Garoe



El Hierro

Tom Schilling

Für meine Mutter


Impressum

Auflage Oktober 2023
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland

Dieses Buch ist ein Ausdruck der Webseite
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2013 Inselumrundung von El Hierro zu Fuß im April 2013.

L ca. 100 km, U 0 m, O 1501 m, Z 8 Tage


Vorbereitung

Ende Februar 2013 war ich wieder mal wintermüde und beschloß, eine Woche Urlaub für eine Wanderung über El Hierro zu spendieren. Das ist die kleinste und abgelegenste Insel der Kanaren. Sie ist genau groß genug, um sie in einer Woche zu umrunden. Der Termin Anfang April war der Einzige, an dem es einen Direktflug von Dresden nach Teneriffa gab, also nehme ich den.

Ich hatte noch vom ersten La Palma Urlaub einen Wanderführer von Ursula und Adam Reifenberger "Kanarische Wanderungen". Darin sind die Fundstellen einiger Petroglyphen beschrieben, dieser rätselhaften Stein-Zeichnungen der Ureinwohner. Die wollte ich mir unbedingt selber ansehen. Aus Open Street Map hatte ich mir eine Route zusammengestellt, die entgegen dem Uhrzeigersinn auf dem Hochland einmal um die Insel führen sollte. Zur Vorbereitung hatte ich außerdem mit viel Vergnügen den Blog von Manfred Betzwieser gelesen, der ausführlich über vulkanische und andere Aktivitäten der Insel berichtete.

Im Winter war die Insel wieder vulkanisch aktiv. Vor der Südküste hatte sich im Jahr davor ein Unterwasservulkan gebildet. Die Auswürfe von Lava hatten einen Berg aufgeschüttet, dessen Spitze bis 90 Meter unter der Wasseroberfläche aufragte. Wenn man bedenkt, daß die Basis dieses Bergs in 3500 Meter Tiefe liegt, fehlte nicht viel, und die Spitze könnte bei den gegenwärtigen Aktivitäten aus dem Meer aufsteigen. Ich hatte ernsthaft überlegt, ob ich meine deutsche Flagge mitnehmen soll, die ich für die Befahrung der Oder mit dem Faltboot besorgt hatte. Falls sich die Gelegenheit ergeben sollte und ich dort als Erster vorbeikomme, könnte ich sie in die frische Lava der neu entstandenen Insel stecken. Das würde vermutlich den spanisch-deutschen Beziehungen frischen Schwung verleihen.   :-)

NASA - Eldiscreto Foto des Jahres
Das Bild des Unterwasservulkans El Discreto war gerade erst zum besten Satellitenbild des Jahres 2012 gekürt worden (Bild bereitgestellt von der NASA)

Diesen Bericht habe ich im Oktober 2023 nach meinen Erinnerungen und nach Audioaufzeichnungen aufgeschrieben, die ich während der Tour gemacht hatte.

Karte von El Hierro mit meinen Übernachtungen
Karte von El Hierro, markiert sind Start, Ziel und alle Übernachtungen.

  Anreise ↣ Zelt über La Caleta

Frühes Aufstehen ist angesagt. 6:20 Uhr fliege ich mit Air Berlin nach Teneriffa. Beim Landeanflug sehe ich schon von Weitem den Teide aus den Wolken ragen. Ich lande auf dem südlichen Flughafen. Bis der Bus 343 mich zum nördlichen Flughafen bringt, von dem aus der Weiterflug erfolgt, habe ich noch eine Stunde Zeit. Ich will die nutzen, um schon mal Wasser zu besorgen, denn ich will vollgetankt vom Flughafen El Hierro die Wanderung beginnen.

Der Teide auf Teneriffa
Der Teide auf Teneriffa.

Vom Flughafengebäude aus sieht man schon einen Supermarkt. Leider liegen zwischen mir und dem Markt eine scheinbar unüberwindliche Hürde von zwei Straßen, einem Parkhaus, einer Autobahn und noch einer Straße. Einheimische verraten mir, daß es links eine Brücke gibt, die über die ganzen Straßen drüberweg führt. Ich kaufe fünf Liter Wasser, die ich in meine mitgebrachten Flaschen im Rucksack umfülle. Insgesamt habe ich 7 Liter Wasser mit, zwei Flaschen im Handgepäck fülle ich noch auf dem Flughafen mit Toilettenwasser. Damit bin ich für die ersten Tage gewappnet, auch wenn ich auf der Insel keine fließenden Quellen finde.

Das Gepäck
Mein Gepäck.

Der Weiterflug mit Binter Airlines geht erst 16 Uhr. Ich habe also noch viel Zeit auf Teneriffa Nord. Kurz vor 17 Uhr steige ich auf El Hierro aus dem Flugzeug, bekomme sofort meinen Rucksack und kann direkt mit der Wanderung beginnen.

Liniennetz von Binter Flugplatz El Hierro

Die Wanderung startet direkt vom Flugplatz El Hierro am nordwestlichsten Zipfel der Insel.

Ich gehe die Küste entlang nach Süden bis zum Örtchen La Caleta. Da könnte man schön baden, aber ich will heute erst mal aus der Zivilisation raus. Im Ort fällt mir ein Wegweiser auf, bei dem alle Richtungsschilder abgehackt wurden. Man mag hier wohl keine Fremden. Ich stelle mir vor, wie es wohl ausgehen würde, wenn mich der Schild-Beschädiger beim Zelten in der Natur erwischt, und beschließe, besonders vorsichtig zu sein.

Badestelle bei La Caleta
Badestelle bei La Caleta. Waren hier früher die Petroglyphen zu sehen?

Laut Reiseführer sollen nahe dem Ort an der Küste einige Felszeichnungen zu finden sein. Leider ist der von 1988 aus der Vor-GPS-Ära und die Dinge, die man damals als Fixpunkte verwendet hatte, existieren heute nicht mehr: "An der Telefonbox der Dorfstraße nach rechts in Richtung Meer 300 m bis zu ihrem Ende folgen. Am Haus, das direkt an der Wendeplatte liegt, links vorbei und durch verholzte Euphorbien auf schmalem Pfad wenige Meter hinunter zu den Küstenfelsen gehen." Wo war früher die Telefonzelle? Es gibt mittlerweile zwei Wendeplatten, eine davon frisch asphaltiert, mit vielen Häusern daran und Küstenfelsen soweit das Auge reicht. Diese Fundstelle finde ich schon mal nicht.

Weg ins Landesinnere nach Valverde Opuntien

Alles voller Opuntien.

Barranco del Cuervo
Barranco del Cuervo

Nach La Caleta nehme ich den Weg ins Landesinnere Richtung Valverde. Nach der Pleite an der Küste suche ich die Felszeichnungen im Barranco del Cuervo. Das ist eine alte Lavaröhre, die in ihrem unteren Teil eingestürzt ist und zu einem Bachbett wurde. Weiter oben sind noch Teile der Röhrendecke erhalten und bilden Höhlen, die von Hirten mit einer Einfriedung versehen wurden.

erhaltene Lavaröhre Schafquartier
Unter den Resten der Lavaröhre finden heute immer noch Schafe Schutz.

Hier werde ich fündig. In einen Stein sind kleine Symbole eingeritzt. Noch mehr finde ich im Nachbartal, in dem einige Steine komplett mit Zeichen bedeckt sind. Unter anderem mit etwas wie der "Raumfahrer" von La Palma.

Stelle mit Felszeichnungen Felszeichnungen

Und diese Blöcke im Nachbartal sind voll davon.

Felszeichnungen Felszeichnungen Felszeichnungen
Die Bilder sind etwas kontrastverstärkt.

Ich bin beeindruckt. Was das wohl darstellen mag? Das sieht so überhaupt nicht nach den üblichen leichtverständlichen Fruchtbarkeitssymbolen aus, die primitive Kulturen in ihre Toilettentüren ritzen.

Der Tag neigt sich dem Ende zu und ich muß mir eine Bleibe für die Nacht suchen. Geplant hatte ich eigentlich, in Valverde Benzin für meinen Kocher zu tanken und danach irgendwo im Busch zu verschwinden. Das schaffe ich heute nicht mehr im Hellen und so komme ich gleich am ersten Tag in Rückstand. Unter einem Lavabogen zu nächtigen ist mir zu unsicher, weil ja noch weitere Erdbeben vorausgesagt wurden. An den Hängen ist auch alles zu schief, zu bucklig oder zu pieksig. Ich finde eine schöne Stelle auf einer Asphaltstraße, die von einer neueren Straße begradigt wurde. Die alte Kurve entlang des Hangs wurde nicht zurückgebaut, kann aber auch nicht mehr befahren werden. Ich suche mir ein Stück nahe der neuen Straße, wo am wenigsten Steine auf der Fahrbahn liegen, da bin ich sicher, daß nachts nichts dazu kommt. Einige Büsche verbergen mich vor vorbeifahrenden Autos. Nur ein Fußgänger auf der Straße könnte mich sehen, die sind aber hier unwahrscheinlich.

Schlafplatz Zeltstelle
GPS: 27.799500, -17.898200
Die Lichtkegel der nachts vorbeifahrenden Autos erreichen mich nicht.

  Zelt über La Caleta ↣ Montaña la Gotera

Nachts halten mich Geräusche der Wildnis eine Weile wach: Die üblichen Grillen, ein sehr laut quakender Frosch und ein ebenfalls sehr lauter Vogel. [Anmerkung 2023: Auf der Tonaufnahme höre ich im Hintergrund einen Gelbschnabel Sturmtaucher. Das war meine erste Begegnung mit diesem Vogel.] Dazu ist es im Schlafsack zu warm und außerhalb zu kalt und die Polsterung durch die dünne Evazote-Matte unter dem Zeltboden war auch nicht üppig. Ich habe also relativ schlecht geschlafen.

Gummibärchenstrauch
Gummibärchenstrauch?

Ich folge dem Weg von La Caleta weiter bergauf nach Valverde. Zuerst ist es nur ein schmaler Fußweg zwischen Steinmauern. Nachdem der Weg vom Hafen dazustößt, wird er breiter und ist teilweise sogar gepflastert. Da sieht man schön, daß der Weg zum Hafen früher wichtiger war als in ein kleines Fischerdorf. 10 Uhr komme ich auf der Höhe an.

Weg nach Valverde
Weg nach Valverde

In Valverde hab ich Benzin an der Tankstelle bekommen. Es herrschte einiger Andrang. Zuerst hatte ich mich an die Schlange angestellt, nach einer Weile aber die Geduld verloren und mir schnell selber was abgefüllt. Das ging problemlos. In Valverde hatte ansonsten nichts weiter auf, wo ich ein zweites Frühstück hätte bekommen können. Die Einwohner waren alle noch beim Gottesdienst.

Valverde
Valverde

Nachdem ich aus dem Ort heraus bin und 750 Meter Höhe erreicht habe, rolle ich an einer schönen Stelle die Matte auf dem Weg aus und koche mir erst mal Mittag. Es gibt vom Globetrotter ein Fertiggericht mit Nudeln, Gemüse und Shrimps, ziemlich eklig und ohne Geschmack.

Wiese

Ich sehe das obere Staubecken des Pumpspeicherwerks, das den überschüssigen Strom der fünf Windräder im Norden speichern soll. Es ist mit entsalzenem Meerwasser gefüllt, für das ebenfalls Strom benötigt wird. Eine Tafel erklärt das in spanisch, englisch und deutsch. Das Becken entstand aus einer natürlichen Caldera, die sich bei einem explosiven Vulkanausbruch gebildet hatte.

Pumpspeicherwerk
Oberer See des Pumpspeicherwerks

Auf 1000 Meter Höhe Richtung San Andrés wird es richtig schön. Die Sonne scheint und es geht eine kurze Zeit durch Kiefernwald.

Allee

Schon um sechs bin ich der Meinung, daß es für heute genug ist. Die bewaldeten Flächen werden geringer. Ein letzter Hügel linkerhand vom Weg hat noch eine bewaldete Kuppe. Allerdings reichen die Bäume nicht bis ganz nach oben, so daß es wahrscheinlich eine lehmige Fläche obendrauf gibt. Außerdem führt kein Weg direkt auf den Berg. Bei meinen Erkundungen für den Weg habe ich mich ein Stück in eine Parzelle vorgewagt, die nicht wie sonst üblich abgesperrt war. Ich entdecke eine schöne Stelle, eben, mit Wiese und niedrigen Sträuchern rundrum und beschließe, dort zu bleiben. Den frühen Feierabend nutze ich für ein ausgiebiges Abendbrot, so daß mein Rucksack schon etwas leichter geworden ist.

Zelt am Fuße des Montaña la Gotera GPS: 27.756400, -17.974850
Zelt am Fuße des Montaña la Gotera

  Montaña la Gotera ↣ La Gorona

Ich habe sehr gut geschlafen und bin gut erholt. Es gab kaum Wind und keine lärmenden Tiere. Durch die 1200 Meter Höhe war es kühler als die Nacht davor, so daß ich froh war, in den Schlafsack kriechen zu können und die Kapuze überzuziehen. Um acht Uhr ist es noch neblig, hoffentlich gewinnt die Sonne noch an Kraft. Nach dem Frühstück habe ich noch 3,5 Liter Wasser, was noch für zwei Tage reichen sollte.

Camino de La Virgen
Camino de La Virgen

Den größten Teil des Weges Richtung Westen bin ich auf dem Camino de La Virgen unterwegs, auf dem alle vier Jahre eine Marienfigur von La Dehesa über die ganze Insel getragen wird. Diesen August ist es wieder so weit.

Ich komme an einer Lehmgrube vorbei, über die eine Elektroleitung führt. Weil man die Leitung nicht verlegen wollte, hat man einfach um die Masten drumrum gebaggert.

Leitungsmast Leitungsmast
Inseln im Tagebau

Rechts des Weges gibt es einige Aussichtspunkte, von denen aus man in die La Hoya de Fireba sehen kann, einen 100 Meter tiefen Krater, der durch einen explosionsartigen Ausbruch entstanden ist. Die Stelle hatte mich schon beim Blick auf die Karte interessiert, denn nach Nordwesten hin liegt direkt hinter dem Krater ein Steilhang, so daß der Krater wohl bald weg-erodieren wird. Viel sehe ich nicht, denn der Nebel reißt nur kurz auf.

La Hoya de Fireba La Hoya de Fireba
La Hoya de Fireba
Nebelwald Nebelwald
Der Wald auf dem Kamm wird immer phantastischer.

Am Abzweig Montaña de la Fuente ist in OSM eine Quelle eingetragen und es gibt wirklich klares, gut schmeckendes Wasser. Ich tanke noch mal anderthalb Liter nach. Die Wasserversorgung von El Hierro ist auf Grund der höheren Berge und des Waldes darauf wesentlich besser als die von Gran Canaria. Die Luft kühlt in der Höhe stärker ab und verliert ihre Feuchtigkeit an die Bäume, von denen sie entweder im Boden versickert und Quellen speist oder sogar direkt abgeleitet wird. Zum Rasten ist es zu kalt, ich hoffe, daß heute noch die Sonne rauskommt.

Montaña de la Fuente Wassergewinnung

Wassergewinnung mittels Bäumen.

Gegen zwölf Uhr sind aus dem durchgehenden Nebel einzelne Wolken geworden, mit großen Löchern dazwischen, durch die die Sonne scheint. Ich lasse mich an einer Fläche vulkanischen Auswurfs nieder, die sich im Sonnenlicht schnell aufheizt. Ein Großteil der Insel besteht aus solchem Schaumstoff, der nicht mal zum Zelthäringe beschweren zu gebrauchen ist. Dafür läuft es sich sehr angenehm darauf.

vulkanischer Auswurf Wanderdüne

Eine Wanderdüne kommt mir entgegen (angetrieben durch West-Winde).

El Golfo Sonnenuhr

Ist das der Zeiger einer Sonnenuhr?

Eine Stunde später, wieder in den Wolken, erreiche ich den mit 1501 Metern höchsten Punkt der Insel, Malpaso. Der eine Extra-Meter stammt wohl vom Betonsockel, auf dem man den Vermessungspunkt errichtet hat. Für eine Rast ist es zu windig, ich entscheide mich, weiter zu gehen.

Friedenstaube Malpaso

Malpaso

Vermessungspunkt
1501!
Weg Weg
Schöner Kammweg

Am Raya de Binto ist in OSM eine Quelle eingezeichnet. Ich umrunde den Berg komplett und finde nichts. Dabei hätte ich nur einfach den Weg weitergehen müssen, der führt direkt dran vorbei.

Leuchtturm in Sicht Raya de Binto

Raya de Binto

Der Eingang zur Quelle ist hübsch mit einem Mäuerchen eingefaßt und mit Bäumen bepflanzt. Das Wasserbecken ist trocken, aber im Inneren höre ich es tropfen. Ich krabble hinein und stelle meine Wasserflaschen unter die Tropfstellen. Während sie sich füllen, mache ich Mittag. Diesmal kein Fertiggericht zum nur noch Wasser aufgießen, sondern was für den Topf. Abwaschwasser ist ja genug vorhanden.

Quelle Fuente de Binto Quelle Fuente de Binto
Quelle Fuente de Binto

Beim Rein- und Rauskrabbeln stoße ich mir zweimal den Kopf, was trotz Hut eine häßliche Schürfwunde ergibt. Etwas unterhalb der Fuente de Binto finde ich noch eine weitere Quelle, die momentan fast versiegt ist, aber zu anderen Zeitpunkten durchaus Wasser führen könnte.

Nudeln zweite Quelle

Zweite Quelle

Ich fülle alle Wasserflaschen auf, damit ich auf dem Westzipfel der Insel zurechtkomme, ohne nach Sabinosa absteigen zu müssen. Im Gebiet eines frisch gebildeten Vulkans wird es wohl kein Wasser geben.

Riß in der Erde
In einem Erdbebengebiet tun sich manchmal Risse auf.
Schafe
Gegenverkehr

Links des Weges schneiden sich unvermittelt tiefe Canyons in den Hang. Auch einige Stellen, wo der heutige Weg die Serpentinen des vor Hunderten Jahren angelegten Camino de la Virgen abkürzt, sind sehr stark erodiert. Der originale Weg ist dagegen Tiptop. Unsere Vorfahren wußten vielleicht nichts über Handys, aber Wege anlegen konnten sie. Es lohnt sich, die Serpentinen zu benutzen, um die Erosion nicht weiter voranzutreiben und weil ich in einer Kurve den Hinweis auf das Denkmal des Generals Serrador finde. Ich nehme den Abstecher mit und auch wenn ich nicht weiß, wer der General war, hat man vom Denkmal aus noch einen schönen Blick mehr über die Insel. Zumindest theoretisch, denn Nebel verhüllt das meiste.

Tal Tal Tal
Sehr abrupt beginnen aus dem Nichts enge Täler

Ich hätte mir gar nicht den Kopf stoßen müssen, denn am Cruz de Los Humilladeros gibt es bequem zu erreichendes Wasser an zwei Hähnen und einem fetten Anschluß. Der Platz dient während der Prozession als Tanzplatz.

Quelle am Cruz de Los Humilladeros Monumento General Serrador

Monumento General Serrador

Wegweiser Blüten

Blütentraum

Mein heutiger Übernachtungsplatz liegt direkt am Steilhang oberhalb El Golfos. Von unten weht ein starker Wind, aber 10 Meter dichte Krüppelkiefern reichen, um bei mir Windstille zu erzeugen. Unterhalb des Zeltes geht ein Wanderweg entlang, aber wer wird schon abends hier entlang kommen?

Ich hatte ja heute schon warmes Essen, deshalb gibt es nur Brot mit Mettwurst und Schmalzstulle, getrocknete Tomaten und dazu einen Tee. Danach fing es an zu nieseln und ich ziehe mich ins Zelt zurück und gönne mir ein wenig Sherry.

Zelt Zelt
GPS: 27.741030, -18.107780
Zelt am La Gorona.

  La Gorona ↣ Orchilla

Nachts um eins wache ich auf, weil irgendwas unter meinem Kopfende gräbt. Ich war mir erst nicht sicher, ob das ein Tier ist oder ein Erdbeben und habe mehrere Stellen abgehört. Nach ein paarmal auf den Boden klopfen ist Ruhe. Wird es wohl ein Tier gewesen sein.

Halb Neun denke ich über Aufstehen nach. Abgesehen von dem Buddler, der sich früh um Sieben noch mal gemeldet hatte, war die Nacht ruhig. Nach dem Frühstück kam ein Auto bis zur Kreuzung des Wanderwegs gefahren. Eine Frau und ein Mann stiegen aus, stritten sich lautstark eine Viertelstunde und fuhren wieder davon. Mich haben sie nicht bemerkt. Erst um Zehn bin ich abmarschbereit.

Auf dem Weg entlang des Steilhangs gibt es heute einige wunderschöne Ausblicke auf Sabinosa. Dort unten, 600 Meter tiefer, hätte ich auch radioaktives Heilwasser holen können, wenn ich nicht genug Wasser dabei oder ein Wehwehchen gehabt hätte.

Sabinosa
Sabinosa

Wassermangel herrscht auf dieser Insel wirklich nicht, denn am Mirador de Bascos, dem südlichsten Aussichtspunkt von Europa, finde ich einen weiteren Wasserhahn. Ich verdrücke einen Riegel als Zwischenfrühstück. Die Sonne ist wegen Wolken in den höheren Lagen schon wieder verschwunden und es weht ein frischer Wind.

Mirador de Bascos
Wasserspender am Mirador de Bascos
Küste Küste
Großartige Tiefblicke vom Aussichtspunkt!

Im Nordwesten endet eine Staubpiste am Sabina de El Hierro. Dieser windgebeutelte Wacholderbaum, den ich schon auf Werbeprospekten gesehen hatte, ist eingezäunt und mit einem Hinweisschild versehen.

Sabina de El Hierro
Sabina de El Hierro

Geht man ein Stückchen weiter den Hang hinunter, sieht man, daß das ganze Gebiet voll solcher Bäume steht. Ich kann gar nicht mehr aufhören, zu fotografieren. Ein Baum ist phantastischer als der andere!

windgebeutelter Wacholderbaum windgebeutelter Wacholderbaum
windgebeutelter Wacholderbaum windgebeutelter Wacholderbaum
windgebeutelter Wacholderbaum windgebeutelter Wacholderbaum windgebeutelter Wacholderbaum
windgebeutelter Wacholderbaum windgebeutelter Wacholderbaum
windgebeutelter Wacholderbaum windgebeutelter Wacholderbaum

Etwas benommen von so viel Schönheit setze ich nach anderthalb Stunden meinen Weg nach Süden fort. Die Sonne schien jetzt durchgehend und es wurde warm. Ich komme zur kleinen Kirche "Ermita de Nuestra señora de los Reyes", in der die Schutzheilige der Insel aufbewahrt wird.

Kirche außen Kirche innen
Ermita de Nuestra señora de los Reyes

Nicht weit entfernt befindet sich eine große Höhle "Cueva del Caracol", die der erste Ort war, an dem die Jungfrau von Los Reyes verwahrt wurde, nachdem Hirten sie der Legende nach 1546 von Seefahrern zum Geschenk erhalten hatten. Es scheint immer noch jemand dort zu wohnen, deshalb schaue ich sie mir nur aus der Ferne an.

Cueva del Caracol Cueva del Caracol
Cueva del Caracol

Der Vulkan Orchilla kommt in Sicht. Dahinter liegt der 1933 gebaute Leuchtturm. Zur Entstehungszeit des Vulkans kann ich nirgends was finden. Wegen des geringen Bewuchses sieht er für mich nicht älter aus als ein paar Hundert Jahre.

Orchilla
Orchilla

Bevor ich dort hingehe, beschließe ich, ein Tal zu erkunden, das von der Zufahrtsstraße des Leuchtturms nach Nordosten ansteigt. Insgeheim bin ich auf der Suche nach bisher unentdeckten Petroglyphen, bis mir später einfällt, daß dieser Teil der Insel zur Zeit der Ureinwohner noch nicht existiert haben dürfte. Zwischen den Büschen hängen viele Spinnenweben, die ich mit einer Rute entferne, weswegen ich mich manchmal wie Harry Potter fühle, der dauernd mit seinem Zauberstab herumfuchtelt. Wenn mich jemand gesehen hätte, sähe das bestimmt seltsam aus.

Talausgang Talkessel
Trockenes Tal

Das Tal endet in einem engen Kessel, in den dünnflüssiger Basalt ausgeflossen ist. Die Lava hat wunderbar glatte Oberflächen und hübsche Strukturen gebildet, von denen die Ureinwohner sicher begeistert gewesen wären.

Steinbrust Geschwulst
Schalen Schalen
Lavafall Lavafall Lavafall
leerer Platz Blasen leerer Platz
Steinformationen
Lavafluß
Hier ist dünnflüssige Lava wie ein Bach geflossen.

Danach gehe ich zum westlichsten Punkt der Insel. Das war im Mittelalter der westlichste Punkt der in Europa bekannten Welt, weswegen man den Null-Meridian hierher gelegt hatte. Das war praktisch, wenn man Entfernungen messen oder Landkarten zeichnen wollte, denn es gab noch keine negativen Zahlen. Man hat ein Denkmal für den Meridian errichtet.

Christoph Kolumbus war hier und hat vor seiner großen Fahrt nach Amerika Ausschau gehalten, wie auch ich es tue.

Null-Meridian
Der Nullpunkt der bekannten Welt. Was mag wohl dahinter sein?
Null-Meridian
Ich im Negativen!

Das letzte Ziel des Tages ist der Leuchtturm. Gerade als ich dort ankomme, hält auch ein Sportwagen davor mit einem Argentinier und seiner Freundin von Teneriffa. Wir schwatzen ein wenig und als sie wieder wegfahren, bin ich vermutlich der einzige Mensch am westlichen Ende der Insel. Selbst 19 Uhr freue ich mich noch über den Schatten, den der Leuchtturm bietet, denn wo die Sonne hinscheint, ist es immer noch heiß.

Leuchtturm Leuchtturp-Optik
Leuchtturm

Die Sonne wird bald im Meer versinken. Wo werde ich heute schlafen? Die Lava rundrum ist so scharfkantig und bucklig, daß man nirgends ein Zelt aufstellen kann. Das Leuchtturmgelände ist abgesperrt und davor sind Steinplatten, auf die ich mich legen könnte. Der erste Besucher am Morgen oder eventuelle Nachtschwärmer würden mich aufscheuchen. Ich gehe wieder zum Eingang des Tals zurück, das ich vorhin untersucht hatte. Dort gibt es einen kleinen Fleck feinen Sand im trockenen Bachbett, den ich mir vorhin schon auf Zelteignung angesehen hatte. Außerdem habe ich etwas Sichtschutz vor vorbeifahrenden Autos. Weiter oben sind auch nochmal kleine Sandflecken, aber ich habe Angst, daß mich dort herabfallende Steine treffen könnten.

Zelt Zelt
GPS: 27.716470, -18.139870
Zelt im Bachbett

Ich freue mich sehr über meinen hübschen Zeltplatz und genieße einen Abend ohne nervige Insekten. Nach Sonnenuntergang mache ich mir auf dem Kocher Abendbrot. Die Dunkelheit kommt sehr schnell, ich bin gerade mit dem Essen fertig. Eine kleine Fledermaus fliegt das Tal hoch und runter. Danach liege ich noch eine Weile vor dem Zelt und schaue in den unglaublich dunklen Himmel.


  Orchilla ↣ Parque Cultural de El Julan

Die Nacht war wieder zu warm für meinen Schlafsack. Ich habe mir langärmlige Sachen angezogen, damit ich nicht auf dem Zeltboden kleben bleibe und den Schlafsack nur über mich gelegt. Das war das erste Mal, daß ich das Zelt auf Sand aufgebaut hatte. Vorher hatte ich mit Reisig den Boden eingeebnet und die darüberliegende Zeltplane macht den Sand so hart wie Beton. Alles in allem war die Nacht wenig erholsam.

Früh fahren einige Kraftfahrzeuge zum Leuchtturm. Ich bin froh, nicht dort geblieben zu sein. Statt früh die Flucht ergreifen zu müssen, kann ich mir in Ruhe einen Kaffee machen.

Vulkan
Blick zurück zum Vulkan

Ich muß heute erst mal wieder ein ganzes Stück hoch. Heute sehe ich mir die Cueva del Caracol genauer an. Kurz nach der Kirche mache ich an einem Hirtenunterstand Mittag. Ich koche Linsensuppe, die 10 Minuten braucht, aber Benzin habe ich noch genug. Unter dem Dach sitzt es sich ganz gut, nur für den Fall, daß es anfängt zu nieseln. Es ist bewölkt, eigentlich ideales Wanderwetter.

Unterstand Linsensuppe
Mittag

An der Kreuzung nordöstlich der Kirche Los Reyes entscheide ich mich für den Weg Richtung Südosten. Dieser Weg führt erneut weit nach unten, was alles auf den Serpentinen der Asphaltstraße wieder hoch gelaufen werden muß. Das in OSM eingezeichnete El Refugio ist ein Komplex gelb gestrichener Häuser, die verlassen und schon etwas verfallen dastehen. Sie bieten nichts für Wanderer.

El Refugio
El Refugio hat nichts von einem Refuge

Ich hatte mich nach Kartenstudium schon damit abgefunden, lange Straße laufen zu müssen, aber kurz nach dem El Refugio finde ich einen gelb markierten Weg der Hirten (Camino de Los Pastores), der unterhalb der Straße entlang läuft. Angepriesen wird auf einem Schild, daß der Weg wenig Steigung hätte. Leider geht er im Gegenteil häufig auf und ab, weil viele Täler gequert werden müssen.

Von der Straße trennt den Weg eine Mauer, die sich über eine Länge von mehreren Kilometern als intakt und unüberwindbar erweist. Da hätte man vielleicht am Anfang des Weges mal drauf hinweisen können. Ich wollte mir zum Beispiel einen Vulkankegel näher ansehen, aber Pech gehabt! Falsche Seite der Mauer. Nur Autofahrer kommen in den Genuß der Beschreibung auf der Hinweistafel.

Vulkankegel
Vulkankegel auf der falschen Seite der Mauer.

Nach einer Weile steht auf der anderen Seite der Mauer dichter Kiefernwald mit wunderbar langen Nadeln. Meine Seite ist baumlos, weil das Weidevieh jeden Trieb wegknabbert, aber Kiefernnadeln wurden auch hierhin geweht, so daß ich mir einen schönen Platz für eine Rast suche.

Waldgrenze Waldgrenze
Waldgrenze

Eine geschlagene Stunde lang versuche ich, dem Wanderführer zu entnehmen, welchen Abzweig ins Tal ich nehmen muß, um zu den Felszeichnungen zu kommen. Ich bekomme die Skizzen und Beschreibungen im Buch nicht in Übereinstimmung mit meiner Open Street Map Karte. Sehr frustrierend!

Nach zwei Kilometern schwenkt der Wanderweg von der Waldkante weg. Ich muß mir langsam überlegen, wo ich heute schlafen möchte. Während an der Waldkante noch einige ebene Flecken zu finden waren, folgt jetzt eine Tal-Querung der nächsten. Alles ist schief. Ich suche in den Tälern nach Sandablagerungen, werde aber nicht fündig. Im Gegenteil liegen viele frisch abgebrochene Steine herum, mit hellgelben Bruchflächen, die wahrscheinlich durch die letzten Erdbeben verursacht wurden. Ich gehe weiter.

Talquerung
Eine der vielen Talquerungen.

Ich gelange zum "Centro de Interpretación del Parque Cultural del Julan" einem Museum, das sich den Petroglyphen widmet. Der große Parkplatz ist leer und das Gebäude ist geschlossen. Kein Schild verrät die Öffnungszeiten oder ob es generell schon fertig gebaut oder schon wieder pleite ist. Durch die Scheibe kann ich Fotos der Inschriften entdecken.

Museum Museum
Das Museum.

Hier würde also der im Wanderführer beschriebene Weg starten. Leider ist er abgesperrt und darf nur in Begleitung autorisierten Personals betreten werden. Weil ich keine Ahnung habe, wann hier mal solches Personal vorbeikommt, gehe ich weiter. Sehr schade! Mich hätte schon interessiert, wieviel sie bisher herausgefunden haben. Und um wirklich was über die Zeichnungen zu lernen, muß man sie selber sehen, nicht nur die Fotos.

Sicher war den Schöpfern der Zeichen die lange Haltbarkeit der Basaltoberflächen bewußt und sie haben sich den härtesten Stoff, den sie als Unterlage bekommen konnten, mit Absicht ausgesucht. Einen Kreis mit Stift auf Papier zu zeichnen ist schon schwierig, aber das Ganze noch mit viel Kraft und Geduld, ohne dabei abzurutschen? Ich wüßte nicht, wie ich das machen soll. Dazu noch an Stellen, an denen man sich sehr strecken mußte, wie den Strukturen im ersten Bachbett. Erkennt man irgendworan die Reihenfolge, in der die Zeichen und die Bestandteile der Zeichen erzeugt wurden? Hat man Werkzeuge gefunden oder kann anhand von Spuren auf Werkzeuge zurückschließen? Alles sehr spannende Fragen, zu denen ich gerne mehr wüßte.

Weg zu den Fundstellen Weg zu den Fundstellen
Weg zu den Fundstellen.

Es ist mittlerweile 19 Uhr 15 geworden. In einer Stunde wird es dunkel und ich muß mich um eine Übernachtung kümmern. Ich befinde mich inmitten einer Hang-Flanke, die über Kilometer sehr gleichmäßig geneigt verläuft. Nach oben zum Kamm sind es 600 Höhenmeter, es gibt aber keinen Weg, nach unten setzt sich das Gefälle bis zur Küste fort und es gibt ebenfalls keinen Weg außer dem gesperrten. Es wird also schwierig, einen waagerechten Platz zu finden. Ich schaue mir ohne Gepäck einige Taleinschnitte an, weil dort die Gleichmäßigkeit des Hangs am ehesten aufgebrochen wird, finde aber nur einen kleinen schiefen Platz für mein Zelt. Immer noch besser, als direkt auf dem Weg zu lagern. Ich baue das Zelt auf, koche Tee, esse Abendbrot und schon ist es dunkel.

Zelt am Hang GPS: 27.713270, -18.050620
Zelt am Hang.

  Parque Cultural de El Julan ↣ Camino La Virgen

Halb Drei wache ich auf und kann nicht mehr einschlafen. Ich höre etwas Musik, das hilft aber auch nicht gegen Schlaflosigkeit. Früh bin ich dann erst mal müde. Ein Auto fährt morgens auf der Straße oberhalb entlang, zum Besucherzentrum fährt nichts. Wenn ich eine Chance gehabt hätte, dort eine Führung zu bekommen, wäre ich nochmal dahin zurückgekehrt, aber wenn niemand die Zufahrtsstraße entlangkommt, wird wohl niemand dort sein.

Später verdichten sich die Hinweise, daß das Museum dauerhaft geschlossen ist. Die frisch gebaute Straße ist mit vielen Steinen und Schutt bedeckt, so daß wohl schon lange niemand hier langgefahren ist. Sie ist abgesperrt und das Schild mit den Öffnungszeiten liegt zerbrochen am Wegrand. Es war also eine gute Entscheidung, nicht nochmal zurückzugehen. Ein weiteres Schild sagt "close until further notice". OK, sie geben mir Bescheid, wenn es wieder aufmacht.

versperrter Weg zerbrochenes Schild
Das Museum ist vermutlich eine Investruine.

Die Sonne scheint und es ist heute ein Genuß, zu wandern, denn von den 7 Litern Wasser habe ich nur noch anderthalb und auch das Gewicht des Essens hat schon abgenommen. Der Weg mit der gelb-weißen Markierung geht etwas phantasielos eine Asphaltstraße entlang. Angetrieben vom geringen Rucksackgewicht biege ich nach links ab in eine schöne Waldpiste 300 Meter hoch zum Feuerwachturm auf dem Mercadel.

Waldpiste Feuerwachturm auf dem Mercadel
Weg zum Feuerwachturm auf dem Mercadel.

Neben dem Turm tuckert ein Dieselgenerator vor sich hin und es ist nicht ganz so romantisch, wie erwartet. Vermutlich ist es nicht erlaubt, auf den Turm zu gehen, aber die Tür läßt sich von innen leicht öffnen. Oben schieße ich ein Panorama und genieße die Aussicht. Im Moment bin ich noch über den Wolken, die von Süden heraufziehen. Mal sehen, wann sie mich erreichen. Bisher hatte ich noch keinen Regen abbekommen und auch der Nebel, durch den ich manchmal gelaufen bin, war eher angenehm und nicht stark durchfeuchtend.

Panorama in Druck-Ausgabe
Blick vom Feuerwachturm

Vom Turm aus kann ich mit langen Schritten einen Geröllhang herunterrutschen. Das macht Spaß und ich komme zügig voran. Weiter durch Wald geht es zur Höhle El Mocán. Der Höhleneingang ist mit einem Gitter versperrt. Im Licht der Taschenlampe erkenne ich einen schmalen Tunnel in den Berg.

Schild Cueva El Mocan Cueva El Mocan

Gefunden!

Ich komme an einem großen Rastplatz vorbei und erreiche 20 Minuten später Taibique. In einer Toilette fülle ich mir Wasser ab, das diesmal eklig nach Chlor stinkt. Leider macht der Supermarkt erst 16:30 Uhr wieder auf, in zwei Stunden. Ich suche nach einer Touristen-Info, die mir Auskunft über das archäologische Zentrum geben könnte oder mir ein Hotel in Valverde für morgen buchen könnte. Bei der ersten Durchquerung von Valverde auf der Suche nach Benzin war mir kein Hotel aufgefallen und die Touristeninfo in Valverde schließt werktags 15 Uhr. Ich müßte morgen also vor dieser Zeit im Ort sein.

Eine Touristeninfo finde ich nicht. Dafür einen weiteren vom Fremdenhasser zerstörten Wegweiser. In Taibique gibt es ein Hotel, aber für eine Übernachtung ist mir noch zu früh. Hinter dem Hotel ist eine Bar, die mir 3 Liter Wasser, ein Eis und zwei kalte Biere verkauft. Damit sollte ich bis zum Schluß hinkommen. Mal sehen, wie lange die Kälte reicht. Ich verlasse den Ort über eine steile Asphaltstraße Richtung Valverde. Es scheint so, als wollten die Einwohner von Taibique Wanderer noch lange im Auge behalten.

Taibique zerstörter Wegweiser

Zerstörter Wegweiser

Nachdem ich die Straße nach rechts verlassen habe, verschnaufe ich erst mal im Schatten. Viele Bäume haben Brandspuren und einige sind umgestürzt, weil die Wurzeln verbrannt sind. Ich gehe an vielen mit Steinmauern abgegrenzten Handtuchfeldern entlang zum östlichen Steilabbruch. Am Mirador de las Playas habe ich einen schönen Blick nach unten.

umgestürzter Baum östlicher Abbruch

Östlicher Abbruch

Tiefblick Tiefblick
Blicke zur Ostküste
Blockhaus
Wo gehts denn hier nach Norwegen?

Mein Weg führte mich durch San Andrés durch in das Waldgebiet nördlich des Ortes. Dort habe ich meine heutige Zeltstelle gefunden. Etwas erhöht am Waldrand habe ich einen wunderbaren Blick über das Tal davor, den gegenüberliegenden Wald und Teile der Hochfläche. Ich habe sorgfältig alle Zapfen und Steine beseitigt, damit nichts einer ruhigen Nacht entgegensteht. Das Bier ist nach 5 Stunden immer noch kühl, auch weil zwar häufig die Sonne schien, aber ein kühler Wind blies. Auch zum Zeltaufbau mußte ich mir erst mal was Warmes überziehen. Das wird voraussichtlich meine letzte Übernachtung im Freien sein und ich genieße sie entsprechend. Morgen will ich in einem Hotel oder einer Pension unterkommen, um mich vor dem Abflug ordentlich säubern zu können. Meine Hosenbeine sind total verschlammt.

Zelt GPS: 27.782450, -17.953320
Zelt bei San Andrés

Abends koche ich nichts mehr, entdecke aber oberhalb des Zeltes eine Schicht Kies, auf der man gefahrlos den Kocher am nächsten Morgen betreiben könnte. Große Matten aus Kiefernnadeln lassen sich einfach zusammenhängend anheben und wegräumen, um noch mehr Sicherheitsabstand zu schaffen. Man hätte sie auch als zusätzliches Polster verwenden können, wenn nicht schon ausreichend unter dem Zelt gelegen hätte.


  Camino La Virgen ↣ Valverde

Nachts ist der Wald völlig ruhig, aber halb acht zirpt und zwitschert es in allen Ecken. Von den Bäumen tropft es ein wenig und ich mache an meiner vorbereiteten Stelle den Kocher an und koche Kaffee. Das Frühstück ist wie immer etwas eintönig. Es gibt Knäckebrot und Finn Crisp, zwei verschiedene Marmeladen und als Abrundung eine Honigwaffel oder einen Keks. Dazu Milchkaffee.

Spatz
Früher Vogel fängt den Wurm.

Dreiviertel Zehn geht es los. Ich möchte nicht den gleichen Weg nach Valverde gehen, den ich schon kenne, sondern habe mir nördlich davon einen Weg gesucht. Mir begegnen wieder Schilder mit Texten zur Ruta del Agua, die ich schon auf dem Hinweg gesehen hatte. Der Tag beginnt neblig und relativ kühl. Nach einer Weile bemerke ich diesen markanten Fleck im Gras.

seltsamer Fleck seltsamer Fleck
Seltsamer Fleck

Was hat den verursacht? Außerirdische? Eine Senke, in der sich das Wasser gesammelt hat, ist es auf jeden Fall nicht, denn der Fleck zieht sich ein wenig den Hang hoch. Ich vermute, daß eine Ziege dort angepflockt war, die die leckeren Triebe weggefressen hat, aber ausschließen kann ich die Außerirdischen nicht.   ;-)

Garoé
Garoé

Bei El Garoé erwartet mich eines der Highlights der Insel, der tropfende Baum. Ich zahle einen Euro, um ihn mir anzusehen. Tropfende Bäume im Nebel sind hier eigentlich keine Seltenheit, aber dieser Baum tropft auch ohne Nebel! Der Legende nach entdeckten die Eroberer hier 1602 einen großen uralten Baum, von dem permanent Wasser tropfte und fällten ihn 1610. Typisch Eroberer eben! Danach war das Geschrei groß, denn niemand wußte, was das für ein Baum war. Auf der Insel gab es keinen zweiten. Mitte des letzten Jahrhunderts hat man vermutet, daß das ein marokkanischer Stinklorbeer gewesen sein könnte, und so einen hier gepflanzt. Tatsächlich tropft von den Blättern Wasser. Wobei die Lage im kühlen Lehmkessel natürlich die Kondensation begünstigt. Der lehmige Boden verhindert auch das Abfließen des Wassers, so daß der Baum 1602 in einem Tümpel gestanden haben soll. Schade, daß der Souvenir-Shop nicht mal ein T-Shirt hat.

Einbuchtung in der Felswand Geschichte
Garoé-Blätter Garoé-Blätter
Garoé

Der weitere Weg führte mich erst an hübschen Erosionskegeln im Sand-Lehm-Gemisch vorbei und später durch einen verwunschenen Lorbeerwald.

Erosionskegel
Erosionskegel
Lorbeerwald Lorbeerwald
Lorbeerwald
Allee Erosionsbremse

Dieser Baum widersetzt sich der Erosion! Vorerst.

An einem Stausee rolle ich nochmal die Isomatte aus und werfe den Kocher an für einen Hühncheneintopf. Mein MSR-Kocher läßt sich zwar theoretisch regulieren, aber sobald man den Hahn nur ein winziges Stück aufdreht, brennt er mit voller Flamme und ohrenbetäubendem Geräusch. 8 Minuten köcheln lassen ist schwierig. Ich drehe immer wieder auf und zu und handle mir dadurch einen rußigen Topfboden ein.

Das war's dann schon fast wieder! Unglaublich, daß ich vor kurzem noch am Leuchtturm war, in einer toten Felswüste. Das wirkt wie Erinnerungen aus einer anderen Welt. Diese Insel hat so viele Facetten, sehr beeindruckend!

Dann gehe ich nach Valverde. Zuerst zur Touristen-Info, wo ich nach einer Übernachtung frage. Die nette Frau, die leider kein Englisch spricht, kringelt mir auf der Karte das Hostal Casañas an. Die Info ist gut ausgestattet mit Kartenmaterial. Es hätte sich gelohnt, hier gleich zu Beginn vorbeizuschauen, denn auf den Wanderkarten sind mehr Wege als in OSM verzeichnet und man erfährt auch die Nummern der Wege, die auf den Schildern stehen, aber nicht in OSM. Zusätzlich nehme ich einen Gourmet-Flyer mit, der etwas seltsam ist, weil am Anfang auf drei Seiten betont wird, das es schon immer hervorragende Küche auf der Insel gegeben hat, im Anschluß aber darstellt, mit welchen Maßnahmen die Regierung das Essen verbessern will. T-Shirts haben sie nur wenige sehr helle mit Motiven der Madonna, nichts für Wanderer.

Hostal Casañas GPS: 27.806200, -17.914670
Hostal Casañas

Als Nächstes suche ich die im Flyer angegebene Taverne, finde sie aber nicht. Ich gehe in meine Unterkunft und wasche Wäsche und mich selbst. Die Aussicht vom Zimmer ist klasse, das Hotel sehr schlicht. Zum Beispiel hängen überall die "Spart Wasser!"-Schilder, aber es gibt für alle drei Abflüsse keine Stöpsel.

Aussicht vom Balkon
Aussicht vom Balkon

Die Läden im Ort machen erst 16:30 Uhr wieder auf. Ich unternehme noch einen Streifzug auf der Suche nach einem Wander-T-Shirt. Es gibt einige Souvenirläden, die T-Shirts verkaufen, die meisten sind einfach nur häßlich. Ein Shirt mit Spiralen drauf (den Zeichnungen der Ureinwohner) gefällt mir. Das gibt es aber nur in XL und Spiralen hab ich schon von Gran Canaria. Ich merke, daß ich eine Sehenswürdigkeit verpaßt habe: die Rieseneidechsen.

Im Supermarkt kaufe ich als Mitbringsel mehrere runde Käse, Marmelade und Mojo. Mal sehen, ob das alles schmeckt. Danach warte ich drauf, daß La Taberna aufmacht, um dort zu Abend zu essen.

Mir fiel plötzlich ein, daß ich noch Benzin im Kocher habe. Daraufhin bin ich nochmal zur Tankstelle am anderen Ende des Ortes gegangen, um das professionell zu entsorgen. Nachdem der Tankwart lange nicht versteht, was ich will, zeigt er mir eine Lösung. Ich soll das Benzin in die Rinne kippen, die die Tankstelle umgibt. Ich tue das und lüfte später alle Teile auf meiner Veranda aus, bis ich sie einpacken kann.

In der Taberna bestelle ich diesen Käse, der im Ministeriums-Flyer erwähnt wurde, und einen Weißwein. War beides lecker. Danach setze ich mich an den Rand des Dorfplatzes, wo für den Umzug im August Tänze geübt werden. Alt und jung machen mit, es ist das größte kulturelle Ereignis der Insel. Die Tänzer Valverdes wetteifern dann mit denen der anderen Orte. Für Fotos ist es schon zu dunkel, aber etwas von der Musik konnte ich mit dem Handy aufnehmen. Ich begreife, daß es nicht nur um Tanztraining, sondern auch um physische Kondition und Ausdauer geht, um den ganzen Tag der Prozession durchzustehen.


  Valverde ↣ Dresden


Valverde in der Morgensonne
Valverde in der Morgensonne

Mit dem Losgehen warte ich früh extra bis 8:30 Uhr, weil da der Bäcker gegenüber öffnen sollte. 10 Minuten stehe ich davor. Leider haben sie es nicht so mit der Pünktlichkeit und so müssen sie mit einem Kunden weniger auskommen. Vor dem Supermarkt entdecke ich eine Bar, die geöffnet hat und wo ich einen Kaffee und ein Stück Kuchen bekomme.

Blütenstände
Meterhohe Blütenstände

Ich könnte mir natürlich ein Taxi zum Flughafen nehmen, aber bis zum Abflug habe ich noch genug Zeit, um den Weg, den ich gekommen bin, auch wieder zurückzulaufen. Das hat auch was, komplett ohne Verkehrsmittel auszukommen. Der Weg war schon wieder neu mit Spinnenweben zugehängt. Die Spinnen hatten ja eine Woche Zeit. Erneut kommt ein Zauberstab zum Einsatz.

Unten probiere ich das erste Mal einige der verlockend roten Opuntien aus. Lecker! Schade, daß ich da erst jetzt draufgekommen bin. Ich hätte mir unterwegs öfter mal ein paar Vitamine holen können. Sie haben 4 mm dicke Kerne, weswegen manche die vielleicht nicht mögen, aber einen sehr fruchtigen Geschmack. Ich bin gespannt auf die Marmelade daraus, von der ich mir gestern ein Glas gekauft hatte. Opuntien, die auf Meereshöhe wachsen, sind übrigens einfacher zu fassen, weil sie ihre Stacheln manchmal nur am Ende haben.
Am Zaun des Militärgeländes am Flughafen wachsen wild einige Tomaten, die ich auch noch ernte. Sie sind noch kleiner als typische Party-Tomaten, schmecken aber ebenfalls hervorragend.

Opuntien Tomaten

Tomaten

Ich bin knapp eine Stunde vor Abflug am Flughafen. Hier gibt es endlich mein Wander-T-Shirt: Rot, mit vorn einem stilisierten Garoé-Baum und hinten drauf einem längeren Text, den ich noch übersetzen muß. Sehr hübsch! Auf dem Rückflug lese ich in der Lokalzeitung, das Barack Obama auf die Insel eingeladen wurde, auf der das Nasa-Satellitenbild des Jahres entstand.

Obama-Einladung
Obama-Einladung

Am Flughafen Teneriffa Nord wartet ein abfahrbereiter Bus auf mich, nachdem ich mit etwas Mühe, meinen Rucksack im vollen Gepäckfach untergebracht habe. So habe ich am Südflughafen wieder viel Zeit. Erst in vier Stunden startet mein Rückflug. Ich beschließe, zum Urlaubsausklang noch an den Stand zu gehen. Da war ich auf El Hierro irgendwie nicht zu gekommen. Leider liegt zwischen dem Atlantik und dem Flughafengebäude der Flughafen, aber ich entdecke auf der Karte, daß es einen unterirdischen Durchgang gibt. Ich gehe am Flughafenzaun und dem Radarturm der Flugüberwachung vorbei zu einem Tunnel. Der ist lang und unbeleuchtet, aber die Kamera meines HTC Hermes hat eine irre Restlichtverstärkung. Ich schaue auf den Bildschirm des Handys und sehe, was vor mir liegt.

Tunneleingang Tunnel

Im Tunnel

In einem kleinen Supermarkt kaufe ich mir zwei Bier und voilà, da ist Strand. Die große Wanderung zum Strand hatte sich gelohnt. Ich mache mir im Atlantik die Füße naß und es mir dann auf Steinen gemütlich. Bald kommen einige Eidechsen, die größte davon 40 Zentimeter lang, und wollen unbedingt an meinen Zehen knabbern. Die kleinste lasse ich einen Moment gewähren, zucke dann aber doch zurück. Ich weiß nicht, ob die schmerzhaft zubeißen können, und verscheuche sie lieber.

Strand Eidechse
Strand

Nach einer Stunde trete ich den Rückweg an. Im Tunnel hat jemand einen Beutel mit Lebensmitteln deponiert. Eine Spende, für jemanden, der hier lebt? Oder hier durchkommt? Ich stelle ein Bier dazu.

Tunnelausgang Versorgungsdepot

Versorgungsdepot

Fazit: Das war ein wunderschönes Abenteuer, von dem ich auch zehn Jahre später noch gerne erzähle. El Hierro ist sehr abwechslungsreich und hat ein gut ausgeschildertes Wanderwegenetz. Wenn es nicht so viel mehr in der Welt zu entdecken gäbe, würde ich gerne wiederkommen.


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