

Juli 2000 - Paddeln auf der Peene mit Gerd
Start: - Malchin
Ende: - Stralsund

Die zurückgelegte Strecke
Das war unsere erste Tour mit selbstgebautem Segel. Dieses Jahr hatten die Vorbereitungen deshalb besonders viel Zeit verschlungen, weil ja neben dem Bau von Mast, Schwertern und Segel auch noch Segel-Theorie gelernt werden mußte.
Anfahrt war wie üblich mit Wocheendticket bis Malchin. Nach dem Zusammenbau des Bootes am Dahmener Kanal gings am 2.7. gleich noch los Richtung Kumerower See. Hier konnten wir das Segel zum ersten Mal bei mäßigem Wind ausprobieren. Es funktionierte! Lediglich unsere aus Kuchenblechen gefertigten Seitenschwerter bogen sich mehr als erwartet durch.
Erste Übernachtung bei Salem am linken Ufer. Am Folgetag hatten wir mit Gegenwind aus Nordosten zu kämpfen. Mit Segeln war erstmal nichts (und sollte bis zum Erreichen des Boddens auch nichts mehr werden). Außerdem kamen wir recht langsam voran, so daß auch die zweite Übernachtung noch am Kummerower See kurz vor dem Abfluß in die Peene war.
Nächster Tag dann auf der Peene. So was von Ruhe! Wir haben auf der ganzen Tour nur sehr wenige Boote getroffen. Dafür aber mehrere Leute, die angesichts unseres Segels berichtet haben, daß sie auch noch ein Originalsegel für den Kolibri IV irgendwo rumliegen haben. Gab's halt damals zum Boot dazu.

Abends an der Peene
Hier endlich mal ein Bild von einem der ersten Rastplätze an der Peene in völliger Einöde. Links Gerd, rechts ich. Aufgenommen wurde es mit einer wasserdichten Billig-Kamera ohne Selbstauslöser. Kommt Ihr nie drauf, wie das Bild gemacht wurde! Ist wohl unnötig, zu sagen, daß niemand sonst zugegen war.
Wie man im Hintergrund schön sieht, sind die Ufer fast durchgängig dicht mit Schilf bewachsen, so daß ein Anlanden nur selten möglich ist. Man kann auch schon mal 5 Kilometer lang suchen, wenn einem der letzte Rastplatz nicht gut genug war. Glücklicherweise ging die Sonne ja spät unter. Gute Stellen zum Anlegen sind in der Nähe von Orten, weil die Einheimischen natürlich ihren Bade- und Angelplatz haben. Unsere Übernachtungen waren bei Klenz, Plestin und Gützkow. Nach Demmin münden häufig Reste von früheren Mäandern in den Fluß (wie bei den Digedags auf dem Mississippi (wer's kennt)). Einige hatten wir auf der Suche nach einem Rastplatz erkundet, sind dort aber nicht fündig geworden.
Gefälle hat die Peene fast keins. Ab Anklam haben wir wegen des Nordostwinds sogar eine Strömung gegen Fließrichtung erlebt.
Eine Weile nach Anklam erreichten wir schließlich den Peenestrom. Der Name ist für mich verbunden mit den Erzählungen meiner Mutter, die 1945 als Kind aus Ostpreußen geflohen ist und dabei auf dem Peenestrom von Flugzeugen beschossen wurde. Die Reste der gesprengten Brücke, die Ihr als Orientierung im Gedächtniss geblieben war, habe ich trotzdem nicht bemerkt. Vermutlich weil einfach der Eindruck so großartig war, wenn man sich nach einigen Tagen Flußpaddelei dieser Weite gegenübersieht. Vielleicht ist sie auch nur einfach weiter östlich.
Ich war zwar schon einige Male auf der Müritz oder anderen großen Seen unterwegs gewesen, aber Küstengewässer waren Neuland für mich. Wir hatten die Tage vorher aufmerksam die Windgeschwindigkeiten der Deutschen Welle verfolgt und waren uns nicht sicher, ob wir wegen Windstärke 4 oder 5 würden abbrechen müssen. So war ich sehr gespannt, was für Wellen mich auf dem Bodden erwarten würden.

Morgens ist das Meer weg
Abends auf dem Peenestrom war das Wasser noch ruhig. Wir suchten uns eine Übernachtung bei Gneventhin auf Usedom.
Früh war das Wasser um 50 Meter zurückgewichen. Der Nordostwind hatte aufgehört, Wasser gegen die Küste zu drücken, und weil das Ufer sehr flach ist, wirken sich kleine Änderungen des Wasserstandes so stark aus. Schon mal gut, daß am Abend kein Westwind war, sonst hätten wir vermutlich eine unruhige Nacht erlebt. Daß man das Boot mal weit bis zum Wasser schleppen muß, läßt sich ja noch verkraften.
An diesem Tag gings immer am westlichen Ufer entlang bis nach Weschow. Dort ließ sichs prima Baden, bis ich im Wasser in eine Glasscherbe trat. Wegen der tiefen Wunde traute ich mich nicht mehr auf Sand zu laufen, so daß das Anlanden fortan zu einem schwierigen Manöver wurde. Und Sand gibt es hier in rauhen Mengen. Einkaufen gehen fiel natürlich auch aus.

U-Boot in Wolgast
Weiter gings immer am linken Ufer Richtung Norden. Segeln war wegen Flaute nicht drin. In Wolgast lag im Hafen dieses U-Boot, wo ab und zu mal jemand in Zivil drauf rumlief. Gibts schon U-Boote für Privatpersonen? Hätt ich auch gern eins!
Die nächste Übernachtung war in der Nähe von Karlshagen. Wegen Dauerregen schoben wir hier auch noch einen Ruhetag ein, mit Stadtbummel, Hafen- und Strand-Besichtigung. Der östliche Usedomer Strand hat den feinsten Sand, den wir auf der ganzen Tour gefunden haben! Tourimäßig war nicht viel los, aber man konnte erkennen, daß hier normalerweise eine ganz andere Klasse von Urlauben stattfindet.
Nachts konnte man in der Ferne schon das Kraftwerk Lubmin gespenstisch bläulich leuchten sehen. Vermutlich nicht wegen der Radioaktivität sondern nur wegen der Scheinwerfer der Bewachungsanlagen.

Unter Kühen
Am elften Tag unserer Fahrt gings dann weiter Richtung Greifswalder Bodden über das Hagener Wiek, das wir mittig durchquerten, und rund um die Halbinsel Struck, wo sich ein Naturschutzparadies für Kühe befindet. Der Wind hatte etwas aufgefrischt, so daß Segeln erstmals seit dem Kumerower See wieder möglich war.

Der Atom-Strom
Kurz nach Struck passierten wir den Kühlwasser-Abfluß des Kernkraftwerks Lubmin. Das Kraftwerk ist ja so günstig gelegen, daß das Wasser auf kurzem Wege aus dem Hagener Wiek geholt und in den Greifswalder Bodden abgegeben werden kann.

Treideln im Meer bei Gegenwind
Ab jetzt wurde das Paddeln ziemlich schwierig. Der Wind hatte aufgefrischt und blies aus Nordwesten, d.h. von vorn. Das Ufer verläuft hier extrem flach und ist durchsetzt mit vielen Steinen, die bis knapp unter die Wasseroberfläche reichen. Wir hatten also die Wahl zwischen nah bei etwas weniger Wind am Ufer paddeln und dauernd auf Steine schrammen oder weit draußen mit dem Gegenwind kämpfen. Wir probierten alles mal aus, entschieden uns dann aber über weite Strecken für Treideln in Ufernähe. Das ist natürlich für Paddler etwas würdelos und dementsprechend frustrierend. Besonders für Gerd, weil ich ja verletzt war, und das Boot nicht verlassen konnte :-). In der Nähe von Vierow schlugen wir an diesem Abend erschöpft unser Nachtlager auf.
Auf dem Bild kann man schön unserere Segelausrüstung bewundern. Mast und Hauptsegel sind noch vom Vortag installiert, nur das Vorsegel und die Schwerter sind bereits abgebaut.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Am nächsten morgen hatte der Wind weiter zugenommen, immer noch aus Westen. Wir tasteten uns am Ufer bis zum Dänischen Wiek vor. Dort hatten wir die Wahl zwischen umkehren, an der Küste entlang bei hohen Wellen bis Greifswald in den Bodden hineinfahren oder quer rüber die 2,5 km Luftlinie nehmen. Wir entschieden uns für letzteres, sollten es aber schnell bereuen. Bei Gegenwind Stärke 5 und hohen Wellen sind wir kaum vorangekommen und waren bald erschöpt, hatten aber immer noch einen Kilometer vor uns. Zu dem Zeitpunkt kam eine Segel-Yacht vorbei und der Käptn schrie uns zu, ob wir verrückt wären und gerettet werden wollten. Wäre vermutlich sehr vernünftig gewesen. Wir waren aber zu sehr mit dem Wasser beschäftigt (und hatten wohl sehr verbissene Gesichter), als daß wir uns auf eine Unterhaltung einlassen konnten. So ist die Yacht wieder abgezogen und wir waren wieder alleine.
Daß dieser Bericht existiert, zeigt natürlich, daß wir nicht ertrunken sind. Aber wir waren nahe dran! Mit trotz Spritzverdeck viertel vollgelaufenem Boot erreichten wir endlich total entkräftet die andere Seite und konnten an diesem Tag keinen Meter mehr fahren.

Auf Reede
Am nächsten Tag konnten wir endlich mal wieder ein Stück im Windschatten paddeln. Auch hatte der Wind nachgelassen, so daß auch die Umrundung der Insel Koos nicht so schlimm war. Wir hatten sogar mal wieder einen Segelversuch unternommen, den unser Mast leider nicht überlebt hat. An Riems vorbei und dann nördlich die Küste lang gings erst mal nach Stahlbrode.
Hier kam Gerd grade vom Einkaufen zurück (Ging wegen meiner Verletzung leider immer noch nicht. :-)). Man sieht gut, wie unglaublich flach das Ufer hier ist.

Am Ende
Das ist das letzte Bild dieser Tour vor der Übernachtung bei Oberhinrichshagen. Wir hatten an diesem Abend lange gesucht, bis wir uns schließlich mit diesem Fleckchen Ufer am Fuß einer bewaldeten Böschung zufrieden geben mußten.
Am Tag darauf landeten wir nachmittags in Stralsund an, um die Lokalität für unsere Abreise am nächsten Tag zu erkunden. Es herrschte kaltes Nieselwetter. Obwohl wir uns auf der Tour an längeres Paddeln im Regen gewöhnt hatten, waren wir nach zwei Stunden in der Kneipe wieder so verweichlicht, daß der Einstieg ins Boot erstmal sehr schwer fiel. Auf dem Wasser unterwegs nach Rügen ging's dann aber schnell wieder.
Wir bauten unser Zelt am Ende des Badestrandes in Altefähr auf. Der Campingplatz kam für uns nicht in Frage, weil er nach der Skizze in Altefähr im Landesinneren liegt und wir das Boot nicht so weit über Land schleppen können.
Am nächsten Morgen packten wir unter den strengen Augen eines älteren Herrn zusammen, der am Schluß erstaunt feststellte, daß wir nicht das kleinste bischen Müll hinterlassen hatten. Hatte wohl schon schlimmeres erlebt. Auf gings zum zweiten mal Richtung Stralsund. Da der Wind etwas aufgefrischt hatte, gab es auf der kurzen Strecke nochmal einige Wellen. Lustig war die Mischung von längeren Wellen aus Richtung Hiddensee mit kürzeren Wellen von Nordwest.
Zum Abbau des Bootes fanden wir nach einigem Suchen einen Sportverein, bei dem wir geschützt unter einem Dach zusammenpacken konnten. Nachdem es anfangs nur leicht genieselt hatte, goß es bald in Strömen. Wir hatten uns außerdem mit der Zeit verrechnet, so daß wir am Schluß mit dem Boot auf dem Bootswagen zum Bahnhof rennen mußten. Auf der langen Zugfahrt nach Dresden hatten wir genügend Zeit, um wieder trocken zu werden.
Alles in allem war das ein sehr abwechslungsreicher und abenteuerlicher Urlaub, an den ich mich gerne zurückerinnere.
