel läßt Gutes erahnen. Von Bänken und Tisch ist noch nichts zu sehen, die werden hoffentlich noch dazugestellt! Auf den Stapel war obendrauf ein Zettel mit einer Danksagung gepinnt. Leider ohne Nennung des Verfassers, bei dem man sich über das entsetzliche Geschwafel beschweren könnte. :-)


Es gibt auch Aussicht. Auf Wald, worauf denn sonst?
In der Kamel-Hütte finde ich diesen auf allen Seiten nett bemalten Stein.
Am Rennsteighaus Oberhof nutze ich die sanitären Anlagen und fülle mein Wasser auf. Auf der Bank vor dem Eingang kann man unbegrenzt Karma-Punkte sammeln. Ein stetiger Strom von Menschen kommt vom Parkplatz, um die Toiletten zu benutzen. Jeder bleibt kurz vor der Tür stehen, in Erwartung, daß sie sich automatisch öffnen wird. Das tut sie aber nicht, um nicht Hirsch und Wildschwein einzulassen. So kurz vor der Tür stehend, hat der Besucher schon verloren. Er kann den Öffnungsknopf nicht sehen, der links schräg hinter Ihm an der Wand ist. Manche winken jetzt dem vermeintlichen Türöffner oder spähen durch das Glas nach Innen, um jemand zu finden, der ihnen öffnet. Letztendlich bleibt nichts weiter übrig, als sich den Zettel an der Tür durchzulesen, der auf den Öffner hinweist. Das ist der Moment, wo man mit einem "Links neben Ihnen!" einen erleichterten, dankbaren Blick erntet.
Wenn ich länger drüber nachdenke, wäre das mal eine Anwendung für eine KI (Künstliche Intelligenz), die einen Menschen vom Wildschwein unterscheiden kann. Wenn das möglich ist. :-)



Gegen 16:30 Uhr erreiche ich den mit 793 Meter höchsten Punkt des Rennsteigs. Wie man leicht erkennen kann, geht es hinter dem Schild noch höher. Ich gehe den flachen Hang hoch auf der Suche dem Gipfel des Großen Beerbergs. Es scheint hier einige Beerberge zu geben, ich hatte schon an einem übernachtet. Man muß ja nicht immer kreativ sein! Berg mit Beeren drauf (oder Bären?) = Beerberg! Auf diesem Berg ist allerdings ein Hochmoor. Es ist gar nicht so einfach, den höchsten Punkt zu finden. Ich mache ein Panorama-Foto.

In der Adlerhütte waren die Bänke noch schmaler, aber wenigstens festgeschraubt, daß die Umkippgefahr nicht mehr bestand. Die Autos auf dem Parkplatz sind weit genug entfernt und haben nicht gestört.
Adlerhütte ↣ Neustadt
L 20 km, O 939 m, U 790 m
Nachts wachte ich auf, weil ganz in der Nähe ein Reh bellte. Es war stockfinster und mir rutschte erst mal das Herz in die Hose. Das Bellen entfernte sich langsam, ohne daß ich was tun mußte. Ich war mir sicher, daß es kein Hund war, aber daß Rehe bellen, habe ich erst zu Hause rausgefunden. YouTube


Lecker Frühstück
Sonne? oder hatte ich eine Erscheinung?
Früh hilft mir wieder die Sonne beim Aufstehen. Ich muß mich nicht mal nach draußen bewegen, sondern kann innen am Tisch frühstücken! Rundum Luxus.
Der Weg geht ab jetzt lange parallel zu einer Straße, die aber nicht stark befahren war und nicht weiter störte.
Der Typ der Schutzhütten änderte sich. Meist traf man jetzt auf Hütten mit fest eingebauten schmalen Bänken, unpraktisch zum drin sitzen (weil ohne Rückenlehne), und erst recht zum schlafen. Manchmal kamen auch Finnhütten mit verglaster Front mit Tisch und breiten Bänken, leider ohne Lehne. In einer der Finnhütten fand ich noch mehr Poesie an die Wand genagelt. Droht hier ein neuer Sängerkrieg?


Unterwegs kam ich zwar an vielen Sitzgruppen vor Hütten vorbei, aber alle lagen im Schatten. Erst am Bahnhof Rennsteig fand ich endlich eine Bank in der Sonne.

Nach Allzunah komme ich zum Mittelpunkt des Rennsteigs. Die Hälfte ist also schon mal abgehakt. Übermorgen soll eine Regenfront durchziehen. Mal sehen, wie sich das auf meine Motivation auswirkt, bis zum Ende zu laufen.


Auf den vielen Markierungssteinen am Wegesrand ist vermutlich durch Symbole markiert, was da wie angrenzt. Immer vorhanden ist eine zweizinkige Gabel, manchmal auch ein Pfeil.






Kurz vor Neustadt gibt es eine Mitfahrbank. Aus verschiedenen Richtungsschildern kann man eines herausziehen, sich auf die Bank setzten und warten, daß jemand anhält. Wie Trampen, nur mit von Profis gemachten Schildern. Nette Idee! Ich wollte trotzdem nicht testen, wie die Mitnehmbereitschaft in Coronazeiten ist, und bin weitergelaufen.

In Neustadt verlasse ich das erste Mal für längere Zeit den Wald, durch den ich jetzt 5 Tage gewandert bin. Die große Freifläche fühlt sich seltsam an.

Mein geplantes Etappenziel war die Schutzhütte an der Kleinteichwiese. Dazu hätte ich an der bis 19 Uhr offenen Tankstelle am Ortsausgang noch Wasser holen müssen (Es war Sonntag, der Supermarkt demzufolge geschlossen). Kurz vor Neustadt hatte ich darüber nachgedacht, daß ich auch im Hotel übernachten könnte, wenn ich ohnehin durch den Ort muß. Es gibt laut Karte 2 Hotels: den "Gasthof Hubertus" und das "Hotel Kammweg", mit etwas gehobeneren Preisen. Ich komme zuerst am Gasthof vorbei und frage nach einem Zimmer. Es ist ein Doppelzimmer im oberen Stock frei, zum Einzelzimmerpreis. Die Aussicht auf den Park ist nett, das nehme ich. Die Bänke hinter dem Haus, auf denen man in der Abendsonne sitzen könnte, sind schon abgebaut. So nehme ich mein Bier mit in den Park gegenüber und genieße die letzten Sonnenstrahlen. Morgen soll es den ganzen Tag bedeckt bleiben.
Beim Abendessen sehe ich, daß nicht viel los ist im Hotel. Mir gegenüber sitzt ein Pärchen aus Sachsen, mit denen ich erst spät ins Gespräch komme. Hinter mir unterhält jemand den Tisch mit Reiseberichten und rechts planen zwei Männer Tagesausflüge. Leider vergesse ich, ein Foto vom Hotel zu machen.
GPS: 50.583169, 10.933083Neustadt ↣ Weidmannsheil-Hütte
L 25 km, U 690 m, O 842 m
Ich schlief nicht besonders gut. Vermutlich setzt mir die ungewohnte Wärme im Gesicht zu. Meine Nase ist ja sonst immer auf Außentemperatur.
Das Frühstücksbuffet ist reichlich, ich lange ordentlich zu.

Beim Verlassen des Hotels bemerke ich einen grünen Flyer vom Rennsteigverein 1896 e.V. mit der Aufschrift "Gut Runst!". Ich wußte zwar, daß das der Gruß der Rennsteigwanderer ist, aber nicht, wo das Wort "Runst" herkam. Es widerstrebte mir, ein Wort zu nachzuplappern, das ich nicht kannte. Der Flyer liefert Aufklärung:
"Zur Pfingstrunst 1900 von Blankenstein nach Hörschel saßen die Mitglieder des Rennsteigvereins 1896 e.V. Prof. Dr. Ludwig Hertel, Prof. Dr. Carl Hartenstein, und Josef Berta in den Morgenstunden des 4. Juni 1900 auf der Bank an der Teufelsbuche und sprachen über die Notwendigkeit eines einheitlichen Rennergrußes. Da betonte Hertel, dass "Kunst" nicht nur von "können" sondern auch von "kennen" kommt. Darauf folgerte Berta, dass man "Runst" von "rennen" ableiten kann."
Nicht überliefert ist, wieviele Schnäpse die Drei zu dieser Zeit schon intus hatten (4.6.1900 war der Pfingstmontag). Man munkelt, daß später noch vereinbart wurde (als der Chronist nicht mehr folgen konnte), daß in Jahren, die auf eine Schnapszahl enden (wie 2022), der Weg auf einem Bein gehüpft werden muß. Und zwar in geraden Jahren auf dem rechten und in ungeraden auf dem linken! Ehrlich!
Gut Runst!
Um 9 Uhr kaufe ich im Supermarkt noch Snacks nach und bin um 10 Uhr an der Kleinteichwiese, dem gestrigen Etappenziel. Die Hütte wäre auch ganz nett gewesen, mit geraden Bänken, Tisch und Veranda. Eine Stunde später komme ich an einem einsamen Haus im Wald vorbei, wo es diesen Service gab.

Ich treffe danach auf einen äußerst minimalistischen Anstand und den Beginn eines Planetenweges. Leider habe ich keine Ahnung, wo die restlichen Planeten zu finden sind. Auf dem Rennsteig jedenfalls nicht.


Hochstand der Holzklasse
Ich liebe Planetenwege! Es ist so schwer, sich die riesigen Dimensionen im Weltall vorzustellen und Planetenwege helfen ein wenig.
Eine Wanderung auf dem Rennsteig ist in jedem Fall eine Bildungsreise. Es stehen unzählige Tafeln am Weg, die historische Begebenheiten oder geologische, botanische und andere Besonderheiten erläutern. In dieser Dichte habe ich das noch nirgendwo erlebt. Hier mal eine zufällige Auswahl:






Den Aussichtsturm auf dem Eselsberg schenke ich mir. Der ist endlich mal so hoch, daß man über die Bäume hinweg gucken kann, kostet dafür aber Geld. Es nieselt leicht und viel zu sehen ist eh nicht. Danach kommt mir eine Gruppe mit Lamas entgegen. Als Lasttiere sind die scheinbar nicht zu gebrauchen, jeder trägt sein Gepäck selbst. Aber niedlich frisiert sehen sie aus.


Aussichtsturm auf dem Eselsberg
Lama-Spaziergang
Ich passiere den Dreistromstein. An dieser Stelle fließt Wasser entweder in die Elbe, den Rhein oder die Weser. Leider ist die Stelle sehr flach. Ein Experiment geht schief, das Wasser versickert im Boden. Damit ist nicht mehr herauszubekommen, wohin es nun fließt.





Die Steinheider Hütte, die ich mir als Übernachtung ausgesucht hatte, liegt direkt an der viel befahrenen Straße. Gleich daneben ist der Wald durch Holzfäll-Arbeiten verwüstet. Das ist möglicherweise erst heute passiert, so daß damit zu rechnen ist, daß die Stämme morgen früh abgeholt werden. Die Schwarzaquelle suche ich in diesem Chaos auch nicht, ich habe genügend Wasser dabei.

Ich entschließe mich, die Etappe bis zur Weidmannsheil-Hütte zu verlängern. Sie wird im Track als 120 Jahre alte Pagode mit super Aussicht beschrieben.
Der Blick auf den Scheibe-Alsbach Stausee ist wirklich sehr schön! Ich komme gerade noch vor Sonnenuntergang an. Leider sind die Bänke außen alle naß. Ich verlege das Abendbrot nach innen. Es gibt rundum passabel breite Bänke aus Holzleisten und einen Tisch in der Mitte, den man leider von der Bank aus nicht erreichen kann. Durch Tür und Fenster an entgegengesetzten Wänden ist die Hütte sehr zugig.


Weidmannsheil-Hütte ↣ Clemens-Major-Hütte
L 14 km, O 846 m, U 770 m
Die Nacht verlief sehr unruhig. Neben dem Eingang steht ein Papierkorb. Als ich kam, hatte ich dem Müll darin mit dem Wanderstock festgedrückt, damit er nicht davonflattert. In der Nacht raschelte er ständig. Mäuse hatten sich unten durch die Mülltüte gefressen und inspizierten den Rest. Die lassen sich nicht dauerhaft verscheuchen, sie haben hier Hausrecht. An mein Essen kommen sie glücklicherweise nicht, das steht sicher auf dem Tisch.
Am nächsten Tag ist es nicht weit bis Neuhaus am Rennweg. Im Ort fällt mir das Geburtshaus von Heinrich Geißler auf, dem Erfinder mehrerer Gasentladungsröhren. Erst hinterher fällt mir ein, daß in dem Ort ja auch die Röhrenwerke Anna Seghers waren, die den sozialistischen Wirtschaftsraum mit hochwertigen Elektronenröhren beliefert hatten. Ich habe zu Hause noch einige liegen, für den Fall, daß sich Halbleiter doch nicht durchsetzen.
Daß Glasbläserei in Neuhaus immer noch eine Rolle spielt, sieht man am Weihnachtsbaumkugelverkauf schon im Oktober.


Geburtshaus von Heinrich Geißler, Erfinder
Weihnachtsbaumkugelwerksverkauf
Im Lidl stattete ich mich mit Snacks für den Tag und etwas Obst aus. Das Rennsteighaus Neuhaus liegt ein wenig abseits vom Weg. Ich hatte keinen Grund da hinzugehen, also lasse ich es. Am Ortsausgang saß ich in der Schutzhütte Igelsgieb den ersten Regenschauer des Tages aus. Danach hole ich auf dem gegenüberliegenden Friedhof Wasser. Den direkten in OSM eingezeichneten Weg gibt es nicht mehr, ich mußte ein Stück Weg zurückgehen.

Gestern hatte ich in einer Finnhütte ein Pärchen mit Zelt und großer Ausrüstung getroffen, die sie in einem Pulka hinter sich her zogen. Ich war nicht schlau geworden, was für eine Tour sie machen. Heute nun treffe ich kurz nach Neuhaus den ersten Rennsteigwanderer mit großem Rucksack, der wie ich in Schutzhütten übernachtet. Wir fachsimpeln kurz und er ist erstaunt, daß ich heute nur bis zur Clemens-Major Hütte will und gibt mir noch ein paar Hüttenempfehlungen.
Die zweite Rennsteigwanderin kommt mir im flatternden Regencape auf einer großen abgeholzten Fläche entgegen, als ich im winzigen Unterstand Rodeland Schutz vor dem Regen suche. Ich biete ihr den Sitzplatz neben mir an und orakle, daß der Regen bestimmt bald aufhören wird. Sie glaubt mir nicht und zieht weiter. Der Regen hört 5 Minuten später auf, was auch kein Wunder ist, denn das Wetter ist bestimmt von vielen separaten tiefen Quellwolken. Jede Wolke bringt ihre eigene Menge Wasser mit und nur unter den besonders dunklen Wolken regnet es.
Am Nachmittag komme ich an markanten Abraumhalden vorbei. Hier am Brand wurde Griffelschiefer gewonnen. Schiefer ist durch darüberliegende Gesteinsmassen verdichteter Ton. Wegen der schichtweisen Ablagerung des Tons in Wasser läßt sich Schiefer normalerweise leicht in der Ebene der ursprünglichen Tonplättchen zu Tafeln spalten. Der Schiefer am Brand wurde bei einer späteren Gebirgsbildung gefaltet und besitzt dadurch zwei Vorzugsrichtungen, in denen er bricht. Für die Gewinnung von Schiefertafeln also wertlos, für Griffel genau das Richtige. Angeblich hatten die Leute hier ein weltweites Monopol der Griffelherstellung!


Für den, der sich unter einer Schiefertafel nichts vorstellen kann, habe ich mal meine fotografiert. Der Griffel ist perfekt rund und ich staune, daß man so was aus den unregelmäßigen Steinen hinbekommen hat. Ich hatte mir bisher noch keine Gedanken darüber gemacht, wie man Griffel herstellt und wußte nicht, daß sie aus dem gleichen Material bestehen, wie die Tafel.

Vor der Clemens-Major-Hütte stehen 2 Transporter. Zwei Polen kochen auf dem Tisch in der Hütte ihr Mittag. Sie meinen, daß ich sie nicht störe und ich lasse mich auf der Bank gegenüber nieder. Die Hütte gefällt mir ausnehmend gut und obwohl es erst 15 Uhr ist, möchte ich gerne hier bleiben. Die nächste Hütte in meinem Track wäre die Weidmannsheil-Hütte (mal wieder), die als nicht so toll beschrieben wird und noch 10 Kilometer entfernt ist. Die Empfehlung des Rennsteigwanderers vom Vormittag finde ich nicht in der Karte.


Clemens-Major-Hütte ↣ Kurfürstenstein
L 18 km, O 785 m, U 618 m
Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne. Ich frühstücke gutgelaunt und war 9:30 Uhr wieder auf dem Weg.


In einer Rechtskurve an der "Kalten Küche" Spechtsbrunn überholte mich ein Holztransporter. Es gab einen lauten Knall und der Anhänger kippte nach links, bis die rechten Räder einen Meter in der Luft schwebten. Vor meinem geistigen Auge sah ich auch die Transportmaschine schon umkippen, aber der Fahrer hatte Glück und auf dem geraden Stück Straße richtete die Transportmaschine den Hänger wieder auf. Die linke Feder am Hänger war gebrochen. Keine Ahnung, ob der Fahrer wußte, wie knapp das gerade war.


Am Zollhaus Schildwiese stößt der Weg wieder auf die ehemalige Grenze. Einige große Tafeln erinnern an das Leid durch die Teilung Deutschlands. Eine erzählt eine kuriose Geschichte über 3 Häuser und ihre Bewohner, die zur DDR gehörten, sich aber nach dem Mauerbau hinter den Sperranlagen wiederfanden.

Auch sonst stehen am Rennsteig viele Hinweise auf die ehemalige Grenze. Übrigens wurden nicht nur "Republiksflüchtlinge" an der Grenze erschossen, sondern auch ein Schmuggler auf dem Weg IN die DDR. Hatte ich irgendwo anders auf einer Tafel gelesen.
Später stehen am Weg noch einige Tafeln zur Geschichte der Nutzung des Waldes. Das Bild des Waldes war in meiner Jugend geprägt von den vielen Harztöpfen, die fast an jedem Nadelbaum hingen. Mir ist nicht aufgefallen, wann die verschwunden sind.






Vor der Kirche Steinbach ist aus den dort gewachsenen Fichten ein Kunstpark entstanden. Die oben abgeschnittenen Stämme sind von verschiedenen Holzbildhauern zu Kunstwerken umgestaltet worden. Es ist nicht ganz einfach, die auf Zelluloid zu bannen (metaphorisch), weil die Umgebung sehr inhomogen ist. Meine persönlichen Favoriten sind die Coronakugel mit Krone von Walter Busch sowie die Katze und die Touristin von Judith Franke.






Mit den letzten Sonnenstrahlen komme ich an der Kurfürstenhütte an. Innen steht in einer Ecke ein großer Tisch, auf dem ich diagonal liegen kann. Das wird mein Schlafquartier für heute. Ich bereite mein letztes Tütengericht auf der Bank vor der Hütte zu. Zum Tagesausklang gibt es noch ein Glas Rotwein.

Kurfürstenstein ↣ Lichtenberg
L 24 km, O 725 m, U 415 m
Auf geht's zur letzten Etappe! Nachts weckte mich das laute Rascheln von Mäusen an Plastetüten. Diese Mäuse konnten auch oben auf den Dachbalken entlanglaufen und dadurch jeden Punkt der Hütte erreichen. Selbst auf meinem Tisch war ich vor Ihnen nicht sicher. Ich mußte meine restliche Verpflegung also ordentlich verteidigen.
Ich frühstücke wie die alten Römer im Liegen auf dem Tisch. Meine Vorräte sind sehr schön zusammengeschrumpft, ich muß immer weniger tragen.
Auch wenn mir in den letzten Tagen noch mehrere Rennsteigwanderer entgegenkamen, hatte ich doch immer die Hütten für mich alleine.
Gleich nach Brennersgrün gibt es im Wald wieder Kunst zu bestaunen. Vermutlich Kinderhände haben auf dem Waldboden viele kleine Dioramen gebaut. Ich nehme mir die Zeit, sie alle anzusehen.









Es bleibt den ganzen Tag neblig mit Sichtweiten um 100 Meter. Ich gehe wie in einer Blase. Die Wiesen sind naß und heute bereue ich mal, daß ich keine Wanderschuhe mitgenommen habe. Ich hatte meine Wanderschuhe in letzter Minute durch einfache Straßenschuhe ersetzt, denn Geröll- oder Schnee-felder waren auf dem Rennsteig nicht zu erwarten. Der nasse Lehm auf den Wegen ist allerdings für Schuhe ohne Profil sehr rutschig. Einmal schlage ich fast hin und kann mich mit dem Wanderstock nur wenige Zentimeter über dem Boden abbremsen. In Folge laufe ich wesentlich vorsichtiger und langsamer.


Tipi-Hütte für eine kurze Rast
Rundum Nebel
Mein Ziel für heute ist Lichtenberg. Ich hatte zu Hause bei Bahn.de und Rome2Rio nach Verbindungen von Blankenstein, dem offiziellen Ende des Rennsteigs, nach Dresden gesucht, aber nichts vernünftiges gefunden. Für bis zu 100 € schickt einen die Bahn auf eine Rundfahrt durch die Republik.
Die Lösung ist einfach: Man muß nur 3 Kilometer von Blankenstein nach Lichtenberg laufen und ist im bestens ausgebauten bayrischen Verkehrsnetz. In der Woche fahren mehrmals täglich Busse nach Hof und von dort geht jede Stunde was nach Dresden. Bus- und Zugticket (Regio120 Plus) zusammen kosten keine 30 €.
Ich hatte mir also Telefonnummern von einem Hotel und einer Pension in Lichtenberg herausgesucht und nur für den Fall, daß dort nichts frei ist, nochmal das Gleiche für Blankenstein.
Für die Strecke bis zur Selbitz nahm ich eine verkehrsberuhigte Variante, die ab Schlegel nach Südosten Richtung Seibis abzweigt und zuerst entlang des alten Grenz-Plattenwegs und später sehr schön am Muschwitzbach entlang führte. Eigentlich wollte ich an der Dorschenmühle über die thüringisch-bayrische Grenze und dann nach Lichtenberg gehen. Laut OSM gibt es an dieser Stelle seltsamerweise keinen Weg. Als ich dort war, stellt sich heraus, daß es zwar einen Weg über den Bach gab (die einzige Brücke auf viele Kilometer), der Weg aber durch ein "Betreten verboten" Schild blockiert war. Hier wächst auch 30 Jahre nach der Wende nichts zusammen.


Alter Grenz-Plattenweg
Wo kommen wir denn hin, wenn alle Ossies durch mein Grundstück latschen?
Ich respektierte das Schild und wanderte den Besitzer verwünschend entlang des Baches weiter. So kam ich doch noch zur Selbitz und konnte meinen Stein dort abliefern, wie es Brauch ist.



Hier muß ich mich endgültig zwischen Blankenstein und Lichtenberg entscheiden. Ich rufe in Lichtenberg im Burghotel an und es ist noch was frei. Von der Selbitz-Brücke führt ein Wanderweg bis zum Hotel.

Beim Abendessen im Hotel traf ich einen Rennsteigwanderer, der in der Pension im Ort untergekommen war. Er hatte die Strecke noch vor sich, war aber am Tag zum Einlaufen das Muschwitztal entlang gewandert und an der Dorschenmühle trotz Verbotsschild zurück nach Lichtenberg. Auch einen Stein hatte er schon aus der Selbitz. Wir unterhalten uns eine Weile. Weil er das Ganze in längeren Etappen geplant hat und früh starten will, können wir nicht bis Mitternacht beim Bier sitzen bleiben. Ich wünsche Ihm eine schöne Wanderung.
Rückfahrt
Vom Hotel aus brauche ich nur 5 Minuten bis zum Bushäuschen. Ich nehme den Bus 9:35 Uhr, kann also noch in Ruhe frühstücken. Fast die ganze Strecke bis Hof bin ich der einzige Fahrgast. Der Busfahrer versichert mir aber, daß der Bus zu den entsprechenden Zeiten auch rappelvoll mit Schulkindern ist.
In Hof schaffe ich es tatsächlich in 5 Minuten aus dem Automaten ein Ticket nach Dresden-Strehlen zu ziehen und erwische den Zug 10:27 Uhr auf die Minute. Auch in Dresden steige ich am Hauptbahnhof aus dem Zug aus, in die S-Bahn ein und fahre sofort los. Dadurch schaffe ich den Heimweg in Rekordzeit.
Ich beende damit eine schöne Wanderung und kann mich jetzt voll auf mein nächstes großes Projekt konzentrieren, die Um- und Überwanderung der meisten Azoren-Inseln im Februar/März nächsten Jahres.
