Wandererdenkmal

La Palma 2019

Tom Schilling

Für meine Mutter


Impressum

Auflage September 2023
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland

Dieses Buch ist ein Ausdruck der Webseite
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2019 - La Palma-Überquerung auf dem Kammweg von Süd nach Nord

L 131 km, H 10130 m, R 9800 m, U 1 m, O 2426 m, Z 15 Tage


Vorbereitung

Für den Herbst 2019 wird wegen der wirtschaftlichen Turbulenzen, ausgelöst durch Trump und Brexit, eine Rezession vorhergesagt. Die Firma will das erste Mal in ihrer Geschichte Weihnachtsferien einführen, alle sollen Urlaub und Überstunden abbauen. Ich habe keine Lust auf Weihnachts- und Silvester-Blues zu Hause und buche mir einen Flug nach La Palma.

Ich war vorher schon zwei Mal auf La Palma, jedes Mal mit festem Quartier und Auto. Diesmal will ich eine Längs-Durchwanderung von Süd nach Nord unternehmen. Der zentrale Höhenrücken bietet sich ja dafür an. Von der Nordspitze will ich dann entlang der Westküste wieder nach Süden gehen, so weit ich in der Zeit komme.

La Palma Topo Karte mit Übernachtungen nichts La Palma-Karte mit Track
OSM-Karten von La Palma mit allen Übernachtungen und dem im voraus erstellten Track.

Den Track hatte ich mir vor der Wanderung mit QMapShack zusammengebastelt. Bevor jemand tragisch und sinnlos verdurstet: Die Wasserstellen darin bezeichnen die Stellen, wo ich Wasser vermutet hatte, nicht die, wo ich wirklich welches gefunden hatte!



  Anreise

Pünktlich 7:10 Uhr ging der Flixbus von Dresden Hauptbahnhof nach Berlin Tegel. Die Autobahn war fast leer, bis auf einige andere Flixbusse. Der Fahrer konnte fast jede Minute einen anderen Flixbusfahrer grüßen. Der Flughafen Tegel dagegen war sehr voll, ich hatte Mühe mir einen Sitzplatz zu ergattern, um die Zeit bis zum Abflug zu überbrücken. Von Tegel flog ich über Madrid nach La Palma.
Ich hatte erwartet, wegen des Feiertags lange auf einen Bus nach Santa Cruz warten zu müssen, aber anscheinend fuhren die Busse nach Wochenfahrplan und ich kam nach 10 Minuten mit. Ist der 26.12. in Spanien kein Feiertag?
Mein schon vorab gebuchtes Zimmer im Hotel Castillete hatte Meerblick, was dadurch erreicht wird, daß alle Zimmer lange schmale Schläuche mit einem Balkon auf der Meerseite sind.

Hotel Castillete GPS: 28.687765, -17.759668
Hotel Castillete am nächsten Morgen

Gleich nach dem Einchecken begann ich die wunderschön weihnachtlich erleuchtete Stadt zu erkunden. Erste Priorität hat wie immer, Gas zum Kochen zu bekommen. Im Spar gab es keines, aber im Hyperdino wurde ich fündig. Es gab im Regal Stechkartuschen für 1,25€ und eine einzelne Kartusche mit CampingGaz-System ohne Preis, die aussah, als wäre sie schon einige Male vom Laster gefallen: verbeult, verrostet, mit Lackschäden und dreckig. Eigentlich war mir der Typ egal. Ich hatte für beides Adapter auf das Primus-System mit, aber mein CampingGaz-Adapter ist schlanker. Ich nahm beide mit zur Kasse und fragte nach dem Preis. Die CampingGaz-Kartusche sollte immer noch 7,10€ kosten. Da war die Wahl klar, sie wanderte wieder ins Regal zurück.

Uferpromenade
Uferpromenade weihnachtlich erleuchtet

Abends setze ich mich noch im Dunklen an den Strand und genieße die warme Brise.


  Südspitze ↣ Fuencaliente

K km 7, L 7 km, U 1 m, O 722 m

Früh nahm ich den Bus nach Fuencaliente. Nach kurzem Aufenthalt im Ort bringt mich der gleiche Bus bis zur Südspitze hinunter. Wie immer möchte ich eine Durchquerung in voller Länge machen und vom südlichsten Punkt der Insel starten.

An der Bushaltestelle fiel mir ein Pärchen aus Tschechien auf, die La Palma nur als Aufwärmtour für den Teide nehmen wollten. Sie planten ebenfalls draußen zu übernachten, hatten aber jeder nur 7 kg Gepäck mit. Ihre Ultraleichtrucksäcke spannten sich, als ob sie gleich zerplatzen würden. Ich dagegen war mit 22 kg Rucksackgewicht eher wie ein Packesel unterwegs. Leider waren sie viel schneller als ich und ich habe sie nach Fuencaliente, wo sie in meiner Pension übernachteten, nicht nochmal gesehen.

Salinen Südspitze

Südspitze

Ich sehe mir die Salinen an und gehe bis ganz nach Süden. Beim fotografieren des Startpunkts stelle ich fest, daß ich die Kamera (eine Fuji X100F) versehentlich in den Spezialmodus Vignettierung gestellt habe. Seit dem ersten Bild heute morgen haben alle Fotos Randabschattungen. Ich bekomme es nicht intuitiv hin, das abzuschalten. Alles was ich im Auswahlmenü für Effekte tun kann, ist einen anderen Effekt (z.B. Schwarz-Weiß-Foto) auszuwählen, nur "keinen Effekt" gibt es in diesem Menü nicht. Ich versuche auf meinem kleinen Smartphonedisplay bei strahlendem Sonnenschein die Stelle in der Bedienungsanleitung zu finden, die mir weiterhilft. In weiser Vorahnung hatte ich mir das PDF schon vorher aufs Smartphone geladen. Anhand der gemachten Fotos sehe ich später, daß ich 19 Minuten gebraucht habe, um eine Lösung zu finden!
Die Bilder der Kamera sind schön und die Bedienung mittes elektronischem Durchsichtssucher ist einmalig, aber die Menüs und die vielem Bedienknöpfe und -räder sind eine Katastrophe und die 200-seitige Anleitung ebenfalls! Immer wieder passiert es mir, daß ich sie vergesse auszuschalten und beiläufig in die Tasche stecke und dabei auf irgendwelche Knöpfe und Rädchen drücke. Dadurch stelle ich versehentlich irgendwas ein, was ich im Leben nie nutzen würde. Ich habe noch nicht mal den Blitz benutzt! Letztendlich müßte ich die komplette Anleitung mit allen Spezial-Effekten, Filmsimulationen etc. auswendig lernen, um aus jeder Situation wieder in die Grundstellung zu kommen. Ich war frustriert und wütend.

Nordblick
Auf geht's!

Die Gegend ist geprägt vom Vulkan Teneguía. Der breite Wanderweg geht zwischen zwei erstarrten Lavaströmen des 1971er Ausbruchs nach Norden und kürzt einige Serpentinen der Fahrstraße ab. Nachdem er sich von der Straße getrennt hat, sehe ich links einen kaum erkennbaren Pfad eine Asche-Düne hochsteigen. Den nehme ich und komme so von Süden direkt auf den Vulkan.

Weg zum Teneguía Lavastrom

Blick zurück nach Süden. Der Weg geht im hellen Band links entlang.

Nippel Los Quemados

Blick nach Westen nach Los Quemados. Da hatte ich mit Kerstin 1997 ein Appartement gemietet.

Vor der ebenfalls schon im voraus gebuchten Pensión Central in Fuencaliente telefoniere ich mit dem Vermieter, daß er mich einläßt. Ich bekomme das Zimmer rechts neben der Tür mit Blick auf die Straße. Nicht so überwältigend, weil einem jeder Passant ins Zimmer guckt. Dafür kann ich die Dachterrasse nutzen und sitze dort noch bis weit nach Sonnenuntergang. Der örtliche Chor probt anscheinend in der nahen Kirche ein Stück und stundenlang ertönt immer die gleiche wohlklingende Melodie.

Pensión Central Kirche von Dachterrasse aus
GPS: 28.494687, -17.844367
Pensión Central

  Fuencaliente ↣ Volcán El Duraznero

K km 18, L 11 km, U 722 m, O 1912 m

Frühstück gibt es in der Pension keines, dafür gibt es einen Gutschein für den Bäcker. Wenn man das Glück hat, der einzige im Laden zu sein, kann man innen am winzigen Tisch auf einem Barhocker sitzen. Ein opulentes Frühstück verbietet sich da von selbst. Der Kaffee und etwas Gebäck waren aber alles, was ich früh wirklich brauche.

Wandererdenkmal Gedenktafel
Ein Denkmal für uns Wanderer!

Am Beginn des Pfades hat man uns Wanderern ein Denkmal gesetzt. Sieht mir irgendwie ähnlich! Das habe ich noch nirgends gesehen.
Der gepflasterte Weg verwandelt sich schon bald in einen Fußweg. Im Gegensatz zu gestern kann man heute im Schatten von Bäumen gehen, was die Sache wesentlich angenehmer macht.

Waldweg Abstecher

Abstecher zum Lavaausfluß

Am Kilometer 12 meines Tracks unternehme ich einen ersten Abstecher zu einem Lava-Ausfluß. Ich bin auf der Suche nach Höhlen, weil sie die Chance auf Trinkwasser bergen. Ich habe zwar noch genug von Fuencaliente mit, das wird aber nur für maximal zwei Tage reichen und ich muß nachtanken. Auf einem Grat sind Wasserquellen recht unwahrscheinlich, erst recht im Vulkan-Gelände. Ich will also jeden Hinweis auf Wasser untersuchen.

Tal-Eingang Höhle

Höhle

Ich gehe das Tal bis ganz nach oben. Ich finde zwei schmale Höhleneingänge und einige Überhänge, aber kein Wasser. Einen Kilometer weiter gibt es Pfade zu einigen Löchern im Berg. Leider auch hier kein Wasser.

Wasserstellen leider trocken

leider trocken

Zur großen Höhle in der Südwand des Einsturzkraters östlich vom Volcán de Martin bin ich nicht gekommen. An den Bäumen im Vordergrund bin ich wieder umgedreht, der Abstieg wurde mir zu beschwerlich und ich will heute auch noch vorankommen.   :-)

Höhle im Krater
Höhle im Krater

Der Weg verläuft grandios in einer Mondlandschaft entlang der Vulkankette. Zwei Stunden später habe ich schon ordentlich Höhe erreicht. Ich beginne, mir einen Schlafplatz zu suchen und finde ihn in einem kleinen Seitental. Nachdem ich die Kienäpfel im Bachlauf entfernt hatte, ergab sich eine gut gepolsterte Liegefläche.

Blick nach Norden erster Zeltplatz
GPS: 28.575317, -17.841724

Erster Zeltplatz


  Volcán El Duraznero ↣ Reventón-Paß

K km 31, L 13 km, O 1895 m, U 1347 m

Lavastrom Loch im Boden

Loch im Boden

Der Krater Duraznero in der Nähe ist Teil des Ausbruchsgebiets von 1949. Vom Kamm habe ich einen schönen Ausblick auf einen ehemaligen Lavasee, von dem aus ein Lavastrom zur Ostküste hinunterfloß.

Als nächstes unternehme ich einen Abstecher zum Pico Nambroque. Dazu muß man ein kleines Stück zu einem Sattel absteigen. Fast am tiefsten Punkt des Sattels ist im Boden ein senkrechtes rundes Loch mit etwa einem Meter Durchmesser. Ich beuge mich vorsichtig über den Rand, kann aber keinen Grund erkennen. Auch mit einem Stein an einer 10 Meter langen Strippe komme ich immer noch nicht auf den Boden des Lochs. Wasser schöpfen geht auch hier nicht.
Wieder zuhause finde ich im Internet eine Beschreibung des Lochs. Laut Rainer Olzem berichten einige, daß sie nach 20s einen Aufprall eines Steines gehört hätten, was auf eine Tiefe von 1000m hindeuten würde. Ich hatte auch einen kleinen Stein hineingeworfen und keinen Aufprall vernommen. Man sollte da also besser nicht hineinfallen, sonst hat man ein Problem oder keines mehr.
Vom Gipfel des Pico Nambroque kann man einen Großteil La Palmas überblicken und sieht auch den Teide der Nachbarinsel.

Panorama Pico Nambroque
Panorama vom Pico Nambroque: von ganz links komme ich, die Mitte ist mein Ziel. Rechts der Teide auf Teneriffa.

Zwei Wochen nachdem ich wieder zuhause war, schaute ich mir die Serie "The Witcher" an. Ich war begeistert, daß einige Einstellungen ein Jahr zuvor an Orten gedreht wurden, die ich wiedererkannte. Eine Szene spielte genau da, wo ich für den Abstecher zum Pico Nambroque meinen Rucksack hinter einem Busch versteckt hatte. Ich konnte die Stelle genau bestimmen, hatte aber natürlich kein Foto gemacht.

The Witcher
Den Witcher hatte ich "knapp" verpaßt (Bild bereitgestellt von www.filmstarts.de)

In der Vertiefung am Grat muß irgendwo der Picknickplatz El Pilar liegen, wo es sicher Wasser gibt. Bisher waren meine Bemühungen um Wasser nicht von Erfolg gekrönt. Dahinter sieht man schon die Wand der großen Caldera.

Picknickplatz in der Ferne
Picknickplatz in der Ferne

Wenig später stehe ich am steil abfallenden Kessel des Vulkans Hoyo Negro, dessen letzter Ausbruch ebenfalls 1949 war. Der Wikipedia-Artikel dazu.

Vulkanblick Vulkanrand
Vulkan Hoyo Negro

Der Picknickplatz kündigt sich schon durch Rauchschwaden an. Aus vielen der Häuschen qualmt es. Es wird gegrillt und gebrutzelt, was das Zeug hält. Es ist Sonntag und die Einheimischen sind mit Kind und Kegel unterwegs. Ich setze mich am Rand an einen Tisch und mache mein Mittag warm. Zum Schluß fülle meine Trinkflaschen mit Wasser und bin wieder für 2 Tage versorgt.

Picknickplatz
Picknickplatz

Nach dem Picknick geht der Kammweg ein Stück durch dichten Lorbeerwald. Hier hätte es etwas abseits vom Weg auch wieder Wasser gegeben. Ich teste es nicht aus, ich brauche heute keines mehr.

Lorbeerwald Cueva de Los Cochinos

Cueva de Los Cochinos

Am Reventón-Paß kommen von beiden Inselseiten gut ausgebaute Wanderwege zum Kamm hoch und es gibt wieder Wasser. In der Nähe ist eine winzige Höhle Cueva de Los Cochinos. Ein Schild spekuliert, daß sie häufig von Paß-Überquerern benutzt wurde. Wenn man den Boden mit Tannennadeln auspolstert, mag zur Not Einer windgeschützt drin liegen können, aber mein Zelt ist bequemer.   :-)   Ich baue es wenige Meter über der Höhle auf einer kleinen Plattform auf und habe einen überwältigenden Ausblick auf beide Inselseiten.

Zelt Blick nach Westen Zelt Blick nach Osten
GPS: 28.670923, -17.827655

... und nach Osten wieder mal auf den Teide


  Reventón-Paß ↣ el Cotillón

K km 43, L 12 km, U 1440 m, O 2300 m

Nach meinem Übernachtungsplatz geht es wieder etwas steiler bergan. Den ersten von mehreren Gipfeln in der Bergkette, den Pico de Las Ovejas (1854 m), erreiche ich gegen 10 Uhr. Auch der hat schöne Aussicht in alle Richtungen.
Drei Kilometer später erreiche ich das Refugio Punta de Los Roques. Das wäre ein schöner Platz zum übernachten gewesen, wenn es nicht noch viel zu früh am Tag gewesen wäre. Ich mache eine kurze Rast auf der Bank davor. In der Hütte mangelt es einem an nichts. Gut, ein kühler Weißwein fehlt, nur die Gläser stehen da.

Refugio Punta de Los Roques Refugio Punta de Los Roques innen
Refugio Punta de Los Roques

Immer weiter gewinne ich auf der Bergkette an Höhe. Über den Pico de La Sabina (2142 m), Pico de La Nieve (2232 m) und Piedra Llana (2321 m) wandert man auf schmalem Pfad die Ostwand der Caldera entlang. Erst beim Pico de La Cruz (2351 m) kommt man wieder in die Nähe einer Straße. Die Ausblicke sind wie gehabt überwältigend, trotzdem kann ich mich davon abhalten, immer weiter Caldera-Bilder zu schießen.

Erosion Erosion
Die schönsten Momente der Erosion.
Panorama Caldera
Ein Caldera-Foto hab ich noch.

Auf dem Grat kommt man an einer Stelle mit Felszeichnungen vorbei. Es war leider notwendig, die so rabiat einzuzäunen, denn es gibt immer einen Bodensatz der Gesellschaft, der es nicht lassen kann, was zu klauen oder alte Kunstwerke zu beschmieren.
Die Künstler hatten schon damals ein Gefühl für außergewöhnliche Plätze. Das ist kein Ort, den man beim Schafe hüten mal nebenbei erreicht. Es soll auch einen Ort mit Felszeichnungen direkt in der Steilwand der Caldera geben, den ich allerdings nicht gefunden habe. Die Zeichnungen sind meist in Basalt, was das härteste der hier verfügbaren Materialien ist. Es ist sicher auch am mühsamsten zu bearbeiten. Da hat man für besondere Langlebigkeit keinen Aufwand gescheut.
Mich begeistert die gleichmäßige Strichstärke auch in den Übergängen von den wenig geschwungenen Teilen zu den stark gebogenen Enden. Wie macht man so was? Wenn man mit Schwung entlang der geraden Linien arbeitet, saust man an den Enden unweigerlich auch mal über die Kurve hinaus. Das sieht man hier nicht. Am besten ließe sich so was heute vermutlich mit einer Dentalfräse erzeugen, die man langsam entlang der vorgezeichneten Linie bewegt, aber so was hatten die wohl damals nicht. Heutige Initialen-Einritzer haben die Technik jedenfalls nicht drauf, die können nur gerade Linien, die sich in spitzen Winkeln treffen.

Stelle mit Felszeichnungen Einzäunung
Felszeichnungen und Vandalen Felszeichnungen
Felszeichnungen Felszeichnungen
Tafel
Übersicht der Felszeichnungen (die Bilder oben sind kontrastverstärkt, damit man was erkennen kann).

Richtung Caldera stehen an den Wegen häufig Schilder mit "Nationalpark" drauf. Es gibt am Pico de La Cruz einen schön planierten Platz für Sternengucker zum Aufstellen des Teleskops. Ich bin sicher, daß man da auch biwakieren und in den Himmel gucken könnte. Aber ich liebe nun mal den Komfort meines Zeltes. Weil ich mich so gesetzeskonform wie nur möglich verhalten will, suche ich mir eine Übernachtung auf der anderen Seite. Nachdem ich die vielen kleinen Steinchen vom Lehmboden entfernt hatte, ergab sich ein ganz passabler Zeltplatz. Das Zelt versuchte sich so gut es eben ging ins Gelände zu ducken, war aber trotzdem vom Weg aus sichtbar. Es kam glücklicherweise niemand vorbei.

Schlafplatz beräumt Zelt vor Piedra Llana
GPS: 28.747233, -17.838865
Zelt vor Piedra Llana

  el Cotillón ↣ Degollada de Franceses

K km 58, L 15 km, U 2158 m, O 2426 m

Morgendämmerung
7:30 Uhr   Ein Glück, daß ich den Farbfilm eingelegt hatte!

Heute will ich mir ausgiebig die Teleskope am Roque de Los Muchachos ansehen. 1997 lag Schnee auf dem Gipfel und wir hatten 3 Anläufe mit dem Auto unternommen und jedesmal nur Nebel gesehen. 2006 war ich mit Andreas einmal oben und hatte wieder nichts gesehen. Ich hatte langsam Zweifel, daß man an so einem nebligen Ort ein Observatorium bauen würde.

Der Tag beginnt vielversprechend. Die Wolken sind weit unter mir und das bleibt auch eine ganze Weile so.

Staubecken Roque de Los Muchachos

Ah!, da sind sie, die ersten Kuppeln am Roque de Los Muchachos

Panorama in Druck-Ausgabe
Ausblick vom Pico de La Cruz. Die Inseln am Horizont sind von links nach rechts: Teneriffa, La Gomera, El Hierro.

Auf einem Vorsprung begeistern mich die natürlichen Mauern, die da stehen. Da ist Lava in eine perfekt gerade Spalte im Fels geflossen und erstarrt und trotzt heute als Basaltmauer der Verwitterung. Durch Schrumpfung beim Abkühlen hat der Basalt zwar seine typischen Risse bekommen, wird trotzdem noch einige Hundert Jahre halten. Man könnte ein Haus dran bauen und würde sich eine Seite sparen. Weiter unten stehen noch mehr solche Mauern.

Basaltmauer von vorn Basaltmauer von der Seite
mehr Basaltmauern noch mehr Basaltmauern
Basaltmauern

Oben am Berg stehen nur optische Spiegelteleskope. Bis auf das Schwedische Sonnenteleskop, das auch am Tag funktioniert, aber keine Kuppel hat, waren die Kuppeln aller Teleskope geschlossen, um sie vor Sonne zu schützen. Ich bin überrascht, wie viele Teleskope schon auf dem Berg stehen. Ich dachte ja, ich knipse erst mal alle und werde zu Hause schon herausfinden, wie die heißen. Das ist mir bis jetzt nicht bei allen gelungen. In den einschlägigen Kartenwerken sind nicht alle benannt und eine Komplettübersicht mit Bildern habe ich auch noch nicht gefunden.
Kleine Teleskopkunde von den Teleskopen, die ich zuordnen konnte:

Mercator Teleskop 4 Teleskope

Dutch Open Teleskop, Nordic Optical Teleskop (beide links), Wilhelm Herschel Teleskop in der Mitte und noch eines rechts

4 andere Teleskope 3 Teleskope

Wilhelm Herschel Teleskop, Schwedisches Sonnenteleskop, Dutch Open Teleskop

Teleskope in allen Größen 2 Teleskope

und die größten: Telescopio Nazionale Galileo ∅ 3,58m , Gran Telescopio Canarias ∅ 10,4m

Nach den vielen Teleskopen hatte ich mich erst mal wieder der Aussicht in die Caldera zugewendet. Vom Roques de Los Muchachos führt eine schmale Rippe in die Caldera hinein. Sie endet in einem Aussichtspunkt, der wie ein Balkon über der Caldera schwebt.
Die Caldera galt eine Zeit lang als Prototyp für vulkanische Einsturzkrater, bei denen unter einem entleerten Vulkan nach zurückziehen der Lava ein Hohlraum entsteht, in den der Berg dann zusammenfällt. Heutiger Konsens der Forschung ist, daß ein Großteil der Berges durch einen Hangrutsch Richtung Meer geflossen ist, wahrscheinlich ausgelöst durch Ausbruch eines Vulkans der Bergkette.
Von der Zisterne am Parkplatz fülle ich meine Wasservorräte auf.

Roques de Los Muchachos Caldera-Ausfluß

Blick zum Caldera-Ausfluß

Panorama vom Aussichtspunkt
Blick vom Weg zur Aussichtsplattform

Etwas abseits der optischen Teleskope stehen auf der Nordseite noch drei Tscherenkow-Teleskope. Die fangen das Licht ein, daß von energiereichen Gammastrahlen in der Erdatmosphäre erzeugt wird. Weil die erzeugten Licht-Photonen in die gleiche Richtung weiterfliegen, wie das originale Gamma-Photon, kann man die Quelle der energiereichen Blitze orten. Bei dieser Art von Teleskop kommt es nicht so sehr auf Präzision der optischen Abbildung an, sondern mehr auf große Lichtsammelfläche. Deswegen baut man sie lieber größer und verzichtet auf ein schützendes Gehäuse. So ein riesiger Spiegel sieht in der Natur schon sehr bizarr aus. Leider sieht man auch die nur nachts in Aktion, tagsüber sind sie zur sonnenabgewandten Seite geparkt, damit sie nicht das Gelände in Brand setzen.

3 Tscherenkow-Teleskope Tscherenkow-Teleskop

oder hier? Was ist das weiße Quadrat? Wo bin ich? Sind das Falten?

Tscherenkow-Teleskop Tscherenkow-Teleskop

... und von der Seite. Toll diese Stäbchen-Kugel-Konstruktion!

Tscherenkow-Teleskop Tscherenkow-Teleskop
Ich habe vor meinem Objektiv immer einen Polarisationsfilter. Meist dient der nur als Schutz, manchmal zum Abdunkeln des Himmels. Ein Teil des Himmelslichts ist polarisiert und ein metallischer Reflektor kippt die Polarisationsrichtung. Nur durch Drehen des Polfilters läßt sich der im Spiegel reflektierte Himmel hell oder dunkel stellen. Faszinierende Spielerei!
Tscherenkow-Teleskop Tscherenkow-Teleskop

und der kleinste Spiegel auf dem Gelände

LST Teleskop Tafel Magic

Magic

Nach der Runde durch das Observatoriums-Gelände gehe ich wieder zu Route der Inseldurchquerung zurück. Auch heute muß ich mir meinen Zeltplatz erst schaffen. Ich übernachte oben auf dem Grat knapp außer Sichtweite der Teleskope. Ich bin zu müde, um noch lange draußen zu liegen und selber Sterne zu schauen und verschwinde zeitig im Zelt.
Es ist Silvester.

Zelt am Roque de Los Muchachos GPS: 28.76331, -17.863371
Zelt am Degollada de Franceses auf 2100m Höhe

  Degollada de Franceses ↣ La Mata

K km 70, L 12 km, O 2270 m, U 930 m

Die Silvesternacht verlief völlig ruhig in klarer Luft und feinstaubfrei. Es war nicht überwältigend dunkel, ich hatte allerdings auch unten kein Feuerwerk gesehen. Das war mal ein völlig unübliches Silvester. Früh beginne ich ausgeschlafen mit der üblichen Routine: Kaffee zubereiten, frühstücken, packen. Die Wolkenschicht unter mir ist verschwunden, dafür ist es unten diesig.

Hirtenunterkunft Quelle

Hinter diesem Türchen gibt es Wasser

Der Wanderweg GR131, dem ich bis jetzt von der Südspitze an gefolgt bin, geht entlang der Rundung der Caldera nach Westen. Ich aber will eine Süd-Nord-Durchquerung machen und zweige deshalb auf den PRLP9 nach Norden ab. Der Weg kommt an der Hirtenunterkunft und Quelle La Tamagantera vorbei. Die scheint noch häufig genutzt zu werden. Die Quelle verbarg sich hinter einem Türchen. Ich hätte mir was abschöpfen können. Auf dem Wasser schwammen einige Krümel, aber ansonsten war es kalt und klar. Aber ich hatte ja mein Zisternenwasser vom Gipfel, wo man besser nicht weiß, wie das hinter dem Hahn aussieht. :-)

Erstbezug Weg

Ein schöner schmaler Wanderweg

Der Weg geht lange einen Bergrücken entlang und quert dann einige Täler. In Roque del Faro hole ich mir in der Kneipe ein Bier. Vor der Kneipe steht jemand und brät aus einer großen Menge Teig Gebäckstangen. Ich suche den Schatten unter einem Sonnenschirm, denn es ist brütend heiß.

Weg lecker Gebäck

Fettig und lecker

Von hier gibt es zwei Möglichkeiten weiterzugehen: Erst nach Norden auf der PRLP9.1 und dann nach Westen auf der GR130, der Route, die die Insel komplett umrundet. Dann wäre ich schneller an der Küste. Oder erst nach Westen weiter auf der RLP9, dann nach Norden auf PRLP9.2. Ich entscheide mich für die zweite Variante, weil ich dadurch an La Zarza vorbeikommen werde, einer weiteren Stelle mit Felszeichnungen.

La Zarza ist leider geschlossen, als ich da ankomme. Vor dem Eingang stehen einige Camper, in denen Leute übernachten. Wenn ich einen schönen versteckten Zeltplatz gefunden hätte, wäre ich am nächsten Morgen nochmal wiedergekommen. Finde ich aber nicht und so laufe ich weiter.
1998 war ich schon einmal hier. Da wurde gerade der Zaun und das Empfangsgebäude gebaut, wir sind gerade noch kostenlos reingekommen. Ein Foto vom "Raumfahrer" hängt seitdem an der Wand in der Stube.

Barranco Rey Magdaletin Barranco Rey Magdaletin
Barranco Rey Magdaletin

Ich steige ab in den Barranco Rey Magdaletin. Der ist wunderschön verwunschen mit zwei großen Kesseln, an denen sich der Weg herunterschraubt. Die Höhle im Kessel ist mir zu feucht. Ich suche mir für mein Zelt einen Balkonplatz über dem Weg. Man hätte mich vom Weg aus sehen können, es kam aber niemand.

Zelt im Barranco Rey Magdaletin GPS: 28.813366, -17.907612
Zelt mit Ausblick ins enge Tal

  La Mata ↣ Nordspitze

K km 80, L 15 km, O 930 m, U 10 m

Gegen 5 Uhr krähen in der Ferne die Hähne, um 7 Uhr machen die Vögel im Tal einen Heidenlärm, 9 Uhr war alles wieder still. Ich genieße in Ruhe meinen Morgenkaffee.

Tür im Berg
Ist das die Tür in den Berg, nach der die Zwerge im Hobbit gesucht hatten? Man erkennt sie wirklich kaum. Ist abgeschlossen.

Am Ende des Tals treffe ich auf den Rundwanderweg GR130, gehe ihn nach links und komme nach anderthalb Kilometer durch Don Pedro. Ich treffe auf andere Wanderer, die die Rundwanderung machen. Das ist mal eine Idee für den nächsten Winter.
Bei der nächsten Gelegenheit nehme ich eine Straße Richtung Küste. Diese Stelle ist touristisch unerschlossen, vermutlich weil nur wenige zum nördlichsten Punkt wollen. Es gibt keine Wege, nur die Asphaltstraße schlängelt sich Richtung Küste. In den lockeren Tuff scheint man ohne große Mühe Straßen hacken zu können.

Straße zum Meer Halbinsel
Nordwärts geht's

Der nördlichste Punkt La Palmas ist vermutlich der Punta de Juan Adalid. Ich gehe bis zum Rand der Steilküste und werfe einen Blick runter. Damit ist die Hauptmission beendet und die Süd-Nord-Überquerung geschafft! Ich bin noch neugierig, was es mit der an der Küste eingezeichneten Höhle Cueva de La Luz auf sich hat. Als ich sehe, daß wahrscheinlich die Höhle am Meer gemeint ist, schenke ich mir den Abstieg. Da wird man nicht übernachten können.

nördlichster Punkt Cueva de La Luz

Cueva de La Luz

Panorama in Druck-Ausgabe
Ausblick vom nördlichsten Punkt La Palmas

Der Weiterweg führt an der Küste entlang nach Westen. Ich steige die Serpentinen in einen engen Einschnitt hinunter und nehme auch den Abzweig zum Wasser, damit ich mal die Hand ins Meer halten kann. Nach baden ist mir heute nicht mehr zu Mute.

Einschnitt Das Meer
Unten mache ich mir mal die Fingerspitzen naß

Ein Nachtlager finde ich nicht weit entfernt. Hier unten ist es deutlich wärmer, als im Gebirge. Weil das Gebiet Nationalpark ist, beschließe ich, ohne Zelt zu übernachten. Leider hatte ich nicht mit den Mücken gerechnet. Auch mit Autan nervte das Surren und ich hab mich völlig in meinen Schlafsack verkrochen.

Schlafplatz an der Küste GPS: 28.853518, -17.918674
Schlafplatz an der Küste

  Nordspitze ↣ Santo Domingo de Garafia

K km 85, L 7 km, U 10 m, O 380 m

Nach einer Woche Gebirge habe ich einen Heißhunger auf Obst. Ich probiere die Opuntien, die es hier in Hülle und Fülle gibt. Ich habe schon mehrmals die Beobachtung gemacht, daß sie in Meereshöhe anders wachsen als weiter oben. Die Stacheln sind häufig zum runden Ende hin konzentriert, so daß sie sich leicht abschneiden lassen.

Opuntien Opuntienmahl
Opuntienmahl

Weiter gehe ich Richtung Süden. Noch vor El Mudo steht ein verlassenes Haus, in dessen Innenhof ein Orangenbäumchen steht. Das sah verlockend aus. Ich wußte nicht, daß Orangenbäumchen so viele spitze Stacheln haben. Nachdem ich die erste mit hohem Blutzoll geerntet hatte, mußte ich mir mit meinem Wanderstock einen Ernter bauen, damit ich an die restlichen Orangen kam. Es hatte sich gelohnt, der Geschmack war unvergleichlich!

Orangenbäumchen Orangenernte
Orangenernte

Ich komme danach ohne Probleme wieder auf die GR130, was mir vorher nicht klar war, weil dort in Open Street Map ein Stück Weg fehlt. Etwas unerwartet geht es vor Garafia noch durch einen tiefen Canyon, bis man wieder auf der Hochebene steht.

Garafia ist ein größerer Ort und ich hatte hatte Hoffnung, mal zur Abwechslung in einem Hotelzimmer zu schlafen. Ich esse in der Bar La Plaza zu Mittag und frage hinterher die Kellnerin, ob sie weiß, wo ich im Ort übernachten könnte. Sie ist sehr bemüht und spricht jemanden aus dem Gästehaus nördlich der Bar an. Die Angestellte meint, das Haus ist leer und wird bis 18 Uhr gereinigt, ich solle mich gedulden. Sie spricht mit dem Besitzer und kommt mit der Botschaft zurück, daß es sich für eine Nacht nicht lohnt. Der zweite Ansprechpartner, den mir die Kellnerin genannt hatte, war eine Deutsche, die in der gleichen Straße einen Esoterik-Laden betreibt. Ich frage auch dort und bekomme die gleiche Antwort: Für eine Nacht lohnt sich das nicht. Ich hätte ja einen Aufpreis für Bettwäsche gezahlt, wie das andernorts manchmal üblich ist. Aber nichts geht. Die Leute sind viel zu reich. Ich verfluche den Ort und gehe weiter.

Petroglyphen Petroglyphen-Tafel
Petroglyphen

Die Warterei hatte mich viel Zeit gekostet, weit würde ich heute nicht mehr kommen. Ich gehe zu einer Stelle mit Felszeichnungen unterhalb des Friedhofs. In der Nähe ist ein Platz, der vielleicht für eine Übernachtung in Frage kommt und ich lasse mich erst mal dort nieder. Rund um mich werden Schafe und Ziegen hin und hergetrieben, so daß ich lange unschlüssig bin, ob ich das Zelt aufbauen sollte.
Ich schaue mir erst mal die Petroglyphen an. Vom La Palma Urlaub 1997 habe ich noch einen Reiseführer "Kanarische Wanderungen" von Ursula und Adam Reifenberger, erschienen im Conrad Stein Verlag. Der beschäftigt sich sehr ausführlich mit den Petroglypen und enthält viele Auffind-Skizzen. Gerade südlich von Garafia waren viele Fundstätten. Die wichtigsten Seiten hatte ich mir kopiert.
Als es dunkel wird, entscheide ich mich doch für das Zelt und verbringe eine einigermaßen ruhige Nacht.

Schlafplatz GPS: 28.825795, -17.957600
Eine weitere Nacht im Zelt

  Santo Domingo de Garafia ↣ Camping La Rosa

K km 99, L 14 km, U 30 m, O 894 m

Früh stelle ich fest, daß an meinem Wanderstock, den ich am Abend achtlos an den Busch gestellt hatte, die Fernbedienung für die Panoramakamera fehlt. Die hing immer, wenn ich die Kamera aufgeschraubt hatte, an zwei gelben Bändchen nach unten. Der Stock mit Kamera drauf steht noch da, die Bändchen sind ziemlich glatt durchtrennt. Die einzige Erklärung für mich ist, daß eine Ziege oder ein Schaf die Fernbedienung gefressen hat. Ich suche den Boden in der Umgebung nach ausgespuckten Resten ab: Nichts!
In der Nacht war ich deswegen nicht aufgewacht, was vielleicht auch besser ist, sonst hätte ich mich womöglich noch zu Tode erschrocken. Ansonsten fehlt nichts.

Fernbedienung fehlt
Die Fernbedienung fehlt, auf dem Zelt-Bild vom Abend war sie noch da

Ich gehe den Weg weiter zu einer Landzunge und steige zum Meer herunter bis zu einer Badestelle. Die Küste liegt noch im Schatten, deswegen wird das immer noch nichts mit dem Baden. Mehrere Fischerhütten ducken sich an den Fels oder in Höhlen und eine Wasserleitung endet hier, die vom Ort herunterkommt. Wegen mindestens 120 Höhenmetern Gefälle sind da 12 Bar Wasserdruck drauf. Wenn man es schafft, mit viel Kraft den Druckknopf am Hahn zu drücken, trifft einen das Wasser mit voller Wucht. Ich setze mich in eine der Buchten und mache zweites Frühstück.

Badestelle Recycling

Recycling ?

Von der Bucht aus gehe ich nach Südosten weiter auf dem Pfad und verpasse so die Petroglyphen im Tal das zur Landzunge führt, die ich mir eigentlich ansehen wollte. Hier mal ein paar Bilder, was sonst noch so am Weg lag.

Busch Auswaschungen

Bizarre Auswaschungen

Guaven Drachenbaum

Ein schöner Drachenbaum in der Blüte.

Wenn das letzte Nacht schon nicht mit dem Hotel geklappt hat, wollte ich diese Nacht wenigstens auf einem der wenigen Zeltplätze von La Palma übernachten: auf dem Camping La Rosa, südlich von Las Trizias. Als ich abends dort ankomme, wieder die bange Frage, ob das klappen wird. Das Tor zum Zeltplatz ist zwar offen, aber der Platz ist menschenleer und auch Zelte stehen keine da. Ich rufe die an der Tafel angeschlagenen Telefonnummern an und erreiche im zweiten Anlauf jemanden. Der Zeltplatz ist offen und sie wird in 15 Minuten vorbeikommen! Letztendlich hatte es länger gedauert als 15 Minuten und ich machte mir keine Hoffnungen mehr, noch was einkaufen zu können (es war Sonnabend Abend), aber die Frau vom Zeltplatz war sehr nett und hat mich mit dem Auto zum Wochenmarkt in Puntagorda mitgenommen, wo noch reges Treiben herrschte.

Ich baue das Zelt im Dunkeln in einer bewaldeten Ecke des Zeltplatzes auf und schlafe hervorragend.

Camping La Rosa GPS: 28.771068, -17.967148
Camping La Rosa

  Ruhetag Camping La Rosa

Ich unternehme den ganzen Tag nicht viel, gehe mittags mal in den Ort, wasche Wäsche und führe längere Gespräche mit dem zweiten Bewohner des Zeltplatzes. Es ist ein Brite, der mehrere Kanareninseln hintereinander abwandert. Vor La Palma hat er La Gomera umrundet. Ich wußte gar nicht, daß es an dieser zerklüfteten Küste einen Rundweg gibt. Muß ich mir mal ansehen! Er übernachtet ohne Zelt im Freien und hat als einzigen Schutz einen Poncho aus irgendeiner besonderen schottischen Wolle mit, deren Name mir entfallen ist. Glücklicherweise hat es in letzter Zeit sehr wenig geregnet. Auf dem Zeltplatz hatte er sich eine Hütte gemietet.
Am Abend bekommen wir noch einen dritten Zeltplatzbewohner, einen Deutschen, wie wir nach langer englischer Konversation bemerken. Er ist ultraleicht unterwegs, mit Rettungsdecke und Tarp.

Puntagorda Rathaus mit rotem Teppich Wandbild

Wandbild

Bank Vinathlon

Oder Wein trinken. Bin leider zu früh.


  Camping La Rosa ↣ El Pinar

K km 116, L 17 km, O 1352 m, U 940 m

Schweren Herzens nehme ich Abschied von meinem Campingplatz. Als ich aufstehe, sind die anderen beiden schon weg. Ich habe heute vor, wieder zum Calderarand hinaufzusteigen und dort die GR131 zu treffen, die ich dann bis zum Ende Los Llanos weitergehen will.

Refugio De Tinizara Feuerlöschleitung

Man hat aus den Waldbränden gelernt und Wasserleitungen mit Schlauch-Anschlüssen aller 30 Meter entlang der Wege verlegt

Ich durchquere zunächst ein großes Weinanbaugebiet. Entsprechend zivilisiert geht es zu. Vor dem Refugio De Tinizara hätte man zur Not übernachten können. Ein Stück lang geht es danach durch Nadelwald, dann kommen wieder große Weinberge.

Weg im Weinberg Weinberge
Weinberge

Die größte Quelle der Region, Trasjocade wird komplett für die Wasserversorgung abgeschnorchelt, für den durstigen Wanderer bleibt da nichts.

Vogelscheuche Weihnachtsbaum

Baumschmuck muß ja nicht immer nur Tannen schmücken

Kurz bevor ich die Caldera erreiche, suche ich mir einen Zeltplatz im Wald kurz oberhalb des Weges. Ich will nicht in das Nationalpark-Gebiet der Caldera kommen. Der Untergrund ist durch Kiefernnadeln perfekt gepolstert und vorbeigehende Wanderer sollten mich nicht bemerken. Es kommt niemand.

Zelt im Wald GPS: 28.700393, -17.932255
Zeltplatz im Wald bei el Pinar

  El Pinar ↣ Tazacorte

K km 127, L 12 km, O 940 m, U 0 m

Am nächsten Morgen erreiche ich wieder die Caldera. Ich gehe noch ein kleines Stück hoch zum Torre del Time, was für englisch trainierte Ohren wunderbar nach "Turm der Zeit" klingt. Was es im Spanischen bedeutet, habe ich noch nicht herausgefunden.

Torre del Time Torre del Time
Turm der Zeit ??
Panorama vom Torre del Time
Panorama vom Torre del Time

Der Ausblick ist immer noch überwältigend. Die Berge sind in Wolken und ich bin froh, daß ich meine Wanderung genau auf die richtige Zeit gelegt hatte. Danach geht es wie gehabt den Rand der Caldera entlang steil abwärts.

Tazacorte
Tazacorte

Bevor der Weg auf Meereshöhe absteigt, hat man einen schönen, fast senkrechten Blick auf Tazacorte. Das ist ein größerer Ort, hier wird es bestimmt eine Übernachtung geben. Ich durchstreife den Ort, kaufe ein und warte eine Stunde bis die Touristeninformation aufmacht. Eine Übernachtung kann er mir keine vermitteln, das ist nicht sein Job, sagt mir der Angestellte hinter dem Tresen. Ich soll im Internet nachsehen. Ich hatte schon bei booking.com gesucht und teile Ihm mit, daß sein Ort nicht im Internet vorkommt. Tja, da kann er nichts machen.
Ich versuche es noch in der Bar am größten Platz, habe aber auch hier keinen Erfolg. Ist La Palma durch Pauschal-Touristen so verdorben, daß nichts anderes mehr interessiert? Der Ort liegt immerhin am Endpunkt des großen Wanderwegs GR131 und auch der GR130 führt hier durch. Es kommen also jeden Tag Wanderer hier entlang, auf deren Bedürfnisse man sich mal einstellen könnte. Mir bleibt nur der Schluß, das alle hier zu reich sind.

Also bleibt wieder nur eine Übernachtung im Freien. Auf dem Weg nach Los Llanos ins Inselinnere zweige ich rechts in eine Straße durch die Bananenplantagen ab, die wieder Richtung Küste führt. Die Plantagen nehmen fast die gesamte Fläche ein, aber direkt oben an der Steilküste geht ein mit Steinplatten gefliester Weg aus einer besseren Zeit entlang, mit schöner Aussicht auf den Hafen und den kleinen Kiesstrand direkt darunter. Es stehen noch die Reste der Messing-Geländer und der großen Messing-Lampen am Weg. Daß die noch kein Schrottsammler entdeckt hat, wundert mich.
Dort lege ich meine Plane aus und verbringe einen Teil der Nacht damit, den Wolken zuzusehen, wie sie aus dem Landesinneren heranziehen und sich genau über mir auflösen. Das klappt über Stunden sehr gut, bis es dann doch mal aus einer Wolke leicht nieselt. Ich baue mein Zelt auf und verbringe den Rest der Nacht dort. Wie sich herausstellt, eine gute Entscheidung, denn früh schalten sich die Sprinkleranlagen der benachbarten Plantage ein und sprühen auch über die Mauer.

Tazacorte Schlafplatz Tazacorte Zelt
GPS: 28.641064, -17.938242
Übernachtung Tazacorte

  Tazacorte ↣ Los Llanos de Aridane

K km 131, L 5 km, U 60 m, O 360 m

Früh habe ich wieder Sonne auf meiner Prachtpromenade und ein Kaffee stärkt die Lebensgeister.

Rest einer Laterne
Antik!

Ich gehe durch endlose Bananenplantagen Richtung Los Llanos de Aridane. Ich verstehe, daß man mittlerweile ein Großteil des Bananenkonsums der EU gut von La Palma aus decken könnte. Dafür wird die Landschaft aufwendig umgestaltet. Wir Ossies sind da ja nicht ganz unschuldig daran. ;-)

Bananen Bananen
Bananen, Bananen

Im Ort treffe ich auf ein interessantes Konzept der Wasserverteilung. Jeder hat hier seine eigene Wasserleitung vom Speicher. Los Llanos ist ganz nett und ich kann hier endlich im Internet ein Hotel buchen. Ich habe ein Zimmer im Hotel Eden in Ortsmitte an der Fußgängerzone.

Wasserleitungen riesige Bäume

Gemütliche Fußgängerzone

Am Abend flaniere ich durch den Ort und mir fällt die große Dichte an Schnapsläden mit riesigem Angebot auf. Ich kaufe mir einen Citadelle Gin von 2017, den mir meine bevorzugte Informationsquelle empfiehlt. In der Hoffnung, daß die 2017er Reserve Edition vielleicht nicht viel schlechter ist, als die 2013er.
Ich habe keinen Vergleich zur Referenz, aber schlecht schmeckt der 2017er nicht. Etwas speziell, weil man ihm seine Cognac-Herkunft deutlich anmerkt.

Hotel Eden GPS: 28.658872, -17.912283
Hotel Eden

  Barlovento

Frühstück meine Schätze

Meine verbliebenen Schätze

Ich habe noch einige Tage bis zum Rückflug übrig. Der Flugplatz ist auf der anderen Seite der Insel und ich könnte einfach quer durch oder über die Südspitze oder den Norden fahren. Süden und Mitte kenne ich schon, also beschließe ich zwei Tage im Norden zu verbringen. Ich buche mir das Hotel Romantico in Barlovento. Das macht in der Beschreibung einen vornehmen Eindruck und war nicht zu teuer.

Das Bussystem ist auf La Palma sehr gut. Speziell die Beschreibung an den Haltestellen und im Internet ist das Beste, was ich je kennengelernt hatte. Man erfährt auf einer Karte zu jeder Linie, wo der Bus lang fährt und wo er hält. Was hatte ich in Italien schon Karten gewälzt um herauszufinden, wo die Orte der Route liegen!
Ich nehme also die Linien 110 nach Puntagorda und 120 nach Barlovento.

Hotel Romantico Hotel Romantico Zimmer
GPS: 28.821924, -17.805325
Hotel Romantico

Das Hotel ist so nobel wie gedacht. Ich mache am Nachmittag noch einen Spaziergang zu einem Wasserspeicher, der leer ist, weil er ein Leck hat und einem Naherholungsgebiet.

leerer Wasserspeicher
Leerer Wasserspeicher

Während der Tour hatte ich mich schon einige Male gefragt, ob La Palma wohl vom Brombeergestrüpp verschont wurde, was man sonst allerorten findet. Nicht der Norden! Bisher einmalig fand ich, daß hier mal nicht ausschließlich die Brombeeren den Überwucherungs-Wettbewerb gewinnen, sondern selber von Kapuzinerkresse überwuchert werden! An manchen Stellen gab es zumindest ein Unentschieden.

Brombeeren vs. Kapuzinerkresse Hortensien

Hortensien (das Runde am Eckigen)

Am nächsten Tag unternehme ich einen Ausflug Richtung Norden ans Meer. Das Hotel liegt auf 650 Höhenmetern, so daß ein Badeausflug gut geplant werden will! Der größte Teil des Abstiegs erfolgt auf steilen Asphaltstraßen. In der Ferne sieht man den Leuchtturm Faro de Punta Cumplida. Mein Ziel ist das Meeresbad Piscinas de La Fajana. Dort gibt es Becken für ganz mutige, die öfter mal von großen Brechern aus dem Meer überspült werden, bis zu Kindertauglich mit Fischen drin. Hier komme ich endlich zum Baden! Einen kleinen Schauer sitze ich in einer der angrenzenden Höhlen aus und mache mir auch gleich die letzte Chinasuppe aus dem Proviant.

Leuchtturm Faro de Punta Cumplida Leuchtturm-Optik

Leuchtturm-Optik in Barlovento

Meeresbad Meeresbad
Meeresbad Piscinas de La Fajana

  Santa Cruz

Für die letzte Übernachtung auf La Palma buche ich mir ein Zimmer im Hotel Galeón, das wie der Bug eines Schiffes an einem Ende der Stadt thront. Aussicht auf Meer habe ich vom Balkon leider keinen, dafür ist die Suite riesig.

Hotel Galeón Schlafraum
GPS: 28.678513, -17.771415

Die vielen Kleiderständer erwecken bei mir Assoziationen zu "Die Kaffeekanne steht auf dem Tisch".

Weil ich noch ein Museums-Ticket von Los Llanos habe, was freien Eintritt auch im Museo Insular de La Palma ermöglicht, begebe ich mich nach dem Einchecken erst mal ins Museum. Das Museum in Los Llanos war OK, aber einige der Stücke in Santa Cruz können mich wirklich begeistern. Neben den abstrakten Werken gibt es noch eine Ausstellung mit Himmelsfotos. Eines davon ziert jetzt meine Kaffeetasse.

Museum Museum
Museo Insular de La Palma

Den Rest des Tages schlendere ich durch den Ort und sauge nochmal Wärme in mir auf, bevor es wieder ins kalte Deutschland zurückgeht. Im Souvenirladen an der Hauptstraße gibt es ein Tshirt mit Bildern aller Teleskope vom Roques de Los Muchachos drauf. Leider nicht in meiner Größe, sonst hätte ich da vielleicht keine Wissenslücken mehr. ;-(


  Heimreise

Der Rückflug führt uns nahe am Teide auf Teneriffa vorbei, so daß ich noch ein Foto schießen kann. Das ist der Stoff für einen der nächsten Urlaube.

Teide
Teide auf Teneriffa
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