Bach in ORWO-Color


Fan-Gebirge 1989

Tom Schilling

Für meine Mutter


Impressum

Auflage September 2023
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland

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1989 - Expedition ins Fan-Gebirge (Ausläufer des Pamir) mit Tom, Wolfgang, Claus

O ca. 4000 m


Karte der kompletten Tour
Die Tour mit allen Übernachtungen

Vorwort Dezember 2021

1989 hatte ich die Gebirge, die im Ostblock leicht zugänglich waren, größtenteils durchwandert. Mir stand der Sinn nach Neuem. Die UdSSR schien für DDR-Wanderer unerreichbar. Touristen durften sich nur in organisierten Reisen oder mit Privat-PKW auf vorher bekanntgegebener Route dort aufhalten, mußten sich dann aber jeden Tag am Zielort melden. Wanderer waren im System nicht vorgesehen. Der "große Bruder" traute seinen kleineren Brüdern offensichtlich nicht über den Weg. Auch Einheimische durften sich im Land nicht unkontrolliert bewegen, es gab Kontrollposten entlang der Staßen.

Ich kannte über meinen Bruder eine große Dresdener Community, die sich einmal im Jahr zum "Stollenanstich" trafen, einer Wanderung in die Sächsische Schweiz typischerweise am ersten Advent, mit Lagerfeuer, Würstchen grillen, Glühweinausschank und eben dem Anschnitt des ersten Dresdener Christstollens in der Weihnachtssaison. Im letzten Jahr traf man sich nach Rückkehr vom Stollenanstich noch zu einem Lichtbildervortrag. Dort hörte ich zum ersten Mal von einer Gruppe, die sich in Rußland als wissenschaftliche Expedition ausgegeben hatten und sich aus mitgebrachten Fässern und vor Ort gefällten Bäumen ein Floß gebaut hatten, mit dem sie einen Grenzfluß zu China heruntergefahren waren. Sie hatten sich sogar ein "Sibir"-Logo entworfen und auf die Plastetonnen gemalt, was der Sache einen offiziellen Anstrich geben sollte. Sie planten, das in den nächsten Jahren zu wiederholen und auch ich wollte da hin. Mein Ziel war das Fan-Gebirge, weil ich in einem Buch darüber gelesen hatte.

Ich hatte mich kurz mit einem von Ihnen getroffen und Ihn nach den Details ausgefragt. Der Schlüssel ins Land war ein Durchreisevisum von der DDR nach Bulgarien über die UdSSR. Normalerweise fuhr man nach Bulgarien über Ungarn und Rumänien mit dem Zug, aber es gab auch die theoretische Möglichkeit, über Kiew zu fliegen. Das Transit-Visum durch die UdSSR galt für 2 Tage. Der Trick war, einfach in Kiew auszubüchsen und in den asiatischen Landesteil zu fliegen, wo man keinen so großen Wert auf Visas legte.

Mit meinem Studienkumpel Tom und zwei seiner Freunde aus Greiz, die ich vorher und nachher nie wiedergesehen hatte, plante ich genau das. Wir hatten uns in Berlin in einem russischen Reisebüro Flüge von Berlin nach Taschkent, Samarkand und von Duschanbe gekauft, ohne daß jemand nach Visas gefragt hätte. Einzig die Strecke von Taschkent nach Samarkand wollten wir hinzu aus romantischen Gründen mit dem Zug fahren, was ein Fehler war, denn Platzkarten vor Ort zu bekommen, war weit schwieriger als Flugtickets.

Schuh

Zur Vorbereitung der Hochgebirgstour hatte ich mir bei meinem Freund Wieland solide Leder-Bergschuhe (1,5 kg je Schuh mit Schnürsenkeln), einen selbstgebauten Eispickel und Steigeisen geliehen. In Berlin konnte ich 5 Ruppberg-Karabiner, ein Kletterseil und einen Barthel-Kocher erstehen, alles Dinge, die es in Dresden normalerweise nicht gab. In Greiz gab es zufällig einen großen Innengestell-Rucksack zu kaufen. Außerdem hatten die Greizer Beziehungen zu einem Bäcker, der ultraleichtes und 2 Wochen frisches Brot backen konnte (Brot backen, in Alkohol legen und wieder backen → das Brot bleibt 14 Tage weich). Ich wollte mir auf Arbeit noch gefriergetrocknetes Fleisch herstellen, bin aber aus Zeitmangel nicht dazu gekommen. Wir planen Lebensmittel für 3 Wochen mitzunehmen.

Ausrüstung Ausrüstung
Die bis heute erhaltenen Ausrüstungsgegenstände.

Einige der Ausrüstungsgegenstände haben in meinem Haushalt bis heute überlebt. Das Zelt und die Isomatte sind 2002 bei der großen Elbeflut Richtung Hamburg aufgebrochen, weil sie am Wochenende davor für Filmarbeiten in Schmilka genutzt wurden und für das nächste Wochenende dort eingelagert wurden. Es war ein blaues einlagiges Firstzelt "Fichtelberg" aus beschichteter Kunstseide und wog mit den Alu-Guß-Heringen und Einlegfolie etwas über 3 kg. Der Stoff war zwar viel schwerer als heutiger Zeltstoff, dafür wogen die beiden kurzen Alustangen vorn und hinten wesentlich weniger. Die Isomatte, von der noch ein Stück erhalten ist, sieht zwar aus wie heutige Evazote-Matten, ist aber knochenhart. Man konnte sich damit im Zug auf das Gepäckablage-Gitter legen. Der Schlafsack ist eine tschechische Daunen-Mumie mit Inlet und Bezug aus Baumwollstoff, die ich mal gebraucht kaufen konnte. Sie wiegt knapp 3 kg. Beim Betrachten der Bilder ist mir wieder eingefallen, daß Tom und ich mit klein zusammendrehbaren Imkerhüten unterwegs waren. Die beiden Gletscherbrillen und die Benzinflasche habe ich ebenfalls wiedergefunden.

Auch meine Packliste und Reisevorbereitung habe ich wiedergefunden: Reisevorbereitung Vorderseite
Reisevorbereitung Rückseite

An Kartenmaterial hatten wir nur aus einem Buch thermokopierte Übersichtsskizzen mit. Wanderkarten der UdSSR gab es in der DDR nicht. Dank Open Street Map sehe ich heute zum ersten Mal, wo wir eigentlich gewesen sind. GPS gab es damals noch nicht, alle Koordinaten-Angaben habe ich mir nachtäglich aus OSM geholt. Die Angabe der Übernachtungsplätze ist also nicht so akkurat wie sonst.

Karte des Fan-Gebirges
Open Street Map-Karte des Fan-Gebirges mit unseren Übernachtungsorten.

2021 glaubte ich noch, daß keine Fotos der Tour erhalten wären. 2023 habe ich einige Dias wiedergefunden. Mittlerweile ist mir auch klar, warum ich sie so weit weggeräumt hatte. Ich hatte eine Lomo-Kamera und zwei Farbdiafilme Orwochrome UT18 mitgenommen. Leider war beim ersten Film der Filmtransport-Mechanismus der Kamera ausgefallen. Im Gebirge kam ich noch auf die Idee, den zweiten Film im Dunkeln im Schlafsack komplett auf die Aufwickel-Spule in der Kamera zu wickeln und mit der Zurückspul-Kurbel nach jedem ausgelösten Bild um einen Bildabstand in die Filmkassette zurückzutransportieren. Dummerweise hatte ich nicht berücksichtigt, daß der Film auf dem Wickel stark zurückfedert. Das Resultat waren Fotos, die sich auf dem Filmstreifen rechts und links mit dem jeweils nächsten Bild überlappten, nur die Bildmitte war OK. Da das Filmlabor keine voneinander getrennten Bilder gefunden hatte, wurde der Filmstreifen an irgendwelchen Stellen in Dias geschnitten, was ihm den Rest gegeben hat. Zudem war der zweite Film falsch entwickelt worden, so daß alle Bilder einen heftigen Orange-Stich zeigten. Mit einem Diaprojektor ließ sich nichts mehr erkennen. Im Herbst 2023 habe ich die Dias von einem Labor scannen lassen und am Computer nachbearbeitet, damit ich wenigstens etwas zur Illustration habe.

Tagebuch Seite_08.09.1989

Neben dem ganzen anderen Krempel, den wir mitschleppten, hatte ich ein kunstledereingebundenes russisches Tagebuch (206g) mit, in das ich mir Notizen gemacht hatte. Ich habe es mit Freude nach 32 Jahren wieder gelesen. Vieles hatte ich vergessen und ich staune immer noch, wie naiv und wagemutig ich damals war. Das Folgende ist die genaue Abschrift des Tagebuchs, die dankenswerterweise von Anna Sluka erledigt wurde. Die eingescannten Tagebuchseiten sind rechts in den Tagesüberschriften verlinkt. Wo es zum Verständnis des Geschriebenen notwendig ist, habe ich Kommentare [ ] eingefügt.


1989 - Tadschikistan, Fan-Gebirge   Expeditions-Tagebuch




  Dresden ↣ Kiew Tagebuchseite

Eine große Tour liegt vor uns, das heißt vor Wolfgang, Claus, Tom und mir. Reisevorbereitungen wurden bereits letzten Sonnabend getroffen, wo Tom und ich eigens nach Greiz kutschiert sind. Abreise von Dresden war früh 7:35 Uhr. Ankunft in Berlin kurz nach 10 Uhr. Die anderen warten schon im Flughafengebäude. 12:40 Uhr begeben wir uns zur Zollkontrolle, dort scheint die Reise schon zu Ende zu sein, denn einen Transit über die UdSSR gibt es nach Ansicht des Passkontrolleurs nicht. Nach Telefonieren werden wir mit der Bemerkung, dass alle [in Kiew] wieder zurückgeschickt werden, doch durchgelassen. Zollkontrolle durch Abtasten mit Magnetsensoren. Garderobenhaken sind präpariert! [ich vermute eine Kamera dahinter] Da wir die letzten im Bus sind, erwischen wir Fensterplätze in der TU154. Gepäck ging ohne Beanstandung durch (in Kiew nachgewogen: 32kg). [Ich wog damals übrigens laut meinem Judo-Wettkampfbuch weniger als 65kg.]

Nach unruhigem Start 13:40 Uhr toller Flug [mein erster]. Unterwegs Bewölkung. 18 Uhr in Kiew. Gepäckaufbewahrung im Keller. Fahrt mit Taxi in die Innenstadt (ca. 40 km) kostet 18 Rubel. Haben im Hotel "Lybid" eine Übernachtung für 85,- M pro Mann gebucht (Zweibettzimmer mit Dusche und Frühstück). Kurzer Einkaufsbummel bis 21 Uhr. Abendessen im "Lybid" für 13,- Rubel gesamt. Zwei Stunden Zeitverschiebung nach Hause.

GPS: 50.446129, 30.493389

  Kiew ↣ Taschkent Tagebuchseite

9 Uhr wecken und frühstücken im Hotel. Wollen zum Intourist-Büro Lenin-Uliza 26 mit Trolleybuslinie 9 bis Opera-Theater. Da wir in verkehrter Richtung losfahren, dauert es eine Weile. Reservation für Platzkarten ist erst 15 Tage vor Fahrt möglich.

Danach mit Bus Nr. 10 (besser wäre 20 gewesen) zum Höhlenkloster. In einer kleinen Kirche geht rechts vom Altar ein Gang hinunter. Ohne Kerzen ist's dort stockdunkel. In Nischen liegen in ca. 100 m Tiefe kleine verglaste Särge und darin ein kostbar eingewickeltes Etwas.

Mit Taxi (20 Rubel) geht's wieder zum Flughafen. Dort gibt es 30 Min vor Abflug eine verworrene Situation, da wir nicht am Inlandsflugschalter abgefertigt werden und den Intourist-Schalter suchen müssen. Da wir bei Interflug nur 20 kg Gepäck zugelassen hatten, müssen wir für 30 kg 35 Rubel bezahlen. Diesmal Flug mit IL86, davon die Hälfte im Dunkeln.

23 Uhr Ankunft in Taschkent. Lassen uns für eine Flasche Klaren zum Südbahnhof fahren [Wir wußten nicht, daß Flughafen und Bahnhof unmittelbar nebeneinanderliegen, man hätte auch laufen können. Das Taxi fährt uns eine halbe Stunde durch die Stadt.] und warten auf die Abfahrt des Zuges 2:15 Uhr, der nicht fährt.

Taschkent ist wie Kiew auch eine trostlose Neubaustadt. [Wir verbringen die Nacht auf dem Bahnsteig. Nachts lädt uns der Filmvorführer des Bahnhofskinos ein, bei Ihm einen Film anzusehen. Er findet Deutschland Klasse, vor allem die beiden größten Deutschen: Arnold Schwarzenegger und Adolf Hitler. Wir lehnen dankend ab.] 3 Stunden Zeitverschiebung zur Kiewer = Moskauer Zeit.

GPS: 41.267179, 69.25317

  Taschkent ↣ Samarkand Tagebuchseite

Der Schalter öffnet 6 Uhr, wir lassen Plätze für den Zug 18:40 Uhr reservieren. Die restliche Zeit verpennen wir im Park. Danach bis Samarkand im Zug. 1 Uhr da. In Samarkand legen wir uns vor dem Bahnhof auf den Sitzgestell einer Teestube zur Ruhe.
Sputnik 9 in Deutsch gekauft am Zeitungskiosk. [Der Sputnik war ein russischen Magazin, was normalerweise niemand gekauft hat, weil es 100% Propaganda war. Zur Zeit der Perestroika wandelte sich das Blatt und brachte lange Beiträge über die Gräueltaten von Lenin und Stalin. Auf einmal war es in der DDR verboten und wir waren begierig, das zu lesen.]

GPS: 39.699011, 67.012473

  Samarkand ↣ Turbasa "Artutsch" (2200 m)

Aufstehen 7:30 Uhr. Wir steigen sofort in Buslinie 1, fahren bis Endstation und sofort weiter mit anderem Bus bis zum Busbahnhof nach Pendschikent. Der Busfahrer gibt uns Benzin ab. Danach geht es nach kurzem Warten weiter im total überfüllten Bus nach Artutsch. In brütender Mittagshitze marschieren wir von dort ab. Beim ersten Rastplatz wollen wir Tee kochen, kommen aber nicht dazu, weil uns ein LKW bis zur Touristenbasis mitnimmt, was uns gut einen halben Tagesmarsch einspart. Hier bauen wir erstmalig die Zelte auf, außerhalb der Touristenbasis, aber in Sichtweite. Einige Basis-Insassen kommen und fragen, ob wir Kletterzeug zu verkaufen haben. Im obersten Stock des Holzhauses soll es einen Kiosk geben.

Gletscher in Sicht GPS: 39.27246, 68.13516
Gletscher in Sicht


  Turbasa "Artutsch" Tagebuchseite

U 2200 m, O 2790 m

Rasttag. Früh liegt ein großer Hund vor unserem Zelt. Ein Schäfer ermahnt uns, keine grünen Zweige zum Feuer zu nehmen. Claus und Wolfgang haben Durchfall, deshalb wird heute der erste Akklimatisationstag eingelegt.

Tom und ich gehen zum Tschukurak-See (2400 m) und zum Sierat-See (2790 m). Der Weg dahin führt durch die Turbasa. Im ersten Felsenkessel darüber ist jeder kletterbare Riß mit einer Nummer versehen, anscheinend das Übungsgelände der Alpinisten. Der in der Karte eingezeichnete Bach verschwindet schon kurz über dem Lager im Boden. Tschukurak-See (eigentlich 2 Seen) sind sehr schön, bloß etwas trüb, der Sierat-See ist ausgetrocknet.

schneebedeckte_Gipfel Hirtenunterkunft

Hirtenunterkunft



  Turbasa "Artutsch" ↣ Kulikalon-See Tagebuchseite

U 2200 m, O 2850 m

Frühzeitiges Aufstehen, da wir heute die erste größere Tour vor uns haben. Frühstück und Packen dauert trotzdem 3 Stunden. Aufstieg ist in der Hitze sehr beschwerlich. In der Mitte des Weges machen wir am Bach Rast und kochen auf einem Holzfeuer Tee. Wolfgang hat immer noch Durchfall und außerdem Schmerzen in der Brust.

Als wir nach 17 Uhr den See erreichen, nehmen wir als erstes ein kurzes erfrischendes Bad. Der Kulikalon-See liegt zwischen einem Gletscher am Fuß einer 1000 m Wand und einer surrealistischen Erdmoränenlandschaft mit vielen Hügeln, Steinen und verstreuten Bäumen. Dadurch bekommt der See viele Buchten und man kann hier eine Menge Leute unterbringen, ohne daß sie einander stören. Gegen Abend kommt ein Bergführer und ein Mann von einer jüdischen Reisegruppe aus Moskau an unser Lagerfeuer und laden uns ihrerseits zu sich ein. Claus und Wolfgang sind etwas sauer, weil Tom und ich absolut keine Lust zum Gegenbesuch haben und sie allein losziehen müssen.

Kulikalon-See - Blick zum Alaudin-Pass GPS: 39.2574, 68.1735
Kulikalon-See - Blick zum Alaudin-Pass


  Kulikalon-See Tagebuchseite

U 2850 m, O 3700 m

Tom und ich stehen kurz vor 8 Uhr auf und brechen nach kurzem Frühstück auf in Richtung Temirtau-Pass (3640 m) ohne Gepäck. Bis zum Pass laufen wir die ganze Zeit im Schatten in Richtung 1000 m Wand. Bis dort ist der Weg gut erkennbar, der eigentliche Aufstieg zum Pass geht über Geröllfläche, wo keine beziehungsweise sehr viele Wege vorhanden sind. Kurz unter dem Kamm geht's vertikal nicht mehr weiter und wir müssen ca. 200 m nach links queren. Das Gestein ist extrem brüchig, weshalb viele Griffe und Tritte wegbrechen und kleine Lawinen auslösen. Es ist uns die ganze Zeit recht mulmig zumute.

Der Abstieg auf der anderen Seite ist glücklicherweise weniger steil und problemlos. Unten kommen wir am 2350 m [Duschacha]-See vorbei, eigentlich 2 durch eine kurze Stufe verbundene Seen. Danach kommt eine Flußdelta-ähnliche Landschaft mit vielen Tümpeln, sehr schön.

Im Lager angekommen sind wir ziemlich k.o., aber glücklich über unsere erreichte Höhe von etwa 3700 m, da wir etwas neben dem Pass herausgekommen sind. Wolfgang holt uns zum Lager der Moskauer Juden, wo der Bergführer eine Sauna aufgebaut hatte. Essen dort Fischsuppe (selbst geangelt) und vorzügliches Berberitzen-Preiselbeer-Kompott (selbstgemacht).

rechts steht Tom
Rechts steht mein Studienfreund Tom, links entweder Claus oder Wolfgang (ich habe vergessen, wie die aussahen).


  Kulikalon-See Tagebuchseite

2. Akklimatisierungstag. Wolfgang, der immer noch nicht völlig gesund ist, und Claus wollen ohne Gepäck zum Laudan-Pass (3652 m). Tom und ich hüten das Haus, gehen 2x baden und waschen Wäsche. Unsere Kamera ist kaputt.



  Kulikalon-See ↣ Alaudin-See

U 2850 m, O 3730 m

8 Uhr wecken. Nach 2 Stunden 15 min Aufbruch zum Alaudin-Pass (3730 m). Finden nach der Sumpflandschaft nicht sofort den richtigen Einstieg. Aufstieg ist sehr strapaziös, weil man die gesamte Strecke fast ständig vor Augen hat. Der Abstieg ist noch steiler und geht extrem über die Beine. Am schmalen Randstreifen des Sees sind wieder die russische Gruppe unter Führung von Djulio, mit der wir seit Kulikalon parallel laufen, und einige andere russische Gruppen versammelt.

am Alaudin-Paß Weg zum Alaudin-See

Weg zum Alaudin-See.

Anstieg Tal
Kraftraubender Aufstieg in großer Hitze

Der Alaudin-See (2700 m) ist kälter und algenreicher als der Kulikalon-See und durch letztere von sattgrün bis tiefblau gefärbt. In der Nähe des Zeltes gibt es massenhaft Mäuse.

Lager am Alaudin-See Lager am Alaudin-See
Lager am Alaudin-See.
Wir hatten 4 identische Rucksäcke, Tom und ich die gleichen Imkerhüte und auch gleiche Schneebrillen.
Der mit dem nicht karierten Hemd und Imkerhut bin ich.
GPS: 39.2395, 68.2561

  Alaudin-See Tagebuchseite

Wieder mal Rasttag. Tom und Claus unternehmen einen Rundgang um den See. Wolfgang läßt sich noch mal vom Arzt [der russischen Expedition] untersuchen, der ihm vom Tschimtarga-Pass (4600 m) abrät. Daraufhin planen Wolfgang und Claus Richtung Nordosten und dann Osten bis zur Autostraße Duschanbe-Leninabad aus dem Gebirge herauszugehen. Tom und ich wollen weiter Richtung Tschimtarga-Pass und möglicherweise noch auf den Pik Energie. Nachmittags nehmen wir am anderen Ufer des Sees eine Waschung mit anschließender Ganzkörperbräunung vor.

Von Wolfgangs und Claus's Seeumrundung wissen wir, daß am kleinen See unterhalb des Alaudin-Sees eine Gruppe Tschechen lagert, die am Ende ihrer Expedition angekommen sind und ihre Ausrüstung verkaufen. Djulio hat für je 100 Rubel zwei Schlafsäcke gekauft. Wir versuchen eine neue Kamera zu bekommen und tauschen eine ФЕД-5С gegen 5 deutsche Karabiner ein. Am Abend, als wir uns mit der Kamera schon völlig auskennen, wird der Tausch von den Russen rückgängig gemacht, die auf einmal noch 40 Rubel zusätzlich wollen.

Wiesel gesehen.



  Alaudin-See ↣ Trüber See Tagebuchseite

U 2700 m, O 3500 m

8 Uhr wecken. Der Aufbruch ging wesentlich schneller, weil Wolfgang nicht mitkommt und sich voll aufs Frühstück machen konzentrieren konnte. Claus kommt ohne Gepäck nur zum Fotografieren mit. Aufstieg zum Trüben See (3500 m) dauert 3 Stunden. Als wir am See anlangen, ist die russische Gruppe schon hier, eine andere Gruppe Alpinisten kommt nach uns. Beide bleiben jedoch nicht am See, sondern ziehen weiter. Nachdem wir uns vom Claus getrennt haben, der wieder absteigt und Wolfgang doch noch überreden will, wenigstens über den Kasnok-Pass (4040 m) mitzukommen, sind wir mutterseelenallein inmitten vegetationsloser gewaltiger Gipfel. Am trüben See wächst kein Strauch. Sofort bekommen wir beide Katzenjammer.

Mit Claus hatten wir vereinbart, dass wir zwei Tage hier bleiben, damit sie sich uns doch noch anschließen können [wenn sich Wolfgangs Zustand noch bessert]. Das kann eine trostlose Zeit werden. Der Lesevorrat ist uns zu allem Unglück auch noch ausgegangen. Am Abend kommen noch einige Russen, aber ohne Kommunikation zu uns.

GPS: 39.19559, 68.23892

  Trüber See Tagebuchseite

Sehr spätes Wecken, da wir ja nicht viel zu tun haben. Am Nachmittag gehen wir Richtung Kasnok-Pass zu den Schneefeldern in etwa halber Höhe, um Steigeisen und Einbinden ins Seil auszuprobieren. Mit Steigeisen läuft es sich nicht so schwierig, wie anfangs gedacht. Abends berichten uns zwei verschiedene durchziehende Gruppen, das Claus und Wolfgang zum Pasrud-Fluß abgestiegen sind. Wir brauchen also nicht noch den nächsten Tag abwarten, sondern können zum Tschimtarga-Pass aufsteigen.



  Trüber See ↣ Alaudin See

O 3500 m, U 2700 m

Kommen erst 9 Uhr hoch. Vom Westen kommen Wolken und Nebel, außerdem fängt es an zu schneien. Während des kurzen Frühstücks verfinstert sich erst der Tschimtarga-, dann der Kaznok-Pass, so daß wir nach ständigem Umplanen doch wieder zu der Wiese über dem Alaudin-See absteigen. Bis zum Abend regnet es ununterbrochen. Habe Folie fürs Zelt vergessen, dementsprechend ist alles naß. Schlechte Laune.

GPS: 39.2395, 68.2561

  Alaudin-See ↣ Trüber See Tagebuchseite

U 2700 m, O 3500 m

Früh scheint die Sonne zaghaft durch den aufsteigenden Bodennebel. Nachdem alles wieder trocken war und nach kurzer erfrischender Waschung im See wollen wir unsere geplante Tour noch einmal versuchen. Der Aufstieg zum Trüben See ist diesmal noch beschwerlicher als beim ersten Mal, trotz etwas leichterem Gepäck. Oben finden wir die Folie für den Zeltboden wieder. Wir bauen das Zelt an gleicher Stelle wie das letzte Mal auf.

Beim Abendbrot beginnt es zu schneien. Der Fotoapparat läßt sich mit rückwärts durchgespultem Film möglicherweise doch noch betreiben. Da bei uns beiden die Luft etwas raus ist, beschließen wir am Abend für den nächsten Tag die Kasnok-Pass-Variante. Kurz vorm Dunkelwerden kommen noch 5 Russen, davon 3 Mädchen, die am nächsten Tag ebenfalls über den Pass wollen.

GPS: 39.19559, 68.23892

  Trüber See ↣ Kasnok-Pass ↣ Alaudin See Tagebuchseite

O 4000 m, U 2700 m

Am Morgen läßt der Schneefall etwas nach. Nach dem Frühstück im Zelt brechen wir auf Richtung Kasnok-Pass. Den ersten Teil des Weges kannten wir schon vom Steigeisen ausprobieren. Wegen des Schnees ist der Weg auch hier schon nicht mehr leicht zu finden, obwohl der Weg auf mehreren parallelen Gletscherketten durch viele Steinmännchen markiert ist. Ab etwa halbe Höhe hören wir die Steinmännchen völlig auf und wir müssen uns auf eigene Faust den Weg durch teilweise kniehohen Schnee bahnen. Sehr beschwerlich. Es folgt ein langes Rätselraten, wo der Pass sein könnte, da Karte und Wirklichkeit nur wenig übereinstimmen.

Nachdem wir über einen steinlosen Gletscher zum vermuteten Pass gegangen sind, dort der Weg aber unbegehbar wird, kehren wir um. Wir werden etwa knapp 4000 m Höhe erreicht haben. Beim Abstieg sind nach 200 m unsere eigene Spuren schon zugeweht. Ebenfalls sehr kraftraubend. Nach kurzer Pause am Trüben See steigen wir bis zum Alaudin-See ab. Dabei ständig Schneetreiben ins Gesicht. Wir schlagen das Zelt auf der Wiese wie vor 2 Tagen unter einem Baum auf. Schlafsäcke sind glücklicherweise trocken geblieben.

[Wenn ich mir das heute in Open Street Map ansehe, hatten wir wahrscheinlich den Knick des Weges nach Osten verpaßt und waren 600 Meter zu weit westlich auf dem Kamm gelandet.]

GPS: 39.2395, 68.2561

  Alaudin See ↣ Sangisated Tagebuchseite

O 2700 m, U 2200 m

Früh scheint wieder die Sonne und wir trocknen wieder am gleichen Ort unsere Sachen. Mittags gibt es zwischen Tom und mir fürchterlichen Krach. Gegen 16 Uhr ziehen wir los, den Pasrud abwärts. Der Fluß windet sich durch ein weites Tal. Sangisated ist eine urtümliche Ansammlung von 20 Lehmhütten, die Leute leben hier nur von ihren Kühen und ein wenig Ackerbau (Pfefferminze) auf steinigen Handtuchfeldern. Wir übernachten im nächsten Quertal hinter dem Ort.

Nicht weit entfernt sind ganz phantastisch gegliederte Felsen mit vielen Höhlen und Auswaschungen, ähnlich wie in der Sächsischen Schweiz. Das Ganze ist aber sehr bröcklig und besteht aus vom Lehm zusammengehaltenen Steinen. Mache einen Rundgang durch das ganze Gebiet und auch einige Fotos.

GPS: 39.25626, 68.38825

  Sangisated ↣ Ploschadka Tagebuchseite

O 2200 m, U 1750 m

Bei schönem Wetter geht es weiter entlang des Pasrud-Tales aus dem Gebirge. Nach einer halben Stunde Weg wird das Tal sehr eng und malerisch. Die Wände fallen steil bis zum Fluß ab, gute Klettermöglichkeiten. Noch weiter unten erwischen wir einen LKW, der mit allem möglichen Krempel beladen ist, und der uns bis Pasrud bringt. Das nächste Dorf Schurmaschk ist endlos lang und schon einigermaßen zivilisiert. Danach die kleinen Dörfer Pinyon und die Neubausiedlung Serawschan. Hier ist das Gebirge sehr trostlos und besteht nur aus Schutthalden. Versuchen zum Abzweig zum Iskanderkul-See zu kommen. [Dort wären wir wieder auf der Original-Route.] Kein Auto hält, also laufen wir.

Am Abzweig steht ein Heizkraftwerk und wahrscheinlich ein Bergbaubetrieb. Wir laufen am falschen (linken) Ufer des Iskader-Daria in die Kraftwerksiedlung hinein und werden von einem Milizionär aufgehalten, der unsere Pässe sehen will. [Das war ein extrem kritischer Moment und hätte das Ende der Tour bedeuten können! Ich hatte meinen Rucksack abgesetzt und begann vermeintlich nach den Pässen zu kramen. Irgendwann dauerte es ihm zu lange und er hat uns nur ermahnt, das andere Ufer zu nehmen.] Wir kommen über eine Brücke wieder ans rechte Ufer, finden jedoch wegen der Enge und Felsigkeit keinen Zeltplatz. Nach langem Laufen erreichen wir mit butterweichen Knien und vielen Blasen an den Füßen gerade vorm Dunkelwerden einen kleinen Lagerplatz am Steilufer neben der Straße.

GPS: 39.15578, 68.49677

  Ploschadka ↣ Duschanbe Tagebuchseite

Unsere Begegnung mit dem Milizionär hat uns veranlasst, doch nicht zum Iskanderkul zu gehen, sondern direkt nach Duschanbe. Laufen bis zum Kraftwerk zurück und erwischen nach einer halben Stunde warten einen LKW der einige Leute zur Turbasa Barsob in Duschanbe befördert. Die Fahrt ist sehr interessant, weil sie endlos das Hissargebierge hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter geht (ca. 130 km). Weiter geht es mit einem УАЗ, der uns freundlicherweise direkt zum Flughafen bringt (von der Turbasa hätten wir auch einen Bus nehmen können).

Das Intourist-Büro am Flughafen wird renoviert ⇒ wir kaufen einen Flug für 27.9. 8:35 Uhr nach Samarkand (14 Rubel 50) ohne Probleme im Hotel Tadschikistan (etwa 10 Stationen mit Trolleybus 2, linkerhand). Gepäckaufbewahrung ist am Flughafen auf 30 Tage begrenzt und kostet stets -,30. Gehen ins Kaufhaus und einige Geschäfte kaufen aber nur eine Flasche Sekt (6,30).

Abends versuchen wir in der Dunkelheit [zum Übernachten] das freie Land zu erreichen, es wird jedoch ein Mißerfolg, obwohl bereits kurz neben der Haupstraße Bauernhöfe stehen. Zurück zum Flughafen (Bus 3, O-Bus 2, 3, 4, kostet 5 Kopeken, Fahrscheine beim Busfahrer. Schlafen nahe beim Flughafen auf Teestubengestellen nur mit Schlafsack. Toiletten sind unbrauchbar.

GPS: 38.551871, 68.814438

  Duschanbe Tagebuchseite

Aufstehen beim Sonnenaufgang. Nach Gepäck abgeben lesen wir als erstes unsere gestern gekaufte Frankfurter Allgemeine und Tom die New Herald Tribune. Gegen zehn brechen wir zum großen Buchladen auf, was aber eine Enttäuschung ist. Dafür gibt es auf dem Basar viel zu sehen: Granatäpfel 2,-/kg, gelbe tomatenähnliche Dinger, die nach Zucker schmecken -,30/kg, getrocknete Pfirsiche, Rosinen, Aprikosen (teuer), Wein -,60 bis 1,-/kg, Zwetschgenähnliche saftige Dinger 2,20/kg. Man kann überall kosten. Essen in sehr gemütlicher Freiluft-Gaststätte bzw. Teestube je 4 Schaschlyks (ähnlich Kebabtsche) und außerdem noch viel fett gebackenes. Eis ist enttäuschend. Außerdem gibt es Hefe, die wir für Schokoeis hielten. Bier schmeckt scheußlich, Kwaß ganz angenehm. Insgesamt eine Schlemmertour.

Suchen in 2 Hotels vergeblich nach einem WC. Latschen die Hauptstraßen ab, Nebenstraßen bzw. Gassen scheint es im Zentrum nicht zu geben. Sehr viel Grün. Zwei weitere Buchläden ergeben ebenfalls nichts. Abends kaufen wir uns eine Flasche Rotwein, der scheußlich süß schmeckt und legen uns am alten Platz zur Ruhe. Die Mädchen sind hier sehr hübsch traditionell gekleidet.



  Duschanbe ↣ Samarkand Tagebuchseite

6:30 Uhr aufstehen, da wir 8:35 Uhr Ortszeit fliegen wollen. Schmeißen alles weg, was wir nicht mehr brauchen, unnötigerweise, wie sich später herausstellt, auch einen halben Liter Benzin. Bei der Intourist-Abfertigung werden wir nicht kontrolliert, fahren mit extra Bus zur Jak 40. Vorher kaufen wir noch den August-Sputnik für 2,- bei Intourist. Flug 45 Min, sehr ruhig. Leider sitzen wir links auf der falschen Seite, so daß wir von den Bergen wenig sehen. Wir können sie ohnehin nicht zuordnen.

Versuchen danach bei Intourist Flugtickets nach Taschkent für den nächsten Tag zu bekommen. Nach 2 Stunden Warten werden wir für morgen 11 Uhr bestellt. Sputnik 8 und 9 gibt es hier kostenlos.

Treffen ein paar Tschechen, die aus China kommen (Rundreise bis Nachodka für 10$ im Polen gekauft entspricht ca. 130000Zł, Fahrt nach China mit Bus).
[Sie hatten uns ihre Pässe gezeigt. Darin waren viele Visas von fernen Ländern, explizit erinnere ich mich an Südamerika. Wenn sie das Geld auftreiben konnten, war es für Tschechen möglich, aller 2 Jahre überall hin zu reisen. Nur wir Ossies durften das nicht, weil wir ja abhauen und BRD-Bürger hätten werden können. Tschechen hätte man einfach immer zurückgeschickt.]

Vom Flughafen fährt Linie 10 in die Stadt. Rundgang durch Gemüsemarkt (Granatäpfel 2,50/kg) und ГУМ. Versuchen zur Pendschikent-Str. mit verschiedenen Bussen zu gelangen, um Moschee anzusehen. Treffen unterwegs einen Typ aus Karl-Marx-Stadt von der Freien Presse, der uns zum großen Gemüsemarkt mitnimmt (Feigen 4,-/kg). Bis 20 Uhr Schwatz im Flughafen. Von ihm der Tip, im Lager Artutsch (eine Haltestelle vor Flughafen) zu übernachten. Wir müssen eigene Schlafsäcke mitbringen und Tom gibt seinen Ausweis ab. (Der Typ hieß Georg Fietsch.)

GPS: 39.690423, 66.991751

  Samarkand ↣ Taschkent Tagebuchseite

8 Uhr aufstehen, Haare gewaschen. Nach etwas Warten bekommt Tom seinen Ausweis ohne Probleme zurück. Weil wir um 11 Uhr im Flughafen sein sollen, bleibt keine Zeit mehr für die Stadt. Bekommen Tickets für 16 Uhr (12,-) nach Taschkent. Tom geht es nicht gut und wir legen uns vor dem Flughafen auf eine Parkbank.

Fliegen diesmal mit AN24 und einem Haufen nervtötender Bundesdeutscher. Flug innerhalb von Wolken ist recht turbulent. Nach der Landung versuchen wir sofort unsere Flugscheine ändern zu lassen, was auch klappt. Fliegen morgen nach Kiew, statt am 2.10. . Nach Budapest war von Kiew aus erst am 2.10. was zu haben, ich verzichte erst mal.

Bus Nr. 67 bringt uns zum ГУМ. Dort gibt's die Udo Lindenberg/Alla Pugatschowa-LP und Oszillografen für 75,-, die ich wohl beide morgen kaufen werde. Suchen uns einen Schlafplatz im Park vor dem Kaufhaus, allerdings gut erleuchtet. Den ganzen Nachmittag war es bewölkt und abends fallen ein paar Tropfen, die Nacht ist glücklicherweise regenfrei. Wir werden von zwei recht freundlichen Polizisten geweckt, die sich nach dem woher und warum erkundigen und sich meinen Ausweis ansehen, uns aber weiter schlafen lassen.

GPS: 41.323227, 69.231756

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Gegen 8 Uhr stehen wir auf, weil uns die Passanten anstarren, wie Leute vom Mond. Nach Zeitungsschau kaufe ich den Oszi und die Platten. Nach dem Gepäck abgeben am Flughafen fahren wir mit Bus 25, um ins Zentrum zu gelangen. Taschkent besitzt jedoch überhaupt kein nennenswertes Zentrum, nur riesige Prospekte mit ab und zu mal einem Laden. Eine extrem häßliche Stadt, nur Neubauten und in den Außenbezirken kleine ländliche Häuser (Folge des Erdbebens). Kommen zum Fernsehturm, den wir besichtigen wollen. Müssen dabei eine Führung mit Bilderklärungen über uns ergehen lassen. Kostet 2,- (Restaurant mit Essen wäre 6,-). Aus etwa 100 m Höhe sieht die Stadt bei leicht durstiger Sicht nach allen Seiten endlos und öde aus.

Fahren mit Linie 67 (die auch zum Flughafen und zum ГУМ fährt) und entdecken dabei den Basar, der an Größe alles bisherige in den Schatten stellt. Tom kauft Pfirsiche für 2,-. Äpfel, Birnen sind in Massen da und trotzdem teuer 3,-. Pfirsiche sind selten, gute kosten 3,-, sehr gute gibt es gar nicht.

Am Flughafen finden die Abfertigung für Inlandflüge im alten Gebäude eine halbe Stunde vor Flugbeginn statt. Fliegen diesmal mit IL62 21:15 Uhr Ortszeit ab, Landung 23 Uhr in Kiew. Habe die Filme in der Kraxe vergessen. Schlafen in der Intourist-Wartehalle auf der Bank.

GPS: 50.3518, 30.8996

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Heute ist wirklich ein Pech-Tag. 7:30 Uhr verlasse ich Tom, der wegen seines Fluges nach Berlin oder Leipzig vorsprechen soll. Ich fahre mit Zubringerbus Borispol-pl. Pobeda (ist dort, wo das Lybid steht). Mit O-Bus Nr. 9 zum Reisebüro in ul. Lenina, wo man mir mitteilt, dass es bis 15.10. keine Plätze gäbe, ich soll mich auf dem Bahnhof an Kasse 42 anstellen.

Verirre mich etwas. O-Bus Nr. 2 fährt zum Bahnhof oberhalb des Reisebüros auf der Seite der Oper ab. Riesen Schlange am Schalter 42 und nur noch 1 Stunde Zeit [bis zur Abfahrt des Zugs]. Als Reisende nach Budapest vorgelassen werden, großes Aufatmen und gleich danach große Enttäuschung, denn auf mein Visum werden mir keine Fahrkarten verkauft. Ich soll mich zur Miliz ul. Iwanow Nr. 1 wenden, zu erreichen mit Bus Nr. 10.

Nach Budapest fliegt ab heute nur noch eine Maschine (Umstellung der Fahrplans) in der Woche, montags. Die ist ausverkauft und angeblich nur gegen Devisen zu haben.

Es regnet. Zurück im Borispol versuche ich eine Maschine nach Prag zu bekommen, fliegt aber erst morgen und nur von ČSA. Soll 12 Uhr dort sein (2. Etage bei Intourist), dann ist möglicherweise ein Platz frei.

Treffe Georg wieder und fahre am Nachmittag, als der Regen aufhört nochmal nach Kiew. Läden haben teilweise bis 20 Uhr auf. Kaufe nochmal Platten. Züge nach Budapest 9:13 Uhr und 11:21 Uhr. Strecke Borispol-Kiew wird ab 4:10 Uhr regelmäßig befahren, bis 24 Uhr, sonst nur aller Stunden. Essen mit Georg im Flughafenhotel ein ungenießbares Abendbrot mit Knoblauch.



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Übernachte wie Nacht zuvor, nur allein. Früh ist noch mehr Spektakel. Komme trotzdem erst 6:30 Uhr hoch und bin erst kurz vor 8 Uhr auf dem Bahnhof. Von 7 bis 8 Uhr ist der Schalter wegen Schichtwechsel geschlossen, deshalb steht eine entsprechende Schlange davor. Mit regulärem Anstellen erreiche ich den ersten Zug (9:13 Uhr) nicht mehr, bekomme aber nach gefährlicher Situation, in der ich erklärt habe, dass ich kein "Tourist", sondern "Priglashenie" habe, für den zweiten (11:21 Uhr) ein Billett.
[Das war die gleiche Frage, die sie mir auch am Tag zuvor gestellt hatten: "Turistischeskaja Visa" oder "Priglashenie" (Einladung)? Am Vortag hatte ich Touristenvisa geantwortet und verloren, diesmal entstand eine lange Stille nachdem ich auch meine Einladung nicht vorzeigen konnte, bis sie mir endlich doch einen Fahrschein verkaufte.]

Zug fährt über 16:47 Chmelnitzki, 18:40 Ternopol, 20:49 Lwow, 1:03 Mukatschewo, 7:43 Ankunft Budapest. Bin mit einer neureichen russischen Familie in einem Abteil. Fahrt ist sehr bequem, es wird Tee serviert und es gibt Lesestoff (Tschechow). Vor der Grenze werden vom Schlafwagenschaffner unsere Pässe eingesammelt. An der Grenze angekommen, wird jeder nach Rubeln und Gold befragt, von der Passkontrolle merken wir gar nichts. Wir bekommen später unsere Ausweise gestempelt vom Schaffner zurück.

Nachtrag zu gestern: Beim zweiten Stadtrundgang will ich zusammen mit Georg eine Kirche besichtigen und bekomme dabei die Ankunft des Patriarchen von Russland in dieser zu Gesicht. Viel Gedrängel.



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Nach Ankunft gebe ich sofort das Gepäck ab (Kraxe + 1 Plattenpaket 40,-), löse die Schecks ein und setze mich Richtung Plattenladen in Bewegung. Kaufe im Antiquariat für 4500Ft 12 LPs, danach fünf einheimische Platten für je 280Ft. Einige Buchantiquariate führen bereits keine deutschen Bücher mehr, bei den restlichen 2, die ich aufsuche, gibt es nichts besonderes. Metro kostet inzwischen 5Ft, Bus 6Ft. Am Abend kaufe ich 1 Liter Wein und fahre zum Saturnos. Dort erwartet mich eine böse Überraschung. Das Lager ist geschlossen und das Tor ist mit einer Kette gesichert. Als ich davor stehenbleibe, kommt ein Typ im gelben Skoda und weist mich extra darauf hin.
[Saturnos war der schlammige Zeltplatz etwas außerhalb der Innenstadt, auf dem Ostdeutsche all die Jahre zuvor kostenlos übernachten konnten. Der war geschaffen worden, um uns abzuhalten, auf der Magareteninsel zu übernachten, was wohl das Stadtbild etwas beeinträchtigt hatte.]

Bleibt mir nichts weiter übrig, als eine Bank auf der Magareteninsel aufzusuchen. Insel ist nachts sehr menschenleer. Früh fängt es erst leicht an zu nieseln und ich schaffe es, die Bank unter einen größeren Baum zu ziehen, bevor eine Viertelstunde stärkerer Regen einsetzt.

War am Abend mal in der Straße, wo die deutsche Botschaft sein soll (Nepstadion út.), habe sie aber nicht gefunden. Am Sonntag sollen 6000 Leute aus den Botschaften von Prag und Warschau in den Westen gelangt sein.

GPS: 47.52446, 19.04954

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Früh wieder am Plattenantiquariat, um das restliche Geld auszugeben (7 LPs für 2000Ft). In einem Buchantiquariat erwische ich Simmel. Lese mir auf einer Parkbank Die Welt durch (67Ft). Von Rubeln will man auf keiner Bank etwas wissen. Der Amicus [der Zug nach Prag] fährt wie immer 20:21 und führt keine Platzkarten mehr. Fürs letzte Geld will ich noch ein paar Bananen kaufen, die es überall in der Stadt gab (80Ft /kg) aber ausgerechnet hier nicht. So nehme ich mit Weintrauben und Äpfeln vorlieb. Der Zug wird erst eine halbe Stunde vor Abfahrt bereitgestellt, ich habe ein Abteil für mich zum Schlafen.



  Prag

Bin 6:30 Uhr in Prag. Nach Besorgen der Platzkarten für den 74 [den "Hungaria" Zug nach Dresden] geht's wieder auf meinen Standardrundgang. Elektronikladen Skorepka ist umgezogen nach Melantrichgasse 8. In den Antiquariaten sieht es ebenfalls schlecht aus mit deutscher Literatur. Kaufe Lem und Bukowski in Englisch. Außerdem Chip 10.
[Wie man vielleicht schon vermuten konnte, bestand mein Lebensinhalt neben meiner normalen Arbeit damals darin, Schallplatten und Bücher zu kaufen. Ich war deshalb jede dritte Woche nach der Nachtschicht in Prag und ein Mal im Jahr in Budapest, um in Plattenläden und -antiquariaten zu stöbern.]

Zoll sagt nichts zu 11 kg Platten. Am Hauptbahnhof hält der Zug viel zu weit hinten. Die mit dem Zug Ankommenden werden durch einen Ausgang unter der Brücke ausgeschleust, weil vor dem Haupteingang Wasserwerfer gegen Ausreisewillige im Einsatz sind.
[Ich war in einem denkwürdigen Augenblick angekommen. Vor dem Hauptbahnhof hatte eine wütende, Pflastersteine werfende Menge ein Polizeiauto in Brand gesetzt. Auslöser war, daß die von Genscher freigekauften Flüchtlinge aus der Prager Botschaft hier durchkommen sollten. Ich konnte mich leider nicht an der hier mal nicht ganz Friedlichen Revolution beteiligen, sondern mußte erst mal meine Schallplatten und den Oszi in Sicherheit bringen.

Hätte uns die Wende nicht die Reisemöglichkeiten in den Westen gebracht, wäre diese Tour sicher der Auftakt für weitere Rußland-Abenteuer gewesen.]

Конец

Anhang

Die Tagebuchseiten:

Seite 08.09.1989
Seite 09.09.1989
Seite 10.09.1989
Seite 12.09.1989
Seite 13.09.1989
Seite 14.09.1989
Seite 15.09.1989
Seite 17.09.1989
Seite 18.09.1989
Seite 19.09.1989
Seite 21.09.1989
Seite 22.09.1989
Seite 23.09.1989
Seite 24.09.1989
Seite 25.09.1989
Seite 26.09.1989
Seite 27.09.1989
Seite 28.09.1989
Seite 29.09.1989
Seite 30.09.1989
Seite 01.10.1989
Seite 02.10.1989
Seite 03.10.1989
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